Süddeutsche Zeitung

Unter Bayern:Lasst Blumen sprechen

Botschaften per Pflanze haben Tradition. Doch was soll es bedeuten, wenn ein Ministerprädident ein Nadelbäumchen vor die Füße gestellt bekommt?

Kolumne von Katja Auer

Bayerns Floristen werden an diesem Freitag ein gutes Geschäft gemacht haben, schließlich war Valentinstag, da bringt selbst der hartnäckigste Romantik-Verweigerer ein paar Blumen mit heim. Auf die Gefahr hin, dass er von der ob solcher Gesten überraschten Gattin aufgefordert wird, etwaige Missetaten unverzüglich zu gestehen. "Sog's glei...", ist eine zwar statistisch nicht untersuchte, aber häufig überlieferte Reaktion von Ehefrauen, wenn der Mann unverhofft mit Blumen in der Tür steht, der sonst einen gemeinsamen Fernsehabend als ausreichend atmosphärisch einstuft.

Dabei ist etwas Vorsicht bei allzu üppigen Gebinden schon angebracht. Man erinnere sich - das Weihnachtsprogramm ist noch nicht lange her - an die unglückselige Sissi in Gestalt der sehr jungen Romy Schneider, wie sie schaut, als ihr der ebenfalls ziemlich junge Karlheinz Böhm einen ganzen Arm voll roter Rosen in den selbigen drückt, weil er nicht die ältere Schwester sondern eben sie heiraten will. "Sog's glei", hätte da nicht gepasst. Von da an war Hofprotokoll statt Romantik.

Beides ist in der Staatskanzlei wenig dominant und so überbringen Bayerns Gärtner ihre Blumengrüße an das Kabinett alljährlich im eher lockeren Rahmen.

Bunte Sträuße waren es heuer, für Männer wie Frauen gleichermaßen. Tulpen und Narzissen sind auf den Fotos zu erkennen, nur vor Ministerpräsident Markus Söder steht ein grünes Nadelbäumchen. Nun hat sich Söder in jüngster Zeit gerne mit Bäumen fotografieren lassen, aber vielleicht ist der Gruß auch mit einer Botschaft versehen. Solche können Blumen ja überbringen, schon Haremsdamen im 18. Jahrhundert sollen auf diese Weise mit der Außenwelt kommuniziert haben. Rote Rosen sind wenig subtil, siehe Sissi, dass sich aber mit einer weißen Nelke die eigene Ungebundenheit signalisieren lässt und der Flieder nach der Treue fragt, das muss man wissen. Unmissverständlich sprach der Blumenstrauß zu FDP-Mann Thomas Kemmerich, den ihm die Linken-Fraktionschefin Susanne Hennig-Wellsow nach seiner Wahl zum Thüringer Ministerpräsidenten vor die Füße geworfen hatte.

Söders Bäumchen bleibt dagegen zunächst ein Rätsel. Vielleicht spricht es einen seltenen Dialekt.

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Quelle:
SZ vom 15.02.2020
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