Naturschutz:Bayerns Grenzgebiet erblüht
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Von Claudia Henzler, Nürnberg
Die Vision, aus der ehemaligen Grenze zwischen Ost und West das grüne Rückgrat Europas zu machen, könnte Wirklichkeit werden. Das bayerische Kabinett hat Anfang April nach langem Drängen der Naturschützer beschlossen, eine 200 Kilometer lange Lücke im sogenannten Grünen Band zu schließen. Eine Machbarkeitsstudie soll nun klären, wie der Natur- und Umweltschutz entlang der Grenze verbessert werden kann. Dabei soll auch berücksichtigt werden, wie die Zusammenarbeit mit Tschechien verstärkt werden könnte und welche Chancen das Projekt für den Tourismus bietet.
Die Bemühungen zum Schutz des Grenzstreifens begannen bereits kurz nach Ende des Kalten Krieges. Aus vielen einzelnen Initiativen, die in den 24 betroffenen Ländern entstanden, wurde 2014 der Verein European Green Belt (Grünes Band Europa), dem auch Regierungsorganisationen angehören. Dessen Vorstand sprach in Nürnberg am Mittwoch und Donnerstag über neue Entwicklungen. Liana Geidezis, die beim Bund Naturschutz (BN) das Projektbüro Grünes Band leitet, konnte dabei die gute Nachricht verkünden.
Der BN wünscht sich, dass entlang der Grenze möglichst viele Biotope und Naturräume unter Schutz gestellt werden. Er kauft seit Jahren selbst wertvolle Flächen, die dann von ehrenamtlichen Mitgliedern in den Orts- und Kreisgruppen gepflegt werden. Wie breit das Grüne Band in der Oberpfalz werden soll, ist noch offen. Aus Sicht von Geidezis könnte es sich auf bayerischer Seite bis zu fünf Kilometer weit ausdehnen - gemeint sei damit aber nicht, dass dort alles in ein Naturschutzgebiet verwandelt werden soll. Es sollten lediglich schützenswerte Gebiete identifiziert und in den Verbund aufgenommen werden. Hier sei man schon in einem sehr positiven Austausch mit der Oberen Naturschutzbehörde in Regensburg.
Die genaue Festlegung des Grünen Bandes ist ein Problem, das auch von den Mitgliedern des Vereins Grünes Band noch intensiv diskutiert wird. "Die Ausdehnung des Grünen Bandes ist noch nicht definiert. Ich hoffe, dass das in einem Jahr anders aussieht", sagt Gabriel Schwaderer, Vorsitzender des Vereins European Green Belt. Je nach Land waren die Gebiete, in denen die Natur sich selbst überlassen war, unterschiedlich groß.
In Russland denke man beispielsweise über ein 50 Kilometer breites Band nach. In Deutschland ist vor allem der ehemalige Todesstreifen als Grünes Band bekannt, also das 50 bis 200 Meter breite Gelände zwischen Kolonnenweg und Zaun auf dem Gebiet der früheren DDR. Thüringen ist dabei, seinen Abschnitt als nationales Naturmonument ausweisen zu lassen. In diesem engen Sinne gäbe es in Bayern kein Grünes Band, es lag ja auf der anderen Seite des Todesstreifens.
Große und kleine Biotope reihen sich auf
Bei der Vision vom europäischen Biotopverbund geht es aber um einen deutlich breiteren Korridor. Schließlich konnte sich die Natur in den Zonenrandgebieten, die frei von Siedlungsdruck waren, fast ungestört ausbreiten, und zwar auf beiden Seiten der Grenze. So sagten sich nicht nur Fuchs und Hase gute Nacht, es fanden Tiere wie Fischotter, Luchs, Schwarzstorch oder Fischadler Wanderrouten und Rückzugsräume, die anderswo durch Straßen, Siedlungen oder intensive Landwirtschaft verschwunden sind. Zum Teil reichen sie weit ins Hinterland.
"Das Grüne Band ist wie eine Perlenschnur", erklärt Uwe Riecken vom Bundesamt für Naturschutz, das dem Verein European Green Belt ebenfalls angehört. "Entlang des Grenzstreifens reihen sich große und kleine Biotope auf." Das könne man gut sehen, wenn man auf eine Karte der europäischen Natura-2000-Gebiete schaue. "Sie schmiegen sich zu beiden Seiten an die Grenze an." Mit dem Status als Natura-2000-Gebiet sind aber weder Riecken noch Liana Geidezis zufrieden. Es sei notwendig, dass die EU-Mitgliedsstaaten - in Deutschland sind dafür die Bundesländer verantwortlich - besondere Lebensräume auch formal als Naturschutzgebiet ausweisen.
Handlungsbedarf in der nördlichen Oberpfalz
Wie es entlang der 346 Kilometer langen Grenze zwischen Bayern und Tschechien um die Natur bestellt ist, hat der Bund Naturschutz 2008 im Rahmen eines EU-geförderten Projekts untersucht. Ermittelt wurde dabei, wie ein nur 50 Meter breiter Streifen auf beiden Seiten der Grenze genutzt wird. Das Ergebnis: Auf bayerischer Seite stehen 68 Prozent nicht unter Schutz. Und bei zehn Prozent des Streifens handelt es sich auf bayerischer Seite nicht einmal um unberührte Natur. Dort verlaufen Straßen, stehen Häuser oder werden Äcker bewirtschaftet.
Handlungsbedarf sieht der Bund Naturschutz vor allem im nördlichen Abschnitt der tschechisch-oberpfälzischen Grenze. Als vorbildlich bezeichnet der Bund Naturschutz das Engagement von Haidmühle im Landkreis Freyung-Grafenau. Die Gemeinde hatte schon im Jahr 2000 freiwillig fast die Hälfte ihrer Fläche als Natura-2000-Gebiet angemeldet und den "Förderverein zur Erhaltung der Kulturlandschaft Bischofsreuter Waldhufen" gegründet. Landwirte bemühen sich dort, artenreiche Wiesen und Moorflächen zu erhalten und bekommen dafür Geld von der Regierung von Niederbayern.