Ungleiche Ausgaben:Legende vom bayerischen Bildungsland

Bildungsland Bayern Infografik

Bildungsland Bayern? Die Bildungsausgaben im nationalen und internationalen Vergleich.

(Foto: SZ-Grafik)

Zur Rettung der schwarz-gelben Koalition pumpt Bayern Millionen in Kitas, Schulen und Universitäten - doch ein Vergleich zeigt: Mit seinen Investitionen ist der Freistaat bundesweit nur Mittelmaß. Eine Altersgruppe trifft es besonders hart.

Von Martina Scherf

Bayern, das Bildungsland? Ein Blick auf die Statistik genügt, um diese Legende zu widerlegen: Das reichste Bundesland liegt bei den Bildungsausgaben deutschlandweit nur im oberen Mittelfeld. Der Nachbar Baden-Württemberg, Thüringen und Sachsen-Anhalt, sogar das arme Mecklenburg-Vorpommern geben für Schulen und Hochschulen, gemessen an der Zahl der dort Lernenden, zum Teil mehr aus. Und im internationalen Vergleich rangiert die Bundesrepublik - das monieren Bildungsforscher seit Jahren - ebenfalls nur im Mittelfeld. Es ist also noch Luft nach oben, was die Investitionen in den Nachwuchs angeht.

Rund 6100 Euro hat der Freistaat im Jahr 2009 für jeden seiner Studenten laut dem aktuellen Bildungsfinanzbericht ausgegeben. Das Zahlenwerk wird jedes Jahr vom Statistischen Bundesamt im Auftrag der Bundesregierung erhoben. Neuere Zahlen sind noch nicht ausgewertet, doch haben alle Länder ihre Ausgaben seit 2009 leicht gesteigert.

Das bedeutet für Bayern: Platz sechs im nationalen Ranking. Dem Land Niedersachsen waren im selben Jahr Forschung und Lehre an seinen Hochschulen 8100 Euro pro Student wert. Bei den Schulen sieht es ähnlich aus: Bayern hat pro Schüler 5800 Euro ausgegeben, Sachsen 6100, Thüringen 7000 Euro.

Sparen bei den Kleinen

Für die Kindertagesstätten gibt es keinen Ländervergleich, weil die Teilnahme an der statistischen Erhebung freiwillig ist und in manchen Regionen fast nur private Einrichtungen existieren, sagt Heinz-Werner Hetmeier von Statistischen Bundesamt. Im internationalen Vergleich aber lässt sich feststellen: Deutschland (und Bayern) gibt für seine Hochschulen relativ viel Geld aus, für den Vorschul- und Grundschulbereich aber verhältnismäßig wenig.

"Dabei kommen pädagogische Studien immer wieder zum gleichen Ergebnis: dass die Förderung des frühkindlichen Bereichs für den Verlauf der Bildungskarrieren entscheidend ist. Sonst kommen die Kinder später erst gar nicht in den Hochschulen an", sagt Ludger Wößmann, Volkswirt an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Der Bildungsökonom leitet am Münchner Ifo-Institut den Bereich "Humankapital und Innovation".

Der frühkindliche Bereich (bis drei Jahre) ist aber auch der teuerste, weil personalintensivste: 9100 Euro kostet er im Schnitt pro Kind. Während Deutschland mit seinen Ausgaben für die Hochschulen leicht über dem OECD-Durchschnitt liegt, bestand im frühkindlichen Bereich noch erheblicher Nachholbedarf. Doch der Rückstand habe sich in den vergangenen Jahren verringert, sagt Wößmann.

Überhaupt ist der Stellenwert von Bildung nach seinen Worten gewachsen: "Kluge Köpfe sind der einzige Rohstoff, den wir haben. Bildung ist die zentrale Basis für einen langfristigen Wohlstand in unserem Land." Das hat auch die Politik erkannt: Die öffentlichen Bildungsausgaben sind vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2012 um rund ein Drittel gestiegen, bei rückläufigen Geburten- und Schülerzahlen. Wößmann kann überzeugend darlegen, warum sich Investition in Bildung lohnt. Sechseinhalb Billionen Euro an wirtschaftlichem Profit hätte Deutschland langfristig von Reformen, die die Nation in die Nähe der europäischen Pisa-Spitzenreiter brächten.

Gelänge es, die Zahl der Menschen ohne Ausbildungsabschluss zu halbieren, würde der Staat 1,5 Milliarden Euro pro Altersjahrgang mehr an Lohnsteuern und Beiträgen zur Sozialversicherung einnehmen und Sozialausgaben sparen. Mit mehr Kitas können mehr Eltern arbeiten und damit zum Bruttosozialprodukt beitragen. Sogar die Kriminalität würde sinken: Halb so viele Schulabgänger ohne Abschluss bedeutet: weniger Morde, weniger Raubüberfälle, weniger Diebstahl.

Wichtig ist, wie investiert wird

Nun lassen sich Statistiken so oder so interpretieren, auch spielen bei den Bildungskosten viele Faktoren eine Rolle: Kinderfreibeträge, Bafög-Ausgaben, Förderungen durch die Arbeitsagentur und vieles mehr. Solche Förderinstrumente sind im Bildungsfinanzbericht berücksichtigt. Wenn es um Bildungsausgaben geht, beginnt aber meist sofort ein Streit zwischen den politischen Lagern.

Kritiker könnten durchaus einwenden: Bayern finanziert durch den Länderfinanzausgleich Berliner Schulen mit. Die Bundeshauptstadt gibt 600 Euro mehr pro Schüler aus, das dritte Kindergartenjahr ist dort schon lange kostenlos. Doch auch finanzkräftige Länder geben ebenso viel oder mehr Geld für Bildung aus: Baden-Württemberg etwa, das 2009 bei der Erhebung des Bildungsfinanzberichts noch schwarz regiert war. Oder Sachsen, das sich ebenso wie Bayern eines ausgeglichenen Haushalts rühmt.

Doch entscheidend sind aber nicht die bloßen Summen, die in Kindergärten, Schulen und Hochschulen gesteckt werden. "Wichtiger ist das Wie", sagt Wößmann. Der internationale Vergleich zeigt: Diejenigen, die bei Tests am besten abschneiden, zum Beispiel Südkorea, Finnland, Neuseeland oder die Niederlande, geben nicht immer auch am meisten Geld für Bildung aus. "Es braucht die richtigen Rahmenbedingungen, die sicherstellen, dass Kinder und Jugendliche etwas lernen. Hier lässt sich durchaus eine Lanze für Bayern brechen."

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