Ungeziefer:Kampf den Kakerlaken

Kakerlaken

Maresa Kiermeier fängt das Ungeziefer in Fallen aller Art. Nachts tauchen die Schaben sogar zu Hunderten auf. Beschwerden bei der benachbarten Firma und dem Landratsamt haben bisher nichts gebracht.

(Foto: Armin Weigel)
  • Im 600-Einwohner-Örtchen Sulzbach in Niederbayern gibt es eine Plage: Küchenschaben.
  • Die Bewohner vermuten entweder eine Tierfutterfabrik oder einen Schweinestall als Herkunftsort der Kakerlaken.
  • Doch weder die Verantwortlichen noch die Politiker wollen sich des Problems annehmen.

Von Andreas Glas

Wenn es Nacht wird in Sulzbach, dann fängt es an zu krabbeln. In den schlimmsten Zeiten, "sind uns hier schon die Kakerlaken entgegengekommen", sagt Maresa Kiermeier. Sie steht in der Einfahrt zu ihrem Grundstück und deutet hinüber zur Tierfutterfabrik. Sie geht die Straße hoch, vorbei an einem Schweinestall, und bückt sich über einen Kanaldeckel. "Wie die Trauben hängen die da drin", sagt Kiermeier, in einer Nacht habe sie "bis zu tausend Kakerlaken" gezählt. Seit sechs Jahren sei sie pausenlos damit beschäftigt, die Viecher zu vertreiben, die auf ihr Grundstück spazieren, in ihren Garten, in ihre Garage, in ihre Küche. Sie fühle sich langsam "verarscht", sagt Kiermeier.

Eine Kakerlakenplage, mitten in einem 600-Einwohner-Örtchen. Alles wegen der Tierfutterfabrik und wegen des Schweinestalls - und keiner unternimmt was dagegen. Das ist Maresa Kiermeiers Version. Die Version des Passauer Landratsamt ist eine andere. Man habe die Fabrik und den Stall überprüft, aber keine Kakerlaken entdeckt, teilt die Behörde mit. Man vermute deshalb, dass die Ursache für die Insektenplage "direkt am Ort des Auftretens zu suchen" sei. Mit anderen Worten: Vielleicht ist Maresa Kiermeier ja selbst schuld, dass sich die Kakerlaken auf ihrem Grundstück so wohl fühlen.

"Da müssten ja Bonbons am Boden kleben und faulige Salatblätter", sagt Kiermeier. Sie sitzt jetzt in ihrer Stube, im Herrgottswinkel hängen die Heiligenbilder akkurat nebeneinander, alles sehr ordentlich hier drin. Sie packt die Gutachten auf den Tisch, in denen ein Kammerjäger bestätigt, dass die Ursache der Plage außerhalb ihres Grundstückes liege. Dann klappt sie ihr Laptop auf und zeigt Fotos, die sie nachts auf dem Gelände der Futterfabrik und drüben beim Schweinestall gemacht habe. Überall Kakerlaken, dicht an dicht, in den Mauerritzen, an der Stalltür.

Die Fotos habe sie dem Landrat gezeigt, sagt Kiermeier, und auch dem Richter, als sie vor ein paar Monaten die Tierfutterfabrik verklagte. Tausend Fotos als Beweismittel, aber die "wurden überhaupt nicht gewürdigt".

Und was sagt der Futterfabrikant? "Die Authentizität dieser Fotos ist nicht nachprüfbar", die Aussagekraft "gleich Null", teilt der Anwalt der Firma auf Nachfrage mit - und verweist auf das Urteil des Passauer Amtsgerichts vom 31. März 2017. Darin heißt es: Der Veterinär des Landratsamts habe die Fabrik "viele Jahre hinweg jährlich einmal" geprüft und "zu keinem Zeitpunkt konnte ein Küchenschabenbefall (...) festgestellt werden" - auch nicht bei einem vom Gericht angeordneten Ortstermin. Klage abgewiesen, klare Aussage. Damit dürfte alles geklärt sein, oder?

