Unter Bayern:Der politische Kartoffelkäfer

Es ist die Zeit der langen Tage und der lauen Nächte - und der Käfer. Nicht alle sind so gut gelitten wie Glühwürmchen und Marienkäfer. Dafür aber regelrecht von internationaler Tragweite

Glosse von Katja Auer

Es geht auf Johanni zu, jetzt sind die Tage am längsten und die Nächte sind lau. Die Sommersonnwende steht bevor mit all ihren christlichen Bräuchen und heidnischen Mythen. Johannisfeuer müssen angeschürt und übersprungen werden, Kränze aus sieben Kräutern über Fenster und Türen gehängt - um die Dämonen abzuschrecken.

Und dazwischen tanzen die Glühwürmchen. Deren Zauber relativiert sich zwar ein bisschen, wenn man weiß, dass all das märchenhafte Glimmen lediglich den Trieben dient. Aber dass sich Männchen von prägnanten Hinterteilen beeindrucken lassen, ist ja längst von anderen Spezies bekannt. Dennoch bleibt das Glühwürmchen, das ja eigentlich ein Käfer ist, ein beliebter solcher, ähnlich vielleicht wie der liebesrote Marienkäfer, der es bis zum Glücksbringer gebracht hat. Dann aber wird die Zuneigung überschaubarer zum heimischen Krabbelgetier, schon der Maikäfer, der immerhin auf eine umfangreiche literarische Rezeption verweisen kann, ist eher bei denen geschätzt, denen er nicht gerade die Wiesen auffrisst.

Ganz unten auf der Beliebtheitsskala steht der Borkenkäfer, Albtraum aller Waldbesitzer, der nun ausschwärmt bei dem sonnigen Wetter. Nicht einmal besonders schön ist der. Ganz im Gegensatz zum Kartoffelkäfer, der hübsch gestreift ist, aber dennoch ein Mistvieh. Der Kartoffelkäfer ist vielleicht der politischste unter den Krabbeltieren, immerhin wurden ihm im Propagandakrieg zwischen Deutschland und Frankreich schlimmste Missetaten als biologische Waffe zugetraut, gar ein "Kartoffelkäferabwehrdienst", kurz KAD, wurde gegründet.

Der hielt sich auf den Äckern im ländlichen Bayern bis in die 1980er-Jahre, wenngleich nicht mit offiziellem Titel. Kinder, Enkel und sonstige Verwandtschaft klaubten die Viecher von den Kartoffelpflanzen. Hernach wurden sie an die Hühner verfüttert oder einfach ins Feuer geworfen. Zimperlich war man nicht und landlust-romantisch noch weniger, vermutlich sieht man deswegen heute kaum jemanden noch Käfer klauben. Obwohl es ihn noch gibt, wie das Landwirtschaftsministerium bestätigt, aber vermutlich auch wirksamere Gegenmittel. Bleiben die Glühwürmchen für die Romantik. Auch wenn es immer nur um das eine geht.

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