Umweltschutz:Passau hat nun auch einen verpackungsfreien Supermarkt

  • Im "Unverpackt" können Kunden regionale Biolebensmittel lose kaufen.
  • Betreiberin Jessica Endl sagt, die Nachfrage sei da.
  • Sie ist erst 20 Jahre alt - und schon Chefin ihres eigenen Geschäfts.

Von Magdalena Hechtel

Jessica Endl sieht man ihr junges Alter an. Sie ist eine eher kleine Frau, mit blonden, schulterlangen Haaren. In der Nase trägt sie einen Ring, am Handgelenk klimpert ihr Armband. Jessica Endl ist gerade mal 20 Jahre alt - und Inhaberin ihres eigenen Ladens.

Der liegt etwas zurückversetzt an der Theresienstraße, einer Seitenstraße der Passauer Fußgängerzone. So unscheinbar der Laden von außen wirkt, so durchdacht ist doch das Konzept, das dahintersteht. "Unverpackt" ist ein Supermarkt für alle, die regional und bio kaufen wollen und für die Plastikverpackung ein Graus ist.

Im "Unverpackt" ist der Name Programm. Wer Regale mit einzeln abgepackten Produkten erwartet, ist hier falsch. An den Wänden hängen große Glasbehälter, darin aufbewahrt werden regional produzierte Nudeln aus Vollkorn oder Dinkel. Neben Reis und verschiedenen Körnern führt der Laden vegane Gummibärchen, Backzutaten, Müsli, Tee, glutenfreies Gebäck sowie Obst und Gemüse.

Möchte man etwas kaufen, sollte man nicht unvorbereitet kommen. Zwar werden für alle Vergesslichen Papiertüten oder Gefäße zum Kauf angeboten, noch besser ist es allerdings, Weckgläser, Blechdosen - oder worin auch immer sonst man Lebensmittel lagern möchte - von zu Hause mitzubringen.

Neben der Vermeidung von Verpackungsmüll hat dieses Prinzip noch einen weiteren Vorteil: Der Kunde kann die Menge des Produktes aus den Spendern zapfen, die er möchte. Nicht zuletzt deshalb ist Endls Standortwahl auf Passau gefallen, eine Stadt mit etwa 11 500 Studenten und dementsprechend vielen Single-Haushalten, die an einer Familienpackung Müsli recht lange zu knabbern hätten.

Durch das Spender-Prinzip kann Endl große Mengen an Lebensmitteln kaufen und ihre ökologischen Produkte so deutlich billiger als herkömmliche Bioläden anbieten. Die Nachfrage nach einem Unternehmen wie "Unverpackt" ist laut Endl da. Es gebe zahlreiche Leute, die auf Plastik - so gut es geht - verzichten möchten, aber nicht wissen, wo sie zum Einkaufen hingehen sollen.

Auf den ersten Blick klingt das Konzept geradezu romantisch, zurück zu den Anfängen, nackte Produkte ohne Verpackung - und damit schutzlos vor Keimen oder sonstigen Verunreinigungen? Für die Kontrolle von Lebensmitteln sind in Bayern die Ordnungsämter der jeweiligen Kommunen zuständig. Unterstützt werden sie dabei vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), das Proben auswertet oder spezielle Kontrollen durchführt.

Prinzipiell befürwortet das LGL die Vermeidung von unnötiger Verpackung bei Lebensmitteln. Härtere oder häufigere Kontrollen von Läden, die auf Verpackung verzichten, gibt es nicht. Allerdings gelten strenge Vorschriften für das "Umhüllen und Verpacken" von Lebensmitteln. Der Verkäufer muss für die Sauberkeit des Aufbewahrungsortes der Produkte garantieren, alle Behältnisse müssen intakt, leicht zu reinigen und zu desinfizieren sein.

Das hört sich erst einmal logisch an. Es geht aber nicht nur um den Aufbewahrungsort der Ware im Geschäft, sondern auch um deren Lagerung bis zum eigentlichen Verzehr. Diese Definition schließt Gefäße ein, die von Kunden mitgebracht werden. "Da der Verkäufer den Hygienestatus des vom Verbraucher mitgebrachten Behältnisses nicht kennt, geht er ein für ihn nicht bestimmbares hygienisches Risiko ein", sagt ein Sprecher des LGL. "Es liegt im Ermessen des Betriebes, welchem Risiko er sich aussetzt oder nicht."

Um dieses Risiko möglichst klein zu halten, gibt es im "Unverpackt" einige Hygienestandards. Einmal abgefüllte Produkte können nicht mehr zurückgegeben werden, die Gefäße werden in regelmäßigen Abständen gereinigt. Hinzu kommt eine detaillierte Protokollierung der Lebensmittel, Haltbarkeitsdatum, Chargennummer, Öffnungsdatum - all diese Aspekte werden schriftlich festgehalten. Für Jessica Endl bedeutet das mehr Arbeit, viel mehr als bei ihrem Ausbildungsbetrieb, einem Discounter.

Zurück will sie trotzdem nicht. Die gängige Praxis in der Branche ist für sie "Heuchlerei". Vielen Kunden sei nicht klar, dass sie sich an den Kosten für die Verpackung unbewusst beteiligen und Kassen mit kurzen Bändern dafür sorgen sollen, dass Kunden "schnell wieder abhauen".

Hinzu kam der Umgang der Mitarbeiter untereinander. "Die Menschlichkeit geht total kaputt", sagt Endl. Deshalb war ihr sofort nach der Ausbildung klar, wohin ihr Weg sie führen würde - weg vom Discounter und hinein in den eigenen Laden. "Da war ich knallhart", sagt sie und lächelt. Ob Jessica Endl den Schritt in die Selbständigkeit bereut hat? "Naa", sagt sie in ihrem breiten niederbayerischen Dialekt. "Ich war noch nie so glücklich beim Arbeiten."

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