Mitten in Bayern:Heilmittel aus der Amtsstube des Bürgermeisters

Apotheke

In Unsleben soll niemand auf die Apotheke verzichten müssen.

(Foto: Uli Deck/dpa)

Den 950 Einwohnern im unterfränkischen Unsleben drohte die Apotheke abhanden zu kommen. Ein untragbarer Zustand. Doch der Bürgermeister schaffte Fakten.

Kolumne von Olaf Przybilla

Vom fränkischen Unsleben aus soll jetzt bitte kein falscher Eindruck entstehen. Natürlich sind Politiker wichtig, der Herr Bürgermeister ohnehin und erst die Gemeinderäte! Ohne die geht mal gar nichts in der Kommune, das weiß jeder Dorfinsider. Was aber sind, mit Verlaub, tatkräftige Politiker gegen ein rasch wirksames Schnupfenmedikament?

Nein, dies ist kein Traktat über Abgründe der Männergrippe, davon gibt's schon genug. Überhaupt sind die Helden dieser Geschichte: Männer. Acht davon sitzen im Gemeinderat von Unsleben (und eine Frau), und deren unerschrockenster ist Bürgermeister Michael Gottwald. Würde dessen Beispiel Schule machen, so gäbe es wohl einige fundamentale Probleme weniger in diesem Land.

Die 950 Einwohner von Unsleben sollen bald widriger Umstände wegen keine Apotheke mehr in ihrer Gemeinde wissen? Da mag der Großstadtbewohner dusselig grinsen. Ein Dorfbürgermeister aber, der seinen Job ernst nimmt, ist in so einer Situation aufgerufen zu handeln. Und also räumt Gottwald nun sein Amtszimmer aus. Da sollen jetzt erst mal Medikamente rein.

Nein, das ist kein Scherz. Und es ist auch kein Gag, dass die Gemeinderäte von Unsleben nun für Mullbinden und Grippesirups ihren Platz im Rathaus räumen. Die Gemeinderatssitzungen finden künftig provisorisch in der Dorfscheuer statt, basta. Es gibt einfach Wichtigeres, als sich selbst beim Reden zuzuhören!

Wie kommt man auf so was, Herr Gottwald? Es ist so, sagt der Bürgermeister: Eigentlich war alles bestens geregelt in Unsleben. Bis der Apotheker im renovierten Gesundheitshaus des Dorfes sich verändern wollte, was sein gutes Recht ist. Also machte sich der Ort auf die Suche nach einem Nachfolger. Auf dörfliche Infrastruktur legen sie Wert in Unsleben, das hat da Tradition. Einen Dorfladen gibt's, ein genossenschaftlich betriebenes Wirtshaus auch. Die Leute sollen ja bleiben in Rhön-Grabfeld. Muss man schon was tun dafür.

Vereinbarungsgemäß hätte dieser Tage der Apotheker raus gesollt aus dem Haus, die neue Apothekerin gleich rein. Irgendwie gab's aber Ärger. Und so wäre die Apothekerin nun ohne Wohnung dagestanden - und ohne Apotheke. "Bleibt mir nichts anderes übrig", sagt der Bürgermeister, als den Platz zu räumen. Arbeiten könne er auch von zu Hause aus.

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