Süddeutsche Zeitung

Unruhe bei Jägern:"Ich klebe nicht an meinem Amt"

Der Präsident des Jagdverbandes, Jürgen Vocke, schließt einen Rücktritt nicht mehr aus. Ihm werden Untreue und Unterschlagung vorgeworfen. Die Anschuldigungen bestreitet er zwar, jedoch wolle er Konsequenzen ziehen, falls ein Wirtschaftsprüfer "Versäumnisse" feststellt

Von Christian Sebald, Feldkirchen

Angesichts der heftigen Vorwürfe wegen seines Finanzgebarens schließt der bayerische Jägerpräsident Jürgen Vocke einen vorzeitigen Rückzug von seinem Ehrenamt offenbar nicht mehr aus. "Ich klebe nicht an meinem Amt", sagte der frühere CSU-Landtagsabgeordnete und Finanzrichter a. D., der seit 25 Jahren an der Spitze des bayerischen Jagdverbands (BJV) steht, der SZ. "Sollte sich herausstellen, dass es tatsächlich zu Versäumnissen gekommen ist, lege ich das Amt nieder." Zugleich wies Vocke die Vorwürfe abermals zurück. Es handle sich um "Unterstellungen und Vermutungen", an denen nichts dran sei. Er werde jetzt den Bericht des Wirtschaftsprüfers abwarten, den das BJV-Präsidium im Frühjahr mit der Prüfung der Verbandsfinanzen des Jahres 2018 beauftragt hat. Danach werde er sehen, sagte Vocke. Dem Vernehmen nach soll der Bericht spätestens bis Ende September fertig sein.

Unterdessen wurden weitere Details zu den Vorwürfen bekannt. Sie betreffen in aller erster Linie Vockes Bezüge und Abrechnungen. So überweist der Jagdverband seinem Präsidenten Vocke traditionell eine pauschale Aufwandsentschädigung für sein Ehrenamt - zuletzt belief sie sich auf knapp 5000 Euro im Monat und lag damit weit jenseits der üblichen steuerfreien Ehrenamtspauschale von 720 Euro pro Jahr. Laut Wirtschaftsprüfer gibt es denn auch zahlreiche Hinweise, dass diese Pauschale nicht als abgabenfreie Pauschale geführt werden darf, sondern ein steuer- und sozialabgabenpflichtiges Einkommen ist. Inzwischen behält der Jagdverband denn auch jeden Monat etwa 2000 der 5000 Euro ein - für den Fall, dass für die Aufwandsentschädigung des Präsidenten nachträglich Lohnsteuer und Sozialbeiträge abgeführt werden müssen.

Auch bei dem schweren Dienstwagen, den der Jägerpräsident auf Kosten seines Verbands fährt, ist laut Wirtschaftsprüfer zumindest offen, ob er Vocke als Vergütungsbestandteil angerechnet werden muss oder nicht - zumal es keine Vereinbarung über die Verwendung des Autos gibt. Zu dem Dienstwagen gibt es nach SZ-Informationen ein sehr pikantes Detail. Danach hat sich Vocke im September 2018 auf Kosten des Jagdverbands ein neues, fast 87 000 Euro teures Dienstauto bestellt. Der damals 75-Jährige hatte zu diesem Zeitpunkt aber bereits angekündigt, dass er das Präsidentenamt im Frühjahr 2020 abgeben werde. Vocke müsse deshalb klar gewesen sein, dass er den neuen Dienstwagen keine zwei Jahre lang nutzen könne, sagen Insider. Sie werfen dem Jägerpräsident zudem vor, das Verbandspräsidium erst so spät über die Bestellung informiert zu haben, dass man sie nicht mehr habe rückgängig machen können.

Auch bei vergleichsweise kleinen Beträgen soll es immer wieder Unregelmäßigkeiten gegeben haben. So soll Vocke Rechnungen für die Unterbringung seines Dackels in einer Hundepension ebenso beim Jagdverband geltend gemacht haben wie Auslagen für seine Lieblingskekse. All dies seien Kosten der privaten Lebensführung, sagen Insider, Vocke hätte sie auf keinen Fall dem Jagdverband in Rechnung stellen dürfen. Weitere Vorwürfe betreffen die Beschäftigung von Vockes Tochter beim Jagdverband und einer seiner Gesellschaften, aber auch die Abwicklung des Druckauftrags für die Verbandszeitschrift, der angeblich ein Volumen von 450 000 Euro im Jahr hat. In Summe wiegen die Vorwürfe so schwer, dass der Wirtschaftsprüfer die Gemeinnützigkeit des Jagdverbands in Gefahr sieht und das Präsidiumsmitglied Andreas Ruepp den Jägerpräsidenten wegen des Verdachts auf Untreue und Unterschlagung angezeigt hat.

An der Basis des Jagdverbands herrscht denn auch große Aufregung. Sie dürfte sich spätestens am 26. Oktober entladen. Für diesen Tag hat der Jagdverband eine außerordentliche Delegiertenversammlung angesetzt, auf der es ausschließlich um die Verbandsfinanzen des Jahres 2018 und damit um den Bericht des Wirtschaftsprüfers gehen wird. Insider rechnen damit, dass es auf dieser Versammlung zu Vockes Abwahl kommen könnte. Bislang gibt es freilich noch keine offizielle Einladung an die Delegierten zu dem Treffen, auch eine Tagesordnung fehlt noch. Vor allem aber ist unklar, ob und in welcher Form die Delegierten Anträge zu der Versammlung vorbringen können. Laut BJV-Satzung müssen solche Anträge nämlich mindestens zehn Wochen vor dem jeweiligen Treffen in der Verbandsgeschäftsstelle in Feldkirchen eingegangen sein. Diese Frist ist bereits verstrichen. Deshalb ist die Forderung im Umlauf, die Antragsfrist zu verkürzen. Wenn sie nicht erfüllt werde, sagen Insider, werde Vocke damit rechnen müssen, direkt in der Versammlung mit der Forderung nach seiner Abwahl konfrontiert zu werden.

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Quelle:
SZ vom 11.09.2019
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