Unesco-Auszeichnung:Augsburg bewirbt sich mit Wasseranlagen ums Weltkulturerbe

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Das historische Wasserwerk gehört zu den 22 Objekten, mit denen sich Augsburg um den Titel Unesco-Weltkulturerbe bewirbt.

(Foto: Ruth Plössel)
  • Augsburg hat sich im vergangenen Jahr bei der Unesco in Paris um den Titel Weltkulturerbe beworben.
  • Die Augsburger glauben fest daran, dass ihre historischen Brunnen, Kanäle, Wassertürme und Kraftwerke eine gute Chance haben.
  • Derzeit gibt es 44 Natur- und Kulturerbestätten in Deutschland, sieben davon in Bayern.

Von Thomas Balbierer, Augsburg

Wer eine Reise durch die Welt des Augsburger Wassers unternehmen will, in die Tiefen der früheren Trinkwasserversorgung und zu den Spitzen der berühmten Wassertürme, der sollte sich Elisabeth Retsch als Reiseleiterin ins Boot holen. Seit mehr als 35 Jahren führt die Augsburgerin Menschen durch ihre Stadt. Wenn die Frau mit ihren silbergrauen Haaren und den bunten Turnschuhen munter durch die Altstadt schreitet, fallen Begriffe wie "grandios", "unglaublich" oder "perfekt". Zum Beispiel beim Anblick von Merkurs Po. Die Statue der griechischen Gottheit steht auf einem hohen Podest im Maximilianmuseum, sie wurde vom niederländischen Bildhauer Adriaen de Vries modelliert. "Sehen sie sich die Muskeln an", sagt Retsch mit Blick auf den wohlgeformten Rücken der Figur. Merkur sei nicht nur vorne, sondern auch "hinten perfekt".

Eigentlich sollte Merkur ja auf dem Merkurbrunnen in der Augsburger Maximilianstraße thronen. Aber dort steht eine Kopie, die Originalfigur hat längst ihren Weg ins Museum gefunden, erklärt Retsch. Neben ihrem "Liebling" Merkur stehen in dem Innenhof auch Augustus und Herkules. Die Brunnen und ihre Figuren sind die wohl prachtvollsten Teile des ausgeklügelten Wasserwirtschaftssystems und könnten bald von noch mehr Touristen als bisher bewundert werden. Denn Augsburg hat sich im vergangenen Jahr bei der Unesco in Paris um den Titel Weltkulturerbe beworben. Im Juli fällt wohl die Entscheidung und die Augsburger glauben fest daran, dass ihre historischen Brunnen, Kanäle, Wassertürme und Kraftwerke eine gute Chance haben.

Hinterer und Mittlerer Lech

Die Kanäle ziehen sich ohnehin durch die ganze Stadt.

(Foto: Ruth Plössel)

Fragt man Antonia Hager, warum das Wasserwirtschaftssystem diese Auszeichnung verdient hat, sagt sie: "Weil es tatsächlich einzigartig ist." Hager ist Denkmalpflegerin und hat an der bürokratisch und inhaltlich aufwendigen Bewerbung der Stadt mitgearbeitet. Die Schrift liegt als dickes Buch auf einem Tisch in ihrem Büro. Derzeit wertet der Internationale Denkmalrat alle 44 weltweit zugelassenen Bewerbungen aus, Ende Mai teilt das Gremium der Unesco seine Empfehlung mit. Die Entscheidung trifft das Welterbekomitee im Juni und Juli. Hager glaubt, dass Augsburg auch deshalb gute Chancen hat, weil die Unesco eine ausgewogenere Welterbeliste anstrebt: also weniger Kirchen, Schlösser und Altstädte, stattdessen mehr moderne und technische Denkmäler.

Wie viel Technik tatsächlich hinter der Augsburger Wasserwelt steckt, kann man eindrücklich am südlichen Rand der Altstadt beobachten. Am Roten Tor verschmelzen Stadtmauer, Brunnenmeisterhaus und zwei Wassertürme ineinander. Ein dritter steht nur wenige Meter entfernt. Die Anlage ist ein Wahrzeichen der Augsburger Wasserwirtschaft. Laut Stadtführerin Retsch steht hier der "älteste Wasserturm Mitteleuropas, vielleicht sogar ganz Europas". Die Denkmäler sind im Originalzustand erhalten, was für die Unesco-Bewerbung sehr wichtig war.

Nach dem Bau des ersten Turmes 1416 versorgte die Anlage die Kernstadt mit Trink- und Brauchwasser. Das Trinkwasser kam aus Quellen im Stadtwald, das Brauchwasser für Kraftwerke und Handwerker aus dem Lech. Besonders dabei: Die Augsburger trennten das Fluss- vom guten Quellwasser. Beide überwanden in einem zweispurigen Aquädukt Stadtgraben und -mauer. Das Aquädukt ist noch heute intakt. Da die Augsburger Altstadt auf einer Hochterrasse liegt, musste das Wasser zu den Bürgern hinauf gepumpt werden. Das geschah in den Wassertürmen. Von Wasserkraft betriebene Pumpanlagen leiteten das Wasser durch Rohre senkrecht nach oben, wo es sich in einem Becken sammelte und gleich wieder nach unten befördert wurde.

Der Druck reichte aus, um die Brunnen und Häuser der Stadt mit Trinkwasser zu versorgen. Bis zu 130 000 Liter am Tag pumpte die Anlage in die Stadt. Zu Spitzenzeiten würde das heute nicht einmal mehr für zehn Minuten reichen, aber die Wassertürme sind ja nicht mehr in Betrieb. Das Leitungswasser der Augsburger kommt aus dem Grundwasser eines geschützten Reservoirs. Trinkwasserbrunnen gibt es jedoch noch heute in der Altstadt.

Weder Antonia Hager noch Elisabeth Retsch glauben, dass der Titel Weltkulturerbe zu einer Explosion der Tourismuszahlen führen würde. "Aber die Erfahrung zeigt, dass der Tourismus steigt", sagt Retsch, die viele Welterbestätten bereist hat. Der Unesco-Titel sei eine "Marke", von der die Stadt profitieren würde. Die Auszeichnung wäre aber auch als Zeichen der Wertschätzung wichtig, sagt Denkmalpflegerin Hager. "Wasser ist die DNA der Stadt." Neben den Fuggern, Bertolt Brecht und Leopold Mozart gehöre es zu den Aushängeschildern. Insgesamt umfasst die Augsburger Bewerbung 22 Objekte aus etwa 800 Jahren Stadtgeschichte. Die Stationen verteilen sich vom Stadtwald im Süden, über den Stadtkern bis in den Norden nach Meitingen (Landkreis Augsburg).

Das modernste Denkmal ist der Eiskanal, der für die Olympischen Spiele 1972 gebaut wurde. Bislang gibt es in Bayern sieben Welterbe-Stätten: Die Altstädte von Bamberg und Regensburg, den Limes, die Würzburger Residenz, das Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth, die Wieskirche und die prähistorischen Pfahlbauten rund um die Alpen. Sollte Augsburg Weltkulturerbe werden, braucht die Stadt ein Besucherzentrum. Konkrete Planungen gebe es noch nicht, sagt Hager. Im Erdgeschoss der Stadtverwaltung am Rathausplatz soll jedoch unabhängig von der Bewerbung ein "Wasserladen" eingerichtet werden. Er soll Touristen zur Orientierung dienen.

Elisabeth Retsch hat keinerlei Zweifel, dass ihre Stadt den Titel erhält. Wenn sie vom Rauschen der Lechkanäle untermalt vom italienischen Flair der Altstadt schwärmt, muss sie fast recht haben, wenn sie sagt: "Augsburg ist eine der wunderschönsten Städte überhaupt."

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