Umweltschutz:Bauen trotz Klage

Umweltschutz: Im Argental soll ein 6,4 Hektar großes Gewerbegebiet entstehen. Die Projektträger schaffen durch erste Bauarbeiten bereits Fakten.

Im Argental soll ein 6,4 Hektar großes Gewerbegebiet entstehen. Die Projektträger schaffen durch erste Bauarbeiten bereits Fakten.

(Foto: BN-Kreisgruppe Lindau)

Im Argental nahe dem Bodensee werden Vorbereitungen für ein Gewerbegebiet getroffen - und damit Fakten geschaffen, die kein Gericht mehr rückgängig machen wird. Der Bund Naturschutz ist empört und auch die Projektträger hätten lieber Rechtssicherheit

Von Florian Fuchs, Gestratz

Die Bagger waren schon da. Die Erschließungsstraßen sind angelegt, im Grunde ist alles vorbereitet, dass die ersten Gebäude hochgezogen werden können und Gewerbe einziehen kann. Das interkommunale Gewerbegebiet Argental nimmt Gestalt an, dabei ist gerichtlich noch gar nicht geklärt, ob ein Gewerbegebiet an dieser Stelle rechtswidrig ist. Der Bund Naturschutz (BN) hat geklagt, weil seiner Ansicht nach nicht ausreichend Alternativstandorte geprüft wurden und das Landschaftsbild beeinträchtigt wird. Das Problem ist nur: Die Gemeinden, die sich im Zweckverband Argental zusammengetan haben, sind dabei, Fakten zu schaffen, die kein Gericht mehr rückgängig machen wird. Und ein Gericht wird lange nicht entscheiden in der Sache. "Das entwickelt sich zum Muster", beklagt sich BN-Regionalreferent Thomas Frey im Regierungsbezirk Schwaben. "So können wir unseren Auftrag als Anwalt für die Umwelt nicht mehr wahrnehmen."

Das geplante Gewerbegebiet im Argental nahe dem Bodensee im Landkreis Lindau wird mitten auf der grünen Wiese gebaut und ist ein Präzedenzfall: Der Landesentwicklungsplan verbietet solche Projekte eigentlich. Gewerbegebiete müssen nach dem Anbindegebot an bestehende Siedlungsstrukturen angebunden werden. Eine Ausnahme macht die Staatsregierung aber inzwischen, wenn mehrere Gemeinden gemeinsam planen, ausreichend Alternativstandorte geprüft wurden und das Landschaftsbild nicht beeinträchtigt wird. Die Gemeinden Gestratz, Grünenbach, Maierhöfen und Röthenbach sind der Ansicht, dass all diese Ausnahmen auf ihr Projekt zutreffen. "Im Frühjahr", sagt der Bürgermeister von Gestratz, Engelbert