Unruhe in der CSU:Drei Briefe und ein Rücktritt

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Horst Seehofer muss erstmals sein Kabinett umbilden: Staatssekretär Weiß gibt seinen Posten auf und bewahrt so im Streit mit dem Regierungschef Haltung.

K. Auer und K. Stroh

Schlecht hat er nach eigenem Bekunden geschlafen, aber das sieht man Bernd Weiß kaum an. Der Innenstaatssekretär wirkt ernst am Mittwochmittag, als er verkündet, das Kabinett zu verlassen, aber auch ein bisschen gelöst. Er hat nach dem Krach mit Ministerpräsident Horst Seehofer über die Einführung des digitalen Polizeifunks die Konsequenzen gezogen.

Zieht die Konsequenzen aus seinem Streit mit Seehofer (links): Innenstaatssekretär Bernd Weiß (Foto: Foto: dpa)

Wäre er geblieben, sagt er, wäre dies zu einer "Dauerbelastung der Kabinettsarbeit" geworden. Jede seiner Äußerungen wäre fortan nur noch darauf abgeklopft geworden, ob es da Konfliktpotential gebe, ob er sich Seehofer widersetze. Er wäre die "personifizierte Opposition im Kabinett" geworden, sagt Weiß. Das wolle er nicht. Nach nicht einmal einem Jahr muss Seehofer sein Kabinett das erste Mal umbilden.

Weiß hat ihm am Vormittag wieder einmal einen Brief geschrieben. Um elf Uhr faxt er ihn an Seehofer. Der ruft noch einmal an, ob die Entscheidung fix sei, dann beschließen sie, gemeinsam vor die Presse zu treten. "Ich respektiere sie, wenn ich sie auch bedauere", sagt Seehofer. Das sei "kein Lippenbekenntnis".

Als Beleg dafür, wie sehr er Weiß' Arbeit geschätzt habe, erzählt der Regierungschef, der Staatssekretär habe ihm im Frühjahr schon einmal geschrieben, dass er gehen wolle. Er habe sich damals "über Wochen bemüht, ihn im Kabinett zu halten". Weiß' Beweggründe seien seinerzeit aber ganz andere gewesen, "sehr persönliche", über die man schweigen wolle. "Die Gründe haben mit der Politik hier in München nichts zu tun", sagt Seehofer.

Diesmal aber ging es um Landespolitik, um die Feinheiten der Finanzierung des Aufbaus des neuen digitalen Funknetzes für Polizei und Rettungsdienste. Weiß hatte mit den Kommunen eine Lösung ausgehandelt, die Finanzminister Georg Fahrenschon strikt ablehnte.

Vergangenen Mittwoch trafen sich die zuständigen Minister und Weiß in der Staatskanzlei bei Seehofer. "Ich war der Vermittler", sagt dieser. Beide Seiten sind unversöhnlich, am Ende bietet Innenminister Joachim Herrmann als Kompromiss an, die Sache beim jährlich stattfindenden Spitzengespräch mit den Kommunalverbänden zu klären. "Mein eigener Minister ist umgeschwenkt", sagt Weiß. Diesen Vorschlag habe er nicht mittragen können, er bedeute zu viel Verzögerung.

Seehofer selbst bestreitet, dass er im Vorfeld signalisiert habe, Weiß' Vorschlag zu unterstützen. Auch gebe es nach wie vor keine Festlegungen. Er versucht weiter, sich aus dem Streit rauszuhalten. Weiß aber bekommt nach dem Gespräch eine E-Mail aus der Staatskanzlei, die ihm klar bedeutet, er müsse Fahrenschons Haltung mittragen.

Am Wochenende schreibt er einen wütenden Brief an Seehofer, vier Seiten lang. Die Schärfe lag in der "emotionalen Situation" begründet, sagt Weiß, der den Digitalfunk als sein "Baby" bezeichnet. In diesem Schreiben beschwert sich Weiß über das Vorgehen in der Sache und beklagt, wenn man Vereinbarungen mit den Kommunen einfach so aufkündige, brauche man sich über den Glaubwürdigkeitsverlust der CSU keine Gedanken mehr machen. Und er schreibt, das alles sei "keine Basis für eine Zusammenarbeit". Am Mittwochmittag macht er das aktenkundig.

Faktisch tritt Weiß zurück, formal wird er entlassen werden. Er bleibt im Amt, bis es einen Nachfolger gibt, "oder eine Nachfolgerin", wie Seehofer ausdrücklich betont. Am Mittwoch soll der Landtag den Wechsel absegnen. Eine "größere Umbildung" seines Kabinetts schließt Seehofer aus.

Da die Unterfranken nur mit Weiß am Kabinettstisch vertreten waren, pochen sie auf einen Nachfolger aus ihren Reihen. "Wir halten es für selbstverständlich, dass Unterfranken wieder im Kabinett vertreten ist", sagt Ex-Staatskanzleichef Eberhard Sinner. Wer das sein soll, darüber schweigt man sich noch aus. Gehandelt wird allerdings der junge Würzburger Abgeordnete Oliver Jörg, der erst seit einem Jahr im Landtag sitzt. Er könnte indes auch im Sozialministerium landen, heißt es - das zöge eine kleine Staatssekretär-Rochade nach sich, die Seehofer nicht ausschließt.

Zu weit gegangen

Die Unterfranken, mit denen Weiß noch am Dienstagabend zusammensaß, gehören auch zu denen, die ihm zuredeten, im Amt zu bleiben. Das hätten die meisten derer, mit denen er gesprochen habe, erzählt Weiß. Doch überzeugender waren die anderen. In der CSU-Fraktion wird Weiß' Rücktritt recht unterschiedlich beurteilt. Konsequent nennen ihn die einen. Es sei besser, Differenzen in den zuständigen Gremien offen anzusprechene, sagt Agrarminister Helmut Brunner.

Diese Auffassung teilen viele Abgeordnete: Mit dem Brief und seiner Wortwahl sei Weiß zu weit gegangen. Als Seehofer am Mittwoch in der Fraktionssitzung Weiß' Fax vom Vormittag verliest und sich dieser anschließend selbst zu Wort meldet, soll der Beifall mäßig ausgefallen sein. Obwohl auch manche CSU-Abgeordnete über Seehofers Vorgehen in Sachen Digitalfunk verstimmt sind. Führende CSU-Kommunalpolitiker sind ebenfalls verärgert und machen nun Druck auf Seehofer.

Den Parteirebellen wollte Weiß ja nicht geben. "Ich tauge nicht zur Gabi Pauli", hatte er noch am Dienstag gesagt. Einen Tag später kann er aber auch eine gewisse Genugtuung nicht verhehlen. So erntet er auch aus den anderen Parteien Anerkennung. "Respekt, Herr Weiß - endlich muckt ein CSU-Mann mit Rückgrat gegen den selbstherrlichen Führungsstil des wankelmütigen Ministerpräsidenten Seehofer auf. Dies ist die beginnende Erosion in der CSU auf dem Weg zur U-40-Partei", sagt der scheidende SPD-Fraktionschef Franz Maget und prophezeit: "Ich gehe, und Seehofer wird mir bald folgen."

Weiß' Staatssekretärskollegin Katja Hessel von der FDP zeigt sich regelrecht bestürzt. "Ich bedauere das sehr", sagt sie. Aber: "Hut ab!"

© SZ vom 8.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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