Unter Bayern:Santa Michaela

Mit Segnungen ist man in Bayern schnell bei der Hand. Nichts und niemand scheint davor sicher zu sein. Jetzt schwingen sich sogar schon Ministeriale zur Benediktion auf

Glosse von Sebastian Beck

Es ist schon ein paar Jahre her, da hing der Reporter der Bayernredaktion mit der Kamera um den Hals in der Gnadenkapelle von Altötting herum und hoffte auf ein Wunder oder zumindest auf irgendwas in der Richtung. Stattdessen wurde er Zeuge eines Notfalls: Es war an Pfingsten und das Weihwasser ging zur Neige. Der Mesner hatte eine grüne Plastikgießkanne mit zehn Litern Wasser in der Sakristei in Stellung gebracht, doch fehlte eine Fachkraft, um dass Leitungswasser in Weihwasser zu transformieren. Es dauerte eine ganze Weile, bis der Mesner endlich einen Pfarrer aufgetrieben hatte, der über der Gießkanne eine paar Gebete murmelte, um das Wasser spirituell anzureichern.

Der Reporter zapfte sich einen Viertelliter frisches Weihwasser in eine Lourdes-Madonna aus Kunststoff und brachte sie der Sekretärin K. als Give Away mit. Von da an wurde er von ihr am Schreibtisch immer wieder mal mit ein paar Spritzern aus Altötting bedacht, wenn er aus ihrer Sicht einen grantigen oder sonst wie unkommoden Eindruck machte. Dazu rief sie: "Mare helf!" Die letzte Anwendung ist leider nun schon gut ein Jahr her, und ja, die Wirkung lässt langsam nach.

Jedenfalls ist das Segnungswesen in Bayern weit verbreitet und trotzt auf erfreuliche Weise der allgemeinen Verweltlichung. Es gibt nichts, was sich einer Segnung entziehen könnte - Bankenfilialen, Autos, Pferde, Supermärkte. Insofern reagierte die Redaktion allenfalls schulterzuckend, als das Landwirtschaftministerium am Donnerstag mitteilte: "Staatsministerin Michaela Kaniber segnet das Elektromotorboot Königssee." Schließlich ist Kaniber eine gläubige Katholikin, warum soll sie da nicht mal ein Boot oder einen Freilaufstall oder einen Ministerialbeamten segnen? Andererseits, auch wenn es spießig klingt: Hat die Ministerin dafür überhaupt die Lizenz? Und sollte sie nicht erst klein anfangen und zum Beispiel dem Aiwanger mal eine Weihwasserdusche verabreichen, weil der sie gut vertragen könnte? Offenbar wurde auch das Ministerium von Zweifeln befallen, und so schickte es die Erklärung nach: "Staatsministerin Michaela Kaniber lädt zur Segnung des Elektromotorbootes Königssee." Von dieser gesegneten Stelle aus sei dennoch der Zuruf erlaubt: Möge der Akku immer voll sein! Amen.

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