Hochschulpolitik:Akademischer Antisemitismus

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Das propalästinensische Protestcamp vor der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität gilt weithin als Brennpunkt eines akademischen Antisemitismus. (Foto: Sven Hoppe/picture alliance/dpa)

Auch in Bayern gelten Universitäten und Hochschulen seit dem Angriff der Hamas auf Israel als Brennpunkte des Judenhasses. Die Staatsregierung reagiert mit einem Aktionsplan, doch wie viele Vorfälle registrieren Bayerns Unis tatsächlich?

Von Klaus Kloiber

Universitäten – Orte des Wissens, der Toleranz und der Aufklärung. Seit dem Angriff der Hamas auf Israel vor einem Jahr scheint dieses Ideal zu bröckeln. Nicht zuletzt wegen umstrittener Pro-Palästina-Camps wie in München oder Erlangen werden auch bayerische Universitäten oft als Brennpunkte antisemitischer Stimmungen wahrgenommen. Vor zwei Wochen hat Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) einen „Aktionsplan gegen Antisemitismus“ angekündigt. Unter anderem habe man „in Rekordzeit Beauftragte gegen Antisemitismus an allen 33 staatlichen Hochschulen in Bayern installiert“, sagte Blume.

Außerdem soll es den Universitäten mithilfe einer Novelle des Hochschulinnovationsgesetzes (HIG) leichter gemacht werden, Maßnahmen gegen akademische Antisemiten zu ergreifen, bis hin zur Exmatrikulation. Laut Blume ein dringend notwendiges Instrument, denn das Sicherheitsgefühl jüdischer Menschen habe sich dramatisch verschlechtert. „Viel Hass, viel Hetze und ganz viel offen zur Schau getragener Antisemitismus“ sei an Bayerns Hochschulen zu beobachten. Im Fokus steht auch da München mit dem Palästina-Camp an der Ludwig-Maximilians-Universität. Doch wie ist die Lage abseits der Landeshauptstadt?

Michael Weinzierl, Beauftragter der bayerischen Polizei gegen Hasskriminalität, sprach bei der Vorstellung des Aktionsplans von etwa zehn strafrechtlich relevanten Fällen in ganz Bayern, wobei die Frage sei, „was ins Hellfeld kommt, was uns erreicht“. Bayerns Verfassungsschutz führt darüber nach eigenen Angaben keine Statistik, habe aber vereinzelt „einschlägige Hinweise“ über antisemitische Vorfälle „an bzw. in unmittelbarer Nähe von Universitäten und Hochschulen in Bayern“ erhalten und geprüft. Die SZ hat deshalb bei bayerischen Hochschulen nachgefragt, welche Erfahrungen mit Judenhass sie in den vergangenen zwölf Monaten gemacht haben, wie sie damit umgehen und was sie von Blumes Vorstoß halten.

An der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) sind „vier Fälle aus dem Umfeld der Universität bekannt geworden“, Privatpersonen hätten dazu Anzeige erstattet, schreibt die Universität. „Schriftliche Formen der hetzerischen Verleumdung und Holocaustverharmlosung“ waren demnach die Gründe. Dazu habe es eine „mittlere zweistellige Zahl an E-Mails mit teils israelbezogenen antisemitischen Äußerungen“ und judenfeindliche Posts in sozialen Medien gegeben. Einmal mussten Schmierereien entfernt werden. Direkte verbale oder tätliche Übergriffe sind der Universität nicht bekannt.

Die Lage beschreibt die FAU insgesamt als „eher ruhig“, auch das Pro-Palästina-Camp in Universitätsnähe sei ohne Eskalation verlaufen. Trotzdem sprächen jüdische Mitarbeitende und Studierende von einem in Teilen beeinträchtigten Sicherheitsgefühl, heißt es. „Besonders belastend“ sei es für Jüdinnen und Juden an der FAU, in Kollektivhaftung für das Vorgehen der israelischen Regierung im Nahost-Konflikt genommen zu werden.

