Süddeutsche Zeitung

Unter Bayern:Evolution im Sandkasten

Was machen Eltern, wenn die Kinder streiten? Beobachtungen auf zwei Spielplätzen

Glosse von Deniz Aykanat

Eine Szene auf einem Spielplatz in Regensburg. Es handelt sich um die Sorte "Abenteuerspielplatz", das heißt: mindestens ausgestattet mit einer Wasserpumpe, an der sich die Kinder selbst bedienen und größtmögliche Verschmutzung verursachen können, etwa mittels vollständiger Durchnässung der eigenen Kleidung, die anschließend im Sand paniert wird. Zusätzlich auf solchen Spielplätzen zu finden sind Kletterparks, diverse Schaukeln, und ohne Seilbahn kommt heutzutage eh kein Kind.

Wenn man einen Nachmittag auf einem solchen Spielplatz verbringt, fragt man sich, wie man diesen Übergang vom Kind über die Jugendliche zur Erwachsenen eigentlich geschafft hat. Wie bitteschön ist man vom atemlosen Wasserpumpenkurbeln übers Rumhängen und Nelkenzigarettenrauchen zum Weintrinken und Rumlabern gelangt?

Zurück zum Abenteuerspielplatz. Ein Knäuel beige gekleideter Kinder (gerade ist ungefärbt Trend) zankt heftig um einen Gegenstand. Es wird geschrien und gezetert, geschubst und gezwickt. Um das Knäuel herum, von den Kindern völlig unbeachtet, liegen fünf Roller, Spaten und Schaufeln in allen erdenklichen Formen und Farben, außerdem Greifzangen, Bagger, Radlader, Betonmischer und obendrein ein täuschend echt aussehender Akkubohrschrauber für Kinder.

Also entweder ist der Zank-Gegenstand noch toller als dieses Arsenal - oder es ist tatsächlich nur: ein alter Joghurtbecher! Doch so schnell Kinder von etwas besessen sind, so schnell ebbt ihr Interesse ab. Die Kleinen regeln das selbst, lediglich Mütter, die von der Parkbank aus mit Keksen winken, tragen zur Entspannung der Situation bei.

Nächste Szene, wieder ein Top-Spielplatz, diesmal in München. Wieder zanken sich beige Kinder um irgendwas. Diesmal befinden sich aber mehr Erwachsene als Kinder auf dem Areal. Sie bilden einen Ring um die Kinder, geben ihnen strategische Tipps, versuchen zu schlichten, maßregeln aber keinesfalls die eigenen Kinder, pöbeln dafür andere Eltern an, reichen weiteres Spielzeug - und entfernen schließlich den zappelnden Nachwuchs. Alle heulen.

Worum es ging? Unbekannt. Es bleibt die Erkenntnis: Vielleicht sollten Eltern doch lieber am Rand sitzen, Wein trinken, rumlabern - und locker bleiben.

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Quelle:
SZ vom 21.08.2021
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