Universität Augsburg:Heftiger Streit unter Friedensforschern

Christoph Weller, 2009

Professor Christoph Weller weiß noch nicht, wie er sich in den neuen Studiengang einbringen kann.

(Foto: Stefan Puchner)
  • An der Universität Augsburg soll der einzigartige Studiengang "Friedens- und Konfliktforschung" umgebaut werden.
  • Der Lehrstuhlinhaber ist darüber alles andere als erfreut, das Alleinstellungsmerkmal sei nun kaputt.
  • Andere sehen in der Änderung eine Stärkung für die Hochschule.

Von Stefan Mayr, Augsburg

Als Christoph Weller im Jahr 2009 an der Universität Augsburg den "Lehrstuhl für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Friedens- und Konfliktforschung" übernahm, hatte er sich viel vorgenommen. Er wollte die schwäbische Bezirkshauptstadt bundesweit als Standort der Friedensforschung etablieren und ihr Profil als "Friedensstadt" schärfen.

Auch der damalige Uni-Vizepräsident Alois Loidl war stolz über den neuen Master-Studiengang "Sozialwissenschaftliche Konfliktforschung" und bezeichnete ihn als "attraktives Alleinstellungsmerkmal". Den neuen Professor lobte er als "Traumergebnis unserer jahrelangen Bemühungen, an der Universität der Friedensstadt Augsburg die Friedens- und Konfliktforschung mit höchstem wissenschaftlichen Anspruch zu etablieren". Heute, sieben Jahre später, ist der Elan tiefem Frust gewichen.

"Da wurde viel Porzellan zerschlagen", sagt Professor Weller, "natürlich bin ich enttäuscht." Der Grund des Ärgers: Wellers Studiengang wird mit einem anderen zusammengelegt und umbenannt. Der neue Name lautet: "Sozialwissenschaft: Konflikte in Politik und Gesellschaft".

So haben es sechs Professoren des Instituts für Sozialwissenschaften trotz Wellers erheblichen Widerstands beschlossen. "Ich finde es sehr schade, dass solch ein Erfolgsmodell - sowohl hinsichtlich der Nachfrage als auch der sehr guten Chancen unserer Absolventen auf dem Arbeitsmarkt - so zu Ende gehen muss", sagt Weller.

Seit 2009 hat er 70 meist weibliche Friedensforscher ausgebildet. In den kommenden Jahren werden noch 100 weitere den Master-Abschluss machen, die ihr Studium bereits begonnen haben. Was danach kommt? "Ich bezweifle, ob jetzt noch viele interessante Studierende nach Augsburg kommen werden", sagt Weller. Die Studenten seien gekommen, weil man nur hier "Konfliktforschung" studieren konnte. "Dieses Alleinstellungsmerkmal ist jetzt kaputt."

Der Streit um den Lehrstuhl entzündet sich an dem bedeutungsschwangeren Wort "Frieden", das in Augsburg besonders aufgeladen ist. Anno 1555 wurde der Augsburger Religionsfrieden geschlossen. Seit 1985 verleiht die Stadt alle drei Jahre ihren Friedenspreis, am 8. August zelebrieren die Augsburger ihr "Hohes Friedensfest" - einen bundesweit exklusiven Feiertag. Die Stadt leistet sich ein eigenes "Friedensbüro" mit zwei Vollzeitstellen. Die Leiterin dieses Büros, Christiane Lembert-Dobler, bedauert den Umbau der Studiengänge ebenfalls.

"Das war ein schönes Aushängeschild für die Stadt, durch den neuen Namen verliert der Studiengang seine Signalwirkung", sagt sie. Wie es inhaltlich weitergehe, bleibe abzuwarten. Als Lehrbeauftragte an der Uni Augsburg hatte die Ethnologin und Migrationsforscherin immer wieder Studenten des Studiengangs Konflikt- und Friedensforschung in ihren Seminaren sitzen. "Ich war von ihnen begeistert", sagt Lembert-Dobler, "sie sind sehr gut vorbereitet."

Die Inhalte sind unklar

Ob derart motivierte Studenten auch künftig nach Augsburg kommen werden? Im Gegensatz zu Christoph Weller antwortet Bernhard Hofmann, der Dekan der Philosophisch-Sozialwissenschaftlichen Fakultät, auf diese Frage mit einem klaren Ja. "Die Konfliktforschung war, ist und bleibt Schwerpunkt dieser Fakultät", betont er. Hofmann spricht von einer "Weiterentwicklung, Stärkung und einem Ausbau dieses Feldes."

Erstens werde das Thema "Konflikte" künftig in seiner ganzen Breite politikwissenschaftlich und soziologisch erfasst, zweitens werde die Zahl der Studienplätze voraussichtlich von 30 auf 60 verdoppelt. Auch die Friedensstadt Augsburg bleibe "in besonderer Weise im Blick". Der neue Studiengang stehe auf einer viel breiteren Basis als bisher. Verantwortlich sei das gesamte Institut für Sozialwissenschaft, an dem sieben Professoren, 39 Mitarbeiter und 16 Lehrbeauftragte tätig sind.

Dass es im Vorfeld der Umbau-Entscheidung Konflikte gegeben hat, streitet Hofmann nicht ab. Nähere Angaben hierzu macht er aber nicht. Professor Weller fühlt sich allein gelassen: "Ich bin im Institut für Sozialwissenschaften hinsichtlich der Konzeption des bisherigen Masterstudiengangs allein auf weiter Strecke." Er bleibt Inhaber seines Lehrstuhls, weiß aber noch nicht, wie er sich im neuen Studiengang einbringen wird: "Mein inhaltlicher Beitrag ist noch offen, weil die Neuausrichtung des Studiengangs explizit damit begründet wird, dass Friedens- und Konfliktforschung die falsche Ausrichtung sei."

Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) wollte sich am Dienstag zu dem neuen Konzept nicht äußern. Uni-Präsidentin Sabine Doering-Manteuffel war nicht zu erreichen, sie ist auf Dienstreise in den USA. Ein Beobachter, der nicht genannt werden will, fasst den Streit so zusammen: "Auch Konfliktforscher sind Menschen."

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