Unis registrieren nur wenige strafrechtlich relevante Vorfälle

Die Universität Regensburg meldete drei Vorfälle, wobei der Bezug zur Universität bei zwei Fällen nur vermutet wird. Daneben mussten „Kreidebeschriftungen in Form von Stichwörtern gegen Israel“ auf dem Campus entfernt werden. Inwieweit die Vorfälle strafrechtlich relevant seien, könne die Universität nicht einschätzen.

Keine strafrechtlich relevanten Vorfälle gab es an der Universität Passau, jedoch war sie in zwei Fällen mit dem Thema beschäftigt: Einer habe sich „knapp außerhalb des Universitätsgeländes“ ereignet und lag unterhalb der strafrechtlich relevanten Grenze, beim zweiten Fall äußerte sich ein uniexterner Teilnehmer in einem Gruppen-Chat für Studienanfänger antisemitisch. Dies habe man angezeigt. Keinerlei Vorfälle gab es in den vergangenen zwölf Monaten laut der jeweiligen Auskunft an der Universität Augsburg, sowie an den Technischen Hochschulen in Deggendorf und Rosenheim.

Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) hat einen "Aktionsplan" gegen Antisemitismus aufgelegt. (Foto: Sven Simon/imago)

Wie aber gehen die Hochschulen mit dem Thema Judenhass um? Unisono betonen alle angefragten Einrichtungen, sich klar gegen jede Art von Antisemitismus zu stellen. In den Maßnahmen unterscheiden sie sich durchaus.

Die FAU hat bereits 2021 einen Antisemitismusbeauftragten ernannt. Dieser sei eine Vertrauensperson und sorge dafür, „dass auch Verdachtsmomenten nachgegangen wird“. Gleichzeitig betont die FAU die Möglichkeit aller Lehrenden, „bei Verstößen von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen“. Zusätzlich möchte man das Thema „wissenschaftlich begleiten“ und veranstaltet unter anderem eine Ringvorlesung zum Thema Antisemitismus.

Die Universität Regensburg möchte vor allem das Geschichtsbewusstsein in der Gesellschaft stärken. Beispiel dafür sei das „Zentrum Erinnerungskultur“, das in Zusammenarbeit mit der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg geführt wird und den „wissenschaftlich-gesellschaftlichen Dialog“ fördern soll. Außerdem pflege die Universität enge Beziehungen zu israelischen Gemeinden und Hochschulen wie der Universität Haifa, habe eine Antisemitismusbeauftragte ernannt und biete Sensibilisierungs-Workshops an.

In Passau beobachtet die Universitätsleitung nach eigenen Angaben „die Entwicklungen mit kritischer Aufmerksamkeit“. Neben der Ernennung eines Beauftragten gegen Judenhass im Juli arbeite man mit anderen Universitäten, Verwaltungsbehörden und der Justiz zusammen. Eine entsprechende Position hat man auch in Augsburg geschaffen. Sollte es einmal zu Vorfällen kommen, möchte man „alle Rechtsmöglichkeiten ausschöpfen“.

Die angefragten Technischen Hochschulen scheinen bislang auf Antisemitismusbeauftragte zu verzichten. In Rosenheim ist allgemein von einer „Ansprechperson für Antidiskriminierung“ die Rede, die „das Thema weiter beobachten und bei Bedarf zielgerichtete Maßnahmen in die Wege leiten“ soll. Als aktuell „nicht notwendig“ betrachtet Deggendorf die Ernennung eines solchen Beauftragten, da man sich „zu jeder Zeit gegen Diskriminierungen jeglicher Art“ verwehre und bereits entsprechende Ansprechpartner habe. Trotz der „heterogenen Gemengelage“, bei der fast die Hälfte die Studierenden aus dem Ausland kommt, „funktioniert das Miteinander ausgezeichnet“, schreibt die Hochschule. Die Novelle des HIG erachtet sie für sich selbst deshalb als nicht notwendig, betont aber: „An Hochschulen und Universitäten mit geisteswissenschaftlicher Ausrichtung mag dies jedoch durchaus sinnvoll sein.“ In Regensburg nimmt man die Vorhaben Blumes neutral „zur Kenntnis“.

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