Universität in Tschechien:Ein Studium, um die Bayern zu verstehen

Bayerisch-Tschechische Grenze bei Furth im Wald, 2015

Wie bunte Wachtposten markieren diese Steine in der Nähe von Furth im Wald in der Oberpfalz die Grenze zwischen Bayern und Tschechien.

(Foto: Sebastian Beck)

Die Universität Pilsen bietet den weltweit ersten Master-Studiengang an, der sich ganz dem benachbarten Freistaat Bayern widmet.

Von Hans Kratzer, Pilsen

Bayern sei die Vorstufe zum Paradies, tönen Politiker gerne in ihren Sonntagsreden. So betrachtet, ist eine Steigerung der Attraktivität dieses Landes kaum noch möglich. Trotzdem wird der Freistaat demnächst eine weitere Aufwertung erfahren, zumindest im Reich der Wissenschaften.

Die Westböhmische Universität Pilsen in Tschechien eröffnet nämlich zum Wintersemester 2019/20 den weltweit ersten Master-Studiengang, der sich ausschließlich dem Bundesland Bayern widmet, und zwar in seinen politisch-wirtschaftlichen, historisch-kulturellen und sprachlichen Bezügen. Das Ziel der "Bayern-Studien" ist es, die Absolventen fachlich, sprachlich und interkulturell auf eine berufliche Tätigkeit im Bereich Wirtschaft, Tourismus und Kultur vorzubereiten.

Dass dieser Studiengang in Tschechien angeboten wird und nicht im Freistaat selber, kommt nicht überraschend. Die bayerischen Universitäten haben sich in den vergangenen Jahrzehnten eifrig bemüht, relevante Wissenschaftsinhalte mit bayerischem Bezug möglichst zu eliminieren. In München wurden etwa der Lehrstuhl für Bayerische Literaturgeschichte, der Lehrstuhl für Bayerische Rechtsgeschichte und die Dialektologie in der germanistischen Fakultät gestrichen. Landesweit gerieten Lehrstühle für Landes- und Kulturgeschichte unter die Räder oder sie wurden einfach umgewidmet.

Das vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung geförderte Projekt in Pilsen erfährt allerdings auch Unterstützung aus Bayern. In der fünfjährigen Aufbauphase wirkte als Partner der Pilsener Universität vor allem das von Hermann Scheuringer geleitete "Forschungszentrum Deutsch in Mittel-, Ost- und Südosteuropa" an der Universität Regensburg mit. Auch der Regensburger Dialektologe Ludwig Zehetner begleitete den Aufbau des Studiengangs. Zum 30. Jahrestag des Falls des "Eisernen Vorhangs" wird der Masterstudiengang an der Universität Pilsen am 26. Juni offiziell eröffnet.

"Mit Blick auf den Zweiten Weltkrieg, der das Verhältnis zwischen Deutschen und Tschechen jahrzehntelang, auch über das Wendejahr 1989 hinaus, belastet hat, setzt die Einrichtung von Bayern-Studien an einer tschechischen Hochschule ein vielsagendes Zeichen - fast möchte man sagen, die Nachkriegszeit geht in Tschechien damit endgültig zu Ende", sagt Boris Blahak, einer der Initiatoren des Studiengangs, der das Konzept gemeinsam mit den Pilsner und Regensburger Partnern entwickelt hat.

"Interdisziplinäre Bayernstudien" lautet der Name des Studiengangs, der es Bachelor-Absolventen ermöglicht, ein weiterführendes Studium mit Master-Abschluss zu durchlaufen. Das Angebot richtet sich vor allem an nicht-bayerische Bewerber, die sich beruflich im Freistaat bewegen oder mit Partnern aus Bayern zusammenarbeiten möchten.

Das Studium beinhaltet Module zur Geschichte, Politologie, Kulturwissenschaft, Archäologie, Wirtschafts- und Rechtswissenschaft mit bayerisch-tschechischem Akzent. Ein zweiter Fokus liegt auf der Vermittlung sprachlicher Fertigkeiten in Standarddeutsch und Dialekt, die zum Abbau der Sprachbarriere beitragen sollen. "Bairisch verstehen, auf Hochdeutsch reagieren, fachsprachlich agieren", bringt Boris Blahak das Lernziel des Sprachmoduls auf eine knappe Formel.

Überdies wird eine vertiefte Zusammenarbeit mit der lokalen Wirtschaft angestrebt. Ein Studiensemester an einer bayerischen Hochschule, Praktika in bayerischen Firmen und Institutionen, Begegnungsseminare und Exkursionen ergänzen die akademische Ausbildung.

"Bisher haben sich 30 Studierende zur Aufnahmeprüfung angemeldet", sagt Andrea Königsmarková, die Leiterin des Pilsner Lehrstuhls für Germanistik und Slawistik. Angesichts der kurzen Ausschreibefrist spricht sie von einer "beachtlichen Anzahl, die zeigt, dass das Konzept einen Bedarf trifft." Für die zweite Anmeldephase im September erwartet sie weitere Bewerber.

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