Unter Bayern:Den Seinen gibts der Herr im Schlaf

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Ein kleiner Bub ist jüngst bei einer Rede von US-Präsident Donald Trump eingeschlafen. Da ist er nicht der erste, schon mancher hat sich bei Großereignissen einem Nickerchen hingegeben

Kolumne von Hans Kratzer

Als US-Präsident Donald Trump vor ein paar Tagen seine Rede zur Lage der Nation gehalten hat, hockte im Publikum auch der elfjährige Joshua. Der Bub, der neben der First Lady Melania saß, war als Ehrengast geladen und strahlte entsprechend. Doch schnell nahm die Rede des Präsidenten längliche Züge an, und dem armen Schüler fielen die Augen zu. Alsbald schlummerte er tief und fest, was den Fotografen nicht verborgen blieb. Seitdem johlt das Netz.

Amerikaner neigen überhaupt dazu, sich bei Großereignissen einem Nickerchen hinzugeben. Manchmal zeitigt das fatale Folgen. Bei den Olympischen Spielen 1972 in München legte sich der Gold-Favorit Eddie Hart vor dem 100-Meter-Zwischenlauf noch kurz ins Bett, kurz darauf folgte ein böses Erwachen. Er hatte den Start verschlafen, sein Traum von der Goldmedaille war jäh zerplatzt.

In Nordkorea hätte ihn seine Schläfrigkeit vermutlich das Leben gekostet. Zwei hohe Beamte sollen dort vor Jahren hingerichtet worden sein, weil sie bei einer Sitzung mit dem geliebten Staatschef Kim Jong-un eingeschlafen waren.

Von Müdigkeit übermannt zu werden, ist menschlich. In der Politik ist es jedoch von Vorteil, wenn man diese Schwäche gut zu tarnen weiß. Als Großmeister erwies sich diesbezüglich der frühere bayerische Ministerpräsident Alfons Goppel. Im Februar 1978 war das Kabinett nach Moskau geflogen, um der Eröffnung einer Bayern-Ausstellung beizuwohnen. Goppel sollte die Schau zusammen mit einer russischen Ministerin eröffnen. Den Memoiren des Zeichners Ernst Maria Lang ist zu entnehmen, dass Goppel am Arm seiner Frau pfeilgerade auf die Ministerin zusteuerte, sie einen Grad zu herzlich begrüßte, um sogleich auf seinen Platz sowie in einen jähen Schlaf zu sinken. Als Goppel an der Reihe war, stupste ihn seine Frau sanft und routiniert in Richtung Podest. Ohne Zögern, so schreibt Lang, ging Goppel locker auf drei flache Stufen zu, wäre fast auf der ersten gestolpert, erreichte aber, mit dem Manuskript balancierend, glücklich das Rednerpult, um es besitzergreifend zu umfangen und mit wohltönender Stimme seine Ansprache zu eröffnen.

Goppel war der letzte Großpolitiker, der die Kunst, einen Staat zu lenken, im Schlaf beherrschte.

© SZ vom 09.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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