Universität Eichstätt:Katholisches Chaos

Katholische Universität Eichstätt

Personal-Chaos an der einzigen katholischen Universität im deutschsprachigen Raum.

(Foto: dpa)

Die Uni Eichstätt sucht den sechsten Präsidenten in sechs Jahren. Aber das ist nicht das einzige Problem: Fakultäten sollen umstrukturiert werden, die Kirche hat Geld gestrichen - und die Staatsregierung hält sich vornehm zurück.

Von Martina Scherf

Die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) sucht einen Präsidenten, zum sechsten Mal seit 2008. Der überraschende Rücktritt des Theologen Richard Schenk zum 31. März hat einer im deutschen Hochschulwesen einmaligen Krisenserie ein weiteres Kapitel hinzugefügt. Nun läuft die Ausschreibung für das Amt, und alle in Eichstätt hoffen, schnell einen Nachfolger zu finden.

Denn für die Hochschule geht es um viel: Ein neuer Entwicklungsplan wurde unter Schenk verabschiedet, der der Uni das lange vermisste Profil verleihen sollte. Gelänge es jetzt nicht, einen führungsstarken und von allen Seiten akzeptierten Chef zu finden, "müssen wir ernsthaft um diese Universität fürchten", sagt nicht nur Wilhelm Genosko, stellvertretender Vorsitzender des Hochschulrates.

SPD und Grüne im Landtag forderten indes Wissenschaftsminister Ludwig Spaenle (CSU) auf, einen Bericht über die kritische Personalsituation an der Hochschule vorzulegen. Die KU - sie umfasst sechs wissenschaftliche und zwei Fachhochschul-Fakultäten - ist die einzige katholische Universität im deutschen Sprachraum. Gut drei Viertel der Kosten trägt der Freistaat, dennoch haben der Landtag und damit die Steuerzahler keinerlei Einfluss auf die Strukturen. Allerdings will die Staatsregierung auch gar nicht mehr Einfluss. Sie zieht sich auf das 1924 geschlossene Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl in Rom und dem Freistaat Bayern zurück, wonach die kirchlichen Bildungsstätten autonom sind, auch wenn der Staat zahlt. Einem Konflikt mit der Kirche geht das Wissenschaftsministerium aus dem Weg. Auf Antrag der Opposition wird aber am Mittwoch ein Kirchenvertreter im Landtag gehört.

Freistaat sollte mehr Einfluss haben

Verena Osgyan von den Grünen findet angesichts des "personalpolitischen Desasters" in Eichstätt: "Da der Freistaat Bayern zu 80 Prozent an der Finanzierung der Einrichtung beteiligt ist, ist der privilegierte Einfluss der Kirche auf Personalentscheidungen nicht nachvollziehbar." Die Kirche sei dem Angebot des Landtags zu einer intensiveren Zusammenarbeit bislang nicht nachgekommen. "Dieses sprichwörtliche Kirchturmdenken bringt eine ehemals renommierte Einrichtung in Verruf" - eine Einschätzung, die man auch auf dem Campus immer wieder hört.

Die Frage, "was das Katholische an dieser katholischen Universität sein soll", sei bis heute nicht geklärt, sagen mehrere Professoren. "Der Sinn dieser Einrichtung muss deutlicher werden", bestätigt auch Rolf Schönberger, Philosophieprofessor an der Uni Regensburg und Mitglied des Eichstätter Hochschulrates. Denn auch wissenschaftlich fällt die KU nicht auf und ist noch immer nicht Mitglied in der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Dadurch fehlt Fördergeld. "Universitäten stehen heute aber unter einem viel höheren Legitimationsdruck als früher", sagt Schönberger. Deshalb herrscht Unverständnis unter den Eichstätter Professoren, dass die Kirche auch noch ihre Forschungszuschüsse gekürzt hat.

Kritik an Personaldebatten

Isabell Zacharias, Hochschulexpertin der SPD-Landtagsfraktion, kritisiert, die Personaldebatten verzögerten dringend notwendige Reformen. Erst vor kurzem hatten die Gremien der Uni nach heftigem Streit den Entwicklungsplan verabschiedet, der eine Zusammenlegung von Fakultäten, mehr interdisziplinäre Angebote und einen Fokus auf Ethik und Humanismus vorsieht, also eine Profilierung, wie sie einer katholischen Universität gut zu Gesicht steht, während staatliche Hochschulen sich zunehmend marktkonform verhalten. Doch ohne Führung liegen jetzt alle Pläne auf Eis. Denn auch einer der beiden Vizepräsidenten war wegen interner Zerwürfnisse zurückgetreten, die Amtszeit des anderen endet im Sommer. Bleibt nur noch der Kanzler auf der Brücke eines havarierten Schiffs. "Eine schauderhafte Situation", stellt ein Professor fest.

Unter den Studenten macht sich Enttäuschung breit, dass ihre Uni seit Jahren Negativ-Schlagzeilen macht. "Der Entwicklungsplan hat so viel Zeit und Energie gekostet", sagt Studierendenvertreter Philipp Abel, der in Senat und Hochschulrat an den Beratungen beteiligt war, "wer weiß, was unter einer neuen Führung umgesetzt wird." Bis zum 4. Juli soll die Personalfrage entschieden sein. Die Bewerbungsfrist endet am 10. Mai, zwei Tage später ist Hochschulratssitzung. Laut Grundordnung können auch Personen vorgeschlagen werden, die sich nicht selbst beworben haben. "Wir hoffen, dass die Kirche uns nicht wieder jemanden per Dekret an die Spitze setzt", sagt ein Professor. Denn auch dies ging schon einmal schief.

Großkanzler der Uni ist der Papstberater, Erzbischof von München und Freising und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx. Er hatte das Amt 2010 übernommen, um sich mehr um die KU zu kümmern. Bei der Vielzahl seiner Ämter sicher kein leichtes Unterfangen. An der Uni wird kritisiert, dass der kirchliche Stiftungsrat zwar aufs Geld schaut, aber nicht erkennen lässt, in welche Richtung er das schlingernde Schiff lenken will.

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