Umweltschutz:Bayern will renommierte Vogelschutzwarte in den Alpen schließen

Staatliche Vogelschutzwarte Partenkirchen

Das Gebäude der Staatlichen Vogelschutzwarte gleicht einem hölzernen Schloss am Südhang des Wank.

(Foto: Stefan Kluth/LfU)
  • Die Staatliche Vogelschutzwarte des Freistaats residiert seit 1931 in Garmisch-Partenkirchen.
  • Sie ist unter anderem zuständig für Vogelzählungen, Artenhilfsprogramme und die Umsetzung der EU-Vogelschutzrichtlinie.
  • Das Landesamt für Umwelt will sie nun aber an seinen Hauptsitz in Augsburg holen.

Von Christian Sebald, Garmisch-Partenkirchen

Die Staatliche Vogelschutzwarte zählt zu den renommiertesten Institutionen ihrer Art in Deutschland. Mit ihren sieben festangestellten Mitarbeitern, etlichen Projektleuten und Praktikanten ist sie für den amtlichen Vogelschutz in Bayern zuständig - gleich ob es sich um Vogelzählungen, Artenhilfsprogramme oder die Umsetzung der EU-Vogelschutzrichtlinie handelt.

Die Einrichtung, die 1909 als "Staatliche Station für den Vogelschutz" in Bamberg gegründet worden ist, residiert seit 1931 in Garmisch-Partenkirchen. 1959 bezog sie dort einen wuchtigen, schlossartigen Bau am Südhang des Wank, in dem sie nach wie vor untergebracht ist. Nun soll die Vogelschutzwarte umgesiedelt werden. Das Landesamt für Umwelt (LfU), dem sie längst angegliedert ist, will sie an seinen Hauptsitz in Augsburg holen. Die Unruhe unter Experten und Mitarbeitern ist groß, auch wenn sich keiner offiziell äußert.

Einer der schärfsten Kritiker der Umzugspläne ist Einhard Bezzel. Der 83-jährige Biologe zählt zu den bekanntesten Ornithologen Deutschlands und war 33 Jahre lang Chef der Vogelschutzwarte. Bezzel hat überhaupt kein Verständnis für die Pläne. "Bayern ist das einzige Bundesland mit Alpen", sagt er. "Deshalb hat der Freistaat eine ganz besondere Verantwortung für den Naturschutz und damit den Schutz der Vogelwelt in den Bergen." Diese Verantwortung könne man aber nur mit einer Institution wahrnehmen, die wie die Vogelschutzwarte in der Bergwelt angesiedelt sei. "Die Warte arbeitet sehr erfolgreich und ist höchst anerkannt", sagt Bezzel. "Es wäre ein sehr großer Verlust, wenn man sie aus Garmisch abziehen würde."

Auch in der Politik werden Vorwürfe laut. Der Landtagsabgeordnete Florian Streibl (Freie Wähler) spricht von einem "Ding der Unmöglichkeit". Im Rahmen seiner Heimatstrategie verspreche Ministerpräsident Markus Söder immer, ländliche Regionen durch Behördenverlagerungen zu stärken. "Und hier soll eine gewachsene, funktionierende, mit perfekter Infrastruktur ausgestattete Behörde, nebst umfangreicher Fachbibliothek nach Augsburg verlagert werden", sagt Streibl, der aus dem Kreis Garmisch-Partenkirchen stammt. Die Pläne stünden in "eklatantem Widerspruch" zu der Heimatstrategie, die das Kabinett beschlossen hat. Wie der Ornithologe Bezzel fordert Streibl den Verbleib der Vogelschutzwarte in Garmisch. Die beiden schlagen vor, sie als "alpine Außenstelle" in das neue Artenschutzzentrum zu integrieren, das der Freistaat einrichten wird.

Beim Landesbund für Vogelschutz (LBV) halten sie sich hingegen bedeckt. "Die Vogelschutzwarte ist natürlich eine sehr traditionsreiche, mit der Region eng verflochtene Einrichtung", sagt LBV-Chef Norbert Schäffer. "Aber für uns sind zwei Dinge besonders wichtig: Das Personal und das Geld für die Warte dürfen nicht gekürzt werden. Und die Vogelschutzaktivitäten des Freistaats in den Alpen müssen im selben Umfang weitergeführt werden wie bisher." Von welchem Standort aus dies geschehe, sei demgegenüber nachrangig. In Schäffers Worten: "Wir wollen Kontinuität beim Schutz der Vogelwelt in den Bergen, gleich wo die Leute dafür sitzen."

Andere Experten gehen noch einen Schritt weiter als Schäffer. Sie sagen, ein Umzug der Vogelschutzwarte nach Augsburg könnte sogar ein naturschutzpolitisches Signal sein. Denn die Vogelvielfalt in den Bergen sei nach wie vor vergleichsweise intakt. Im flachen Land dagegen, vor allem in den Agrarregionen, gebe es inzwischen ganze Landstriche, in denen selbst Allerweltsarten wie der Feldspatz und die Feldlerche am Aussterben seien. Ein Umzug der Vogelschutzwarte nach Augsburg könnte deshalb durchaus ein Zeichen dafür sein, dass der Freistaat seine Vogelschutz-Aktivitäten in den Agrarregionen verstärken wolle.

Am LfU gibt man sich sehr bedeckt. Die Spitze des Hauses will sich überhaupt nicht zu den Plänen äußern. Zwar bestätigt ein Sprecher, dass es sie gibt. Aber er betont, dass über sie frühestens 2020 entschieden werden solle. Außerdem erklärt er, dass es keine Absichten gebe, der Vogelschutzwarte Stellen zu kürzen oder ihr Aufgabenprofil zu ändern. Ziel sei einzig, den Vogelschutz im Freistaat zu verbessern. Sollte es zu dem Umzug kommen, werde er für die Mitarbeiter so verträglich wie nur irgendwie möglich geschehen. Dies sei auch der Grund, warum man die Mitarbeiter der Einrichtung schon zu einem so frühen Zeitpunkt über die Umzugspläne informiert habe.

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