Süddeutsche Zeitung

Umweltverschmutzung:Grundwasser ist in Gefahr

2021 könnte mehr als ein Drittel des Grundwassers in Bayern mit Giftstoffen belastet sein. Schuld daran ist Nitrat. In den Boden gelangt der Stoff durch Dünger, den die Bauern in riesigen Mengen auf den Feldern verteilen.

Von Christian Sebald

Die Qualität des Grundwassers droht sich in weiten Teilen Bayerns dramatisch zu verschlechtern. Das geht aus der neuen Risikoanalyse hervor, die das Landesamt für Umwelt (LfU) jetzt veröffentlicht hat. 2021 könnten demnach 38 Prozent des Grundwassers mit Giftstoffen belastet sein. In nicht einmal zwei Dritteln des Freistaats würden dann noch die gesetzlichen Vorgaben erfüllt.

Wie es aktuell um die Qualität des Grundwassers steht, ist unklar. Die entsprechenden Studien werden erst bis Jahresende fertig. Laut Experten dürften gut 20 Prozent des Grundwassers schon jetzt in schlechtem Zustand sein - was der Prognose entsprechen würde, welche das LfU vor zehn Jahren für 2015 aufgestellt hat. Hauptgrund für die Probleme ist die Landwirtschaft mit ihren immer größeren Viehställen und dem expandierenden Maisanbau.

Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter

Das Risikoszenario der LfU-Experten ist auch deshalb so bedrohlich, weil die Entwicklung eigentlich in die entgegengesetzte Richtung laufen müsste. In der sogenannten Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) aus dem Jahr 2000 haben sich die EU-Staaten und damit auch Deutschland und Bayern verpflichtet, ihr Grundwasser in gutem Zustand zu halten. Wo das nicht der Fall ist, müssen sie laut WRRL alles dafür tun, dass der gute Zustand rasch hergestellt wird.

Der Grund dafür, dass das Grundwasser in immer mehr Regionen Bayerns belastet ist, ist Nitrat. Der Stoff gelangt hauptsächlich durch Gülle und anderen Dünger in den Boden, welche die Bauern massenhaft auf ihren Weiden und Äckern ausbringen. Zwar ist Nitrat kein tödliches Gift.

Aber es kann bei Säuglingen den Sauerstofftransport im Blut behindern, bis sie blau anlaufen. Außerdem steht Nitrat im Verdacht, Krebs auslösen zu können, wenn es im Magen in Nitrosamine umgewandelt wird. In der Europäischen Union gilt für Nitrat ein Grenzwert von 50 Milligramm je Liter im Trinkwasser.

Vielen Fachleuten ist dieser zu hoch angesetzt, da er den natürlichen Nitratgehalt des Grundwassers von zwei bis maximal zehn Milligramm je Liter deutlich übersteigt. Der natürliche Wert wird im Freistaat nur noch an der Hälfte der 270 Messstellen erreicht. An knapp 20 Stellen überschreitet die Nitratkonzentration sogar den 50-Milligramm-Grenzwert. Einmal wurden sogar 161 Milligramm Nitrat pro Liter gemessen.

Das ist auch deshalb ein Alarmzeichen, weil sich Verunreinigungen im Grundwasser nur sehr langsam abbauen. Das zeigt sich am Beispiel Atrazin. Das einst weit verbreitete Pflanzenschutzmittel ist seit 1991 verboten. Aber noch immer sind die Konzentrationen an knapp 30 Messstellen deutlich erhöht. An zehn überschreiten sie sogar den festgelegten Grenzwert. Die Belastungen werden noch lange anhalten. "Langfristig ist mit einem allmählich weiteren Rückgang der Konzentrationen zu rechnen", heißt es auf der Homepage des LfU.

Ein Blick auf die neue Risikokarte zeigt, dass all die Regionen gefährdet sind, in denen Massentierhaltung und Maisanbau für Biogasanlagen drastisch zugenommen haben. Risikogebiete liegen etwa in der Oberpfalz rund um Amberg, aber auch in Niederbayern bis zur Donau. Dort haben Schweinemäster und Geflügelhalter inzwischen so viele Großställe errichtet, dass nicht nur die Anwohner über den Gestank und andere Belastungen massiv klagen.

Trinkwasserversorger wie die Rottenburger Gruppe müssen immer öfter Grundwasser aufbereiten, um ihren Abnehmern Trinkwasser anbieten zu können, das den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Auch müssen sie immer wieder Brunnen vom Netz nehmen und an anderer Stelle neue bohren, in der Hoffnung, dort auf eine noch saubere Quelle zu stoßen.

"Die Düngung muss drastisch reduziert werden"

Der Grünen-Abgeordnete und Chef des Umweltausschusses im Landtag, Christian Magerl, ist empört. "Die neue Analyse ist die Bankrotterklärung der bayerischen Umwelt- und der Agrarpolitik", sagt er. "Statt kleine und naturnah wirtschaftende Bauernhöfe und Biobauern zu unterstützen, fördert die Staatsregierung seit Jahren nach Kräften industrielle Großbetriebe, die nicht nur die Tiere leiden lassen und die Landschaft zerstören, sondern zunehmend unser Grundwasser bedrohen." Der Ausweg für Magerl: "Die Düngung muss drastisch reduziert werden, der Öko-Landbau muss stärker gefördert werden."

Im Agrarministerium und beim Bauernverband akzeptiert man die Kritik nicht. Dort weist man darauf hin, dass Methodik und Datengrundlage für das neue Risikoszenario geändert worden seien. Deshalb sei es nicht mit seinem Vorgänger vergleichbar. Außerdem betont Agrarminister Helmut Brunner, dass der Freistaat deutscher Spitzenreiter bei der Förderung von Bauern sei, die umweltfreundlich arbeiten. "Die Programme werden sehr gut angenommen, ab 2015 verbessern wir sie weiter."

Ein Sprecher des Bauernverbands erklärt, dass "bereits 600 000 Hektar Agrarland besonders grundwasserschonend bewirtschaftet werden" und verweist auf "die vielen freiwilligen Kooperationen zwischen Landwirten und Trinkwasserversorgern". Umweltministerin Ulrike Scharf sieht die Entwicklung kritischer. "Unser sauberes Grundwasser ist einer unserer größten Schätze", sagt sie. "Das Ergebnis der Risikoanalyse zeigt, dass in einzelnen Regionen Handlungsbedarf besteht."

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SZ vom 29.09.2014/amm
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