Süddeutsche Zeitung

Unter Bayern:Fachkräftemangel im Wilden Westen

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Kopfgeldjäger ist kein Beruf der Zukunft, dachte man zumindest. Aber vielleicht ändert sich das nach der Corona-Pandemie. Denn besonders in einer Branche ist gutes Personal rar

Glosse von Katja Auer

Der Brauch des Kopfjagens ist wohl weitgehend unüblich geworden, erfreulicherweise, und auch der Beruf des Kopfgeldjägers ist nicht besonders zukunftsträchtig. Zumindest in seiner klassischen Form, wie man ihn aus seriösen Quellen wie Lucky-Luke-Heften und den "Western von gestern" kennt: Da reitet ein finster dreinschauender Cowboy durch den Wilden Westen, alleine meistens, weil Kopfgeldjäger ein einsamer Job ist, schon weil man sonst das Kopfgeld teilen müsste, mit den Steckbriefen aller Schurken des Landes in der Manteltasche. Trifft er auf den gesuchten Pferdedieb/Postkutschenräuber/Goldnuggetfälscher knüpft er ihn entweder direkt am nächsten Baum auf oder liefert ihn beim Sheriff ab, der dann unverzüglich die Dollars auf den Tisch zählt. Ebenfalls mit grimmigem Gesichtsausdruck, denn wer mag schon Kopfgeldjäger.

So schön schlicht geht es heute nicht mehr zu in der Berufswelt, aber durchaus gibt es noch Leute, die hauptberuflich andere ausfindig machen. Headhunter heißen die jetzt und werden meist nicht schlecht dafür entlohnt, Manager irgendwo ab- und anderswo wieder anzuwerben. Nichts also, wovon der größere Teil der Bevölkerung akut betroffen wäre.

Das allerdings könnte sich sehr bald ändern, denn als Folge der Corona-Pandemie grassiert neben dem Fachkräftemangel nun der Servicekräftemangel. Kaum ein Restaurant, das nicht nach Kellnern und Köchinnen sucht, die Stellenanzeige an der Kneipentür ist schon obligatorisch. Es kann nicht mehr lange dauern, bis Kopfgeld bezahlt wird für motiviertes Personal.

Bis dahin servieren viele Wirtsleute selber, mancherorten steht der Geschäftsführer persönlich am Zapfhahn. Immerhin, das fördert den direkten Kontakt zu den Gästen. Wie kürzlich in einem Gasthaus in Franken. Da ist dem Wirt zum ersten Mal aufgefallen, dass der Stammgast Rudi, nennen wir ihn Rudi, immer als erstes ein warmes Bier bestellt. Und dann im Lauf des Abends noch sechs Halbe, gekühlt allerdings. Warum er das eigentlich macht, hat ihn der Wirt dann gefragt. Na, weil ihm der Doktor ein warmes Bier am Abend erlaubt habe, hat der Rudi geantwortet. Wirklich wahr. Manchmal sind die Dinge nämlich doch ganz einfach. Immer noch.

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Quelle:
SZ vom 31.07.2021
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