Unfallstatistik:Mehr Tote auf Bayerns Straßen

Besonders gefährdet sind Autofahrer auf Landstraßen, und der häufigste Unfallgrund ist überhöhte Geschwindigkeit, bilanziert Minister Joachim Herrmann

Von Lisa Schnell

Verkehrsminister Joachim Herrmann musste seine Pressekonferenz auf den Nachmittag verschieben. Zuvor war er auf der Beerdigung eines 34-Jährigen, der bei einem Autounfall auf nasser Fahrbahn zu Tode gekommen sei, erzählte der Minister. Ein Anlass, der auf traurige Weise zu der Verkehrsstatistik 2016 passt, die Herrmann am Montag vorstellte.

616 Menschen starben 2016 bei Verkehrsunfällen auf Bayerns Straßen, zwei mehr als 2015. Darunter waren 15 Kinder, fünf Mitfahrer und zehn Fußgänger. Auch die Zahl der Unfälle und Verletzten ist gestiegen. 2016 gab es 71 763 Verletzte, etwa 600 mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Unfälle stieg um 1,8 Prozent auf 398 100. Dies liege auch daran, dass mehr Menschen in Bayern lebten und die Zahl der zugelassenen Fahrzeuge um 1,9 Prozent gestiegen sei, sagte Herrmann. In 577 Fällen endete ein Unfall mit dem Tod mindestens eines Menschen, das sind 1,9 Prozent weniger als 2015 und ein neuer Tiefstand. Viel häufiger waren Schäden an Auto oder Fahrrad. Dass trotzdem mehr Menschen starben als 2015, liege an einigen außergewöhnlich schweren Unfällen, sagte Herrmann.

Vor allem auf Landstraßen endeten Unfälle tödlich. Innerhalb von Städten stieg die Anzahl von Zusammenstößen um 2,3 Prozent, auf der Autobahn sogar um sieben Prozent. Insgesamt lasse sich ein Gesamttrend ablesen, wonach die Zahl der Verkehrstoten in Autos steige, die aller anderen Verkehrsteilnehmer aber sinke, sagte Herrmann. 306 Menschen kamen 2016 in ihrem Auto um und damit 13 Prozent mehr als 2015. Die Zahl der getöteten Radfahrer sank dagegen um 16 Prozent auf 68. Und das, obwohl so viele Radfahrer unterwegs waren wie sonst nie, sagte Herrmann.

Zwar erhöhte sich die Zahl der Schulwegunfälle auf fast sieben Prozent, allerdings kam kein Kind auf dem Weg zur Schule zu Tode, auch eine Leistung der etwa 30 000 Schulweghelfer in Bayern, so Herrmann.

Wenn ein Mensch sein Leben im Straßenverkehr verliert, dann meistens weil jemand zu schnell gefahren ist. Rund ein Drittel der tödlichen Unfälle gehe auf überhöhtes Tempo zurück und damit "deutlich mehr als im Vorjahr", sagte Herrmann. 2015 starben aus diesem Grund 177 Personen, 2016 waren es 215, ein Anstieg von rund 22 Prozent. Trotz verstärkter Kontrollen gab es neun Prozent mehr Raserunfälle. Wegen Alkohol am Steuer starben 2016 mit 58 Menschen rund 18 Prozent mehr als im Vorjahr. Durch das Missachten der Vorfahrt kamen 74 Menschen ums Leben. Fast jeder fünfte tödlich Verunglückte sei nicht angeschnallt gewesen, so Herrmann. "Dieser Leichtsinn" habe 60 Menschen den Tod gebracht, die angegurtet noch leben würden. Tödliche Unfälle, die von Senioren verursacht wurden, stiegen um rund acht Prozent. Allerdings wies Herrmann darauf hin, dass die Bevölkerung allgemein altere und damit auch mehr ältere Autofahrer unterwegs seien. Senioren machten unter Geisterfahrern zwar einen sichtbaren Anteil aus, insgesamt seien die jüngeren im Straßenverkehr aber viel auffälliger. Auch dürfe man nicht davon ausgehen, dass die meisten von Senioren verursachten Unfälle auf "mangelnde Sehschwäche" zurückgingen, sagte Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer. "Da sind bei den flotten Senioren auch die Raser mit dabei."

Neben dem Tempo spielt das Abkommen von der Fahrbahn eine wesentliche Rolle, so Herrmann. Jeder dritte tödliche Verkehrsunfall endete 2016 im Straßengraben. Mit 191 Toten kamen so rund 18 Prozent Menschen mehr um als im Vorjahr. Auch wenn es dazu keine Daten gebe, geht Herrmann davon aus, dass viele abgelenkt waren, weil sie auf ihrem Smartphone tippten, anstatt auf die Straße zu schauen. Er sprach sich deshalb für eine Verschärfung der Straßenverkehrsordnung aus, wie sie der Bund gerade plant. Danach sollen nicht nur Smartphones, sondern auch Laptops und Tablets am Steuer verboten sein. Anders als jetzt soll der Blick aufs Handy bei ausgeschaltetem Motor nicht mehr erlaubt sein. Das Telefonieren über die Freisprechanlage sei aber weiterhin gestattet. Viel gefährlicher sei aber das "SMS-Rumtippen", sagte Herrmann. Dass dies ablenken könnte, gehöre zwar zum gesunden Menschenverstand, vielen sei das Risiko aber nicht bewusst. Bei Aufklärungskampagnen will die Polizei deshalb dieses Jahr verstärkt auf die Gefahren hinweisen.

Auch der "Kontrolldruck" werde weiter aufrechterhalten, kündigte Herrmann an. "Manche halten sich an die Regeln nur aus Angst, geblitzt zu werden", sagte er. Und wer sich bei einer Kontrolle fragt, ob die Polizei in diesen Zeiten nichts Besseres zu tun habe, dem antwortet Herrmann: "Wir sind voll unterwegs, um den Terrorismus zu bekämpfen, aber wir dürfen die Verkehrssicherheit nicht vernachlässigen." Dazu gehörten auch Baumaßnahmen, um Unfallstellen zu entschärfen, gefährliche Hindernisse zu entfernen oder Verkehrszeichen zu erneuern. Bis 2020 stünden dafür aus Landes- und Bundesmitteln 440 Millionen Euro bereit. Bis dahin will Herrmann die Zahl der Verkehrstoten auf 550 reduzieren. "Wir haben noch einige Arbeit vor uns", sagte er.

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