Unter Bayern:Nix g'sagt ist oft schon zu viel

Schimpfwörter gibt es zahlreiche, selbst bislang unverdächtige Wörter können in bestimmten Zusammenhängen andere in Misskredit bringen. Dabei lässt sich auch schweigend allerhand sagen

Glosse von Franz Kotteder

Wahrscheinlich ist das überall so, aber in Bayern noch etwas mehr: Der Mensch schwankt hier stets zwischen dem Bewusstsein der eigenen Großartigkeit und der Geringschätzung, die ihm von außen entgegengebracht wird. Nicht jeder schüttelt das so locker ab wie Markus Söder, aber der ist als Franke eh Kummer gewöhnt.

Wir hier unten in Bayern begegnen jedenfalls den Hauptstädtern dort oben in Berlin immer schon mit allergrößter Hochachtung. Und da berührt es einen doch unangenehm, wenn man hört, dass sich auf Berliner Schulhöfen der Ausruf: "Du Bayer, du!" zunehmender Beliebtheit als Schimpfwort erfreut. Das mag mit einem relativ erfolgreichen Fußballverein zu tun zu haben, dessen Führungspersonal sich nicht entblödet, auch beim Nachtflugverbot Sonderrechte einzufordern. Gerade so, als ob das, was seine Kicker tun, von irgendwelcher gesellschaftlichen Relevanz wäre. Dennoch: Mein Spezl Volker befürchtet seither, der Begriff "Bayer" könnte der politischen Korrektheit zum Opfer fallen; man könne dann bestenfalls noch vom "B-Wort" sprechen und von "Süddeutschen mit alpenländischem Hintergrund", wenn es um die Bayern an sich gehe.

Klar, das verharmlost den real existierenden Rassismus, um den es beim sogenannten N-Wort geht. Man muss da aufpassen, ein Kollege von der New York Times wurde jüngst gefeuert, weil er das N-Wort aussprach. Nicht, dass ich deshalb jetzt Angst hätte, hierzulande kann man sich eh fast alles leisten, ohne seinen Job zu verlieren. Siehe Andi Scheuer, aber da gähnen jetzt wieder alle. Das ist mittlerweile Scheuers Überlebensgarantie im Amt: Keiner kann sie mehr hören, die Rücktrittsforderungen. Dabei ist das offen Gesagte meist deutlich weniger wirkungsvoll als das Ungesagte: Beim nur Angedeuteten denkt man ja automatisch das Nichtgesagte in aller Ausführlichkeit mit, wird sozusagen noch mit der Nase drauf gestoßen. Eines der legendären Glanzstücke des deutschen Kabaretts lieferte 1980 Gerhard Polt, indem er bei der Verleihung des Deutschen Kleinkunstpreises live im ZDF zehn Minuten lang fast gar nichts sagte. Seitdem wusste jeder, dass der damalige CSU-Innenminister Friedrich Zimmermann einmal einen Meineid geschworen hatte.

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