Eine Abgeordnete der Grünen hat sich der Sache angenommen

Nein, sagt die niederbayerische Landtagsabgeordnete Rosi Steinberger (Grüne), die neulich eine nächtliche Taschenlampen-Expedition gemacht hat, um sich von der Kakerlakenplage zu überzeugen. "Ich habe nicht lange gebraucht, um hundert Stück zu sehen", sagt Steinberger. Sie ist erstaunt, dass das Landratsamt bei seinen Kontrollen keine Kakerlaken gesehen haben will. "Ich habe den Eindruck, dass bisher nur halbherzig gehandelt wurde", sagt Steinberger, die Landrat Franz Meyer (CSU) nun eine Zwölf-Fragen-Liste geschickt und die Kakerlaken zum Politikum gemacht hat. Sie will unter anderem wissen, warum die Behörde die Kontrollen in der Futterfabrik und im Schweinestall nur tagsüber durchgeführt hat - wo Kakerlaken doch nachtaktiv sind und erst bei Dunkelheit aus den Ritzen kriechen.

Gute Frage: Warum schickte das Landratsamt seine Kontrolleure nicht in der Nacht nach Sulzbach? Auf die Nachfrage geht die Behörde nicht ein. Und die vielen Fotos, die Maresa Kiermeier gemacht hat? Die seien "nicht maßgeblich". Für interessanter hält das Landratsamt, dass außer Kiermeier "keine weiteren Personen über einen Kakerlakenbefall klagen". So steht es jedenfalls in einer Mitteilung der Behörde.

Stimmt nicht, sagt Kiermeier, auch bei ihrem Nachbarn sei der Kammerjäger gewesen, in Sulzbach gebe es mehrere Leute, die betroffen seien. Nur traue sich von denen keiner, sich zu beschweren. Kein Wunder, "wenn man weiß, wie das Landratsamt mit den Leuten umgeht", findet die Grünen-Abgeordnete Steinberger. Sie habe das bei ähnlichen Fällen immer wieder erlebt: "Der einzelne Anwohner hat richtige Schwierigkeiten, sein Recht durchzusetzen, weil der Unternehmer bei den Behörden oft wichtiger gewertet wird." Viele wüssten das und würden sich gar nicht erst beschweren, sagt Steinberger.

Kiermeier kämpft weiter mit den Behörden

Auch Maresa Kiermeier fühlt sich von den Behörden nicht ernst genommen. "Ich bin keine gelangweilte Hausfrau", die sich nur wichtig machen wolle. Also kämpft sie weiter hartnäckig mit den Behörden - und mit den Kakerlaken sowieso. Überall im Haus liegen Insektenfallen, Türen und Fenster sind mit Netzen abgedichtet und mit Klebestreifen, auf denen die Ungeziefer pappen bleiben, wenn sie ins Haus spazieren. Kiermeier geht es auch um ihre Gesundheit und um die ihres Lebensgefährten. Denn Kakerlaken können Krankheiten übertragen und Allergien auslösen. Ihr Lebensgefährte hatte in den vergangenen Jahren immer wieder Infektionen in den Füßen. Das könne mit den Kakerlaken zu tun haben, sagt Kiermeier, "aber wie soll man das beweisen".

Immerhin: Auf SZ-Nachfrage kündigt das Landratsamt an, "in den nächsten zwei Monaten nochmals verstärkt das Umfeld und auch den Ort des Befalls selbst" zu prüfen. Bis dahin wird Maresa Kiermeier weiter jede einzelne Kakerlake zählen, die sie auf ihrem Grundstück findet. Zwei Kartoffelsäcke hat sie allein in den Jahren 2015 und 2016 mit toten Kakerlaken vollgemacht, um die Plage zu dokumentieren. Die beiden Säcke hat sie an die Holzwand in der Garage genagelt, daneben hängt ein dritter Kartoffelsack für das laufende Jahr, er ist noch relativ leer. "Die Kakerlaken-Saison", sagt Kiermeier, "geht ja jetzt erst wieder richtig los".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: