Unter Bayern:Auf Zeitreise durch Regensburg

Lesezeit: 1 min

Als es noch Touristen gab in den Städten, da konnten diese auf alten Spuren durch die Straßen wandeln. Mit einem Stadtführer im mittelalterlichen Gewand zum Beispiel. Das wird lustig, wenn in ein paar Jahren die ersten Corona-Stadtführungen angeboten werden

Glosse von Deniz Aykanat

Wer vor etwa einem Jahr durch die Altstadt von Regensburg spazierte, bekam vor allem zu sehen: wahnsinnig viele Touristen und sehr viel, sehr schönes, sehr altes Gemäuer. Diese Steine haben einiges erlebt. Sicher viel Schlimmeres als diese Pandemie. Wen interessiert, was genau, für den gibt es besondere Stadtführungen. Da laufen als Mägde, Nachtwächter oder Ritter verkleidete Schauspieler durch die Gassen und versuchen den Besuchern in mittelalterlich anmutender Sprache näher zu bringen, wie es so war, als zum Beispiel die Pest in Regensburg grassierte.

Im Moment läuft niemand herum und die einzige Verkleidung, die es zu sehen gibt, sind FFP2-Masken. Der Dultplatz, wo sich sonst zweimal im Jahr die halbe Oberpfalz einen hinter die Binde kippt, wurde längst zur Corona-Teststation umfunktioniert. Die Altstadt wirkt wie ein Freiluft-Museum.

Doch was passiert, wenn die einzige Freizeitbeschäftigung darin besteht, im Wald spazieren zu gehen? Es drängen sich existenzielle Fragen auf. Zum Beispiel: Wenn in einem Wald ein Baum umfällt und keiner ist dabei, macht er dann überhaupt ein Geräusch? Wenn durch Regensburgs Gassen keine staunenden Besucher ziehen, gibt es die Stadt überhaupt noch? Wenn auf dem Dultplatz kein Bier getrunken wird, ist es dann noch ein Dultplatz? Und was passiert, wenn sich die Gedanken zu lange im Kreis drehen? Richtig, nichts Gescheites.

Aber so hoffnungslos darf man nicht ins neue Jahr starten. Deshalb ein kleiner Ausblick: Eines Tages wird man eine besondere Stadtführung buchen können. Das Corona-Spezial. Schauspieler werden sich authentisch verkleiden, vielleicht als "Elternteil am Rande des Wahnsinns": Jeans, Funktionsjacke mit Schokoladenspuren am Ärmel, fettige Haare, Augenringe, Mund-Nasen-Schutz, den die Oma aus einem alten Hawaiihemd vom Opa genäht hat. Der Elternteil-Schauspieler wird in der Sprache von damals sprechen und fast vergessene Begriffe verwenden wie: Sieben-Tage-Inzidenz, Distanz- und Wechselunterricht oder Ministerpräsidentenkonferenz. Die Corona-Führung wird der Renner. Man wird beim Spaziergang durch die Altstadt wieder von Touristen halbtot getrampelt und freut sich das erste Mal darüber, denn: Regensburg gibt es noch.

© SZ vom 09.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: