Parkstadt Schwabing:Wie die CSU künftig residiert

Besichtigung der neuen CSU-Parteizentrale mit Generalsekretär Scheuer, Mies-van-der-Rohe-Str. 1

Viel Glas, viel Licht: das Treppenhaus der neuen CSU-Parteizentrale.

(Foto: Florian Peljak)
  • Die CSU zieht um: Bis zur ersten Vorstandssitzung am 25. Januar soll der Einzug in das neue Hauptquartier abgeschlossen sein.
  • Noch sieht vieles an der Mies-van-der-Rohe-Straße 1 nach Baustelle aus.
  • Mit ihrer neuen Zentrale im Münchner Norden will die Partei näher ran ans Volk.

Von Wolfgang Wittl

Hier, in der nordwestlichen Ecke des vierten Stocks, wird also der Chef sitzen. Hier werden eines Tages Pläne geschmiedet, wie politische Gegner und auch Freunde zu piesacken sind. Strategien entworfen, um die absolute Mehrheit der CSU bis in alle Ewigkeit zu sichern. Doch dafür sieht der Raum, in dem der Parteivorsitzende künftig residiert, gar nicht mal beeindruckend aus: ein noch leerer, schmaler Schlauch, etwas größer nur als eine Rumpelkammer, mit Ausblick auf eine Tankstelle, den Petueltunnel und ein unbebautes Grundstück. Aber Protz und Luxus sind nicht die Kategorien, in denen Horst Seehofer, der derzeitige CSU-Vorsitzende, denkt. Ihm kommt es auf Zweckmäßigkeit an, und dafür ist dieses Haus gut geeignet.

Ein Donnerstag im Dezember, an der Mies-van-der-Rohe-Straße 1 im Münchner Norden wird fleißig gewerkelt. Transporter für Bürodesign und Möbelwagen stehen in der Einfahrt, im Eingang stapeln sich Kartons. Bis zur ersten Vorstandssitzung am 25. Januar will die CSU den Umzug in ihr neues Hauptquartier abgeschlossen haben. Im Moment sieht vieles noch aus wie eine Baustelle, doch Generalsekretär Andreas Scheuer versichert: Man liege voll im Plan, zeitlich wie finanziell. An der Glasfassade, hinter der sich schon bald der Vorstand versammeln soll, hängt ein Plakat. Die CSU freue sich auf gute Nachbarschaft, ist darauf zu lesen: "Nah. Näher. Nachbar."

Die alte Zentrale? Ein Symbol für die Abschottung

Gäbe es einen Slogan für die bisherige Zentrale, er könnte lauten: "Alt. Älter. Altbacken." Ende der Siebzigerjahre schlug die CSU ihre Zelte an der Nymphenburger Straße 64 auf, eine exquisit klingende Adresse im Herzen der Stadt. Doch die Tücke lag stets im Objekt. Das Gebäude befindet sich versetzt in einem Hinterhof. Anstatt "näher am Menschen" zu sein, wie das Logo über dem Eingang suggerierte, symbolisierte das Haus vor allem Abschottung. Als die CSU einzog, kämpfte Deutschland gegen den Terror der RAF. CSU-Chef Franz Josef Strauß zählte zu den besonders gefährdeten Personen seiner Zeit, die Parteizentrale ging optisch problemlos als Festung durch. Die Fassade besteht zwar aus Naturstein, doch das Haus sieht aus wie ein Hochsicherheitstrakt aus Beton.

Kaum anders das Innenleben, das den Charme einer DDR-Plattenbausiedlung atmete. Drückende Enge, abgewetzte Teppichböden, im Sommer klagten Mitarbeiter über Hitze, dafür zog es im Winter an so mancher Ecke. Für eine Partei, die sich an der Spitze des Fortschritts wähnt, lieferte diese Heimat noch nie die Bilder, mit denen man gerne in Verbindung gebracht wird. Schon Strauß soll darüber gespottet haben, Erwin Huber hat als Generalsekretär und später auch als Parteichef so tapfer wie vergeblich versucht, das Leben dort angenehmer zu gestalten. Und das Haus jetzt den eigenen Vorstellungen von Funktionalität anzupassen, das hätte jeden finanziellen Rahmen gesprengt.

Besichtigung der neuen CSU-Parteizentrale mit Generalsekretär Scheuer, Mies-van-der-Rohe-Str. 1

Generalsekretär Scheuer packt beim Umzug selbst mit an. Der Stuhl soll in sein neues Büro.

(Foto: Florian Peljak)

Spender werden mit einem Konterfei verewigt

Wohl wenige Entscheidungen fielen im CSU-Präsidium so einmütig wie jene, die Nymphenburger Straße zu verlassen. Der Kontrast zum neuen Domizil in der Schwabinger Parkstadt könnte nicht größer sein: viel Glas, viel Metall, viel Licht, schicke Holzböden, frei schwebende Treppen. Alles ist luftiger und moderner, aber keineswegs überkandidelt. Stühle und Tische etwa, an denen der Vorstand zusammensitzt, wurden mitgenommen. Ist doch alles noch funktionsfähig, sagt Generalsekretär Scheuer.

Mehr als 20 Millionen Euro soll das 15 Jahre alte Gebäude gekostet haben. Die Zahlen behält die CSU für sich, doch alles sei solide finanziert, heißt es aus der Parteispitze. 7000 Quadratmeter hat die CSU erworben, auf 4000 will sie sich selbst ausbreiten, der Rest wird vermietet. Zusammen mit dem Erlös aus dem Verkauf der bisherigen Zentrale sei das Geschäft gut zu stemmen. Trotzdem waren Spenden willkommen: Bei mehr als 40 Euro gab es eine von Scheuer unterschriebene Dankesurkunde, Gönner mit mehr als 800 Euro werden mit ihrem Konterfei in der neuen Parteizentrale verewigt.

Nur das Erdgeschoss ist öffentlich zugänglich

Besichtigung der neuen CSU-Parteizentrale mit Generalsekretär Scheuer, Mies-van-der-Rohe-Str. 1

Von außen ist das neue Hauptquartier in der Mies-van-der-Rohe-Straße eine verglaste Mischung aus runden und eckigen Elementen.

(Foto: Florian Peljak)

Bei Immobilienexperten gilt der Schwabinger Norden als attraktives Areal mit hohem Entwicklungspotenzial. Neben der CSU will sich bald eine große Computerfirma ansiedeln, das Viertel mit den hohen Büro- und Hoteltürmen schließt direkt an die A 9 an. Die Anfahrt zu den Montagssitzungen wird für einige CSU-Granden daher bequemer sein, etwa für den aus Ingolstadt kommenden Parteichef Seehofer. Auch mögliche Nachfolger wie der Nürnberger Markus Söder und der Niederbayer Manfred Weber haben dann einen kürzeren Weg, weniger die Oberbayerin Ilse Aigner. Die nächste U-Bahnstation liegt an der Linie U 6, Nordfriedhof.

Vor der CSU gehörte das Haus dem Langenscheidt-Verlag, Schriftzüge an den Türen zeugen davon. "Lächeln" steht auf einer Glasscheibe, "erklären" auf der nächsten. Sie umschreiben ziemlich präzise die Stimmung, mit der Generalsekretär Andreas Scheuer durchs Haus führt. "Strippenzieher", scherzt Scheuer, als er nach Kabeln an der Decke greift. Die CSU nimmt innen größere Umbauten vor, jedes Detail soll stimmen.

Im Erdgeschoss etwa wird direkt neben dem Sitzungszimmer ein Sanitärraum errichtet, der Weg an der Presse vorbei bleibt der Führungsspitze somit erspart. Aber auch an die Journalisten wurde gedacht. Sie müssen sich nicht mehr wie bisher im Freien die Füße in den Bauch stehen, sondern finden Platz im Foyer. "Unwürdige Bedingungen" attestierte Seehofer unlängst in einem Anflug von Mitgefühl, als er über das alte Haus sprach. Wenn es kalt sei, "kannst du nicht einmal den Griffel halten" beim Schreiben. Die Kantine ist bereits in Betrieb, es gibt Eierreis und Lasagne. Mit den CSU-Mitarbeitern werden bald hundert potenzielle Kunden mehr im Haus zu Gast sein.

Besichtigung der neuen CSU-Parteizentrale mit Generalsekretär Scheuer, Mies-van-der-Rohe-Str. 1

Dieser Schlauch wird das neue Chef-Zimmer von Ministerpräsident Horst Seehofer.

(Foto: Florian Peljak)

Je höher oben umso wichtiger die Menschen

Das Erdgeschoss bleibt der einzige Teil, der für die Öffentlichkeit zugänglich sein wird. Jede der vier Etagen ist barrierefrei zu erreichen - je höher es hinaufgeht, desto einflussreicher sind die Personen. Im dritten Stock etwa sind die Hauptgeschäftsführung und die Presseabteilung untergebracht, gewissermaßen die Kommandozentrale.

Parteisprecher Jürgen Fischer will nur ein einziges Bild in seinem Büro aufhängen, natürlich ein überproportional großes von Seehofer. Legendär sei dieses Foto aus dem Wahlkampf 2013, weil es erstmals einen Regierungschef mit aufgekrempelten Ärmeln zeigte. Ein paar Zimmer weiter hat auch Bayernkurier-Chefredakteur Marc Sauber gerade seine Sachen ausgepackt. Die Parteizeitung wird nun im selben Haus untergebracht sein wie die CSU. Saubers Schlagzeile von morgen: "Hier wird Zukunft geschrieben."

Scheuer hat sich wie Seehofer im vierten Stock eingerichtet. Kein Bauarbeiter, den er nicht zu kennen scheint. Kein Platz, für den er nicht schon Verwendung wüsste. Die Dachterrasse eignet sich für Interviews mit dem Parteichef, wenn München-Bilder gewünscht sind. Hinter der Kantine sind Empfänge im Freien möglich, im Erdgeschoss ist Platz für mehr als 200 Gäste. Wer das Haus an der Nymphenburger Straße gekauft hat, darüber herrscht Stillschweigen. Wahrscheinlich wird das Gebäude abgerissen und neuen Wohnungen weichen müssen - für Menschen, denen Abgeschiedenheit lieber ist als einer Partei, die auf der Höhe der Zeit sein will.

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