Nach der üblichen Aufzählung des Gramschatzer Waldes und des Dreiecks Hittistetten ließ der Staumelder im Radio neulich doch noch aufhorchen. Irgendwie geriet er nämlich in Wiesnlaune, weshalb er die Stau-Litanei etwas süffisant um den zähflüssigen Verkehr an der Autobahnanschlussstelle Lederhose ergänzte.
Diese Ortschaft gibt es durchaus, sie liegt gleich hinter der Landesgrenze in Thüringen. Es hat einen gewissen Charme, dass die Gäste aus dem Norden auf dem Weg zur Wiesn direkt an Lederhose vorbeidüsen müssen.
Dass die Einwohner von Lederhose selber wenig Neigung zeigen, eine Lederhose anzuziehen, nimmt zumindest die SZ-Redaktion gelassen hin. Sie teilt nämlich diese Haltung, nachdem sie sich nach allerlei modischen Invektiven der Chefredaktion ebenfalls als lederhosenfreie Zone etabliert hat.
Früher war das anders. Da spazierte der Münchner in der Stoffhose auf die Wiesn, und der gute Ernst Müller-Meiningen jr., eine journalistische Autorität ohnegleichen, erschien unbeugsam mit einer grüngestickten Hirschledernen und mit Gamsverzierungen auf den Hosenträgern zur Redaktionskonferenz. Die Lederhose war noch politisches Programm und kein modischer Krampf.
1913 hatte der Freisinger Bischof die Lederhose gar als ein Werk Satans verdammt. Ihre Träger würden mit ihren nackten Beinen die Lüsternheit pflegen, wütete der Gottesmann. Die Trachtler bekamen vor Ärger über diese Anschuldigung einen Kropf, und Ludwig Thoma schrieb: "Die Erfahrung lehrt, dass ohne Beinkleid am meisten gesündigt wird."
Die Querschädel schlüpften nun erst recht in ihre Lederhose. Der Dichter Oskar Maria Graf düpierte 1958 die feine Society im Münchner Cuvilliéstheater, indem er in seiner speckigen Lederwix aufkreuzte. 1934 provozierte er damit in Moskau sogar einen Volksauflauf: "Amerikanski", riefen die staunenden Russen, als sie Grafs Lederhose erblickten.
Einige Zeit später kreuzten tatsächlich die ersten Amerikanski mit Lederhose und Loferl auf der Wiesn auf. Heute sind sie hervorragend integrierte Wiesngäste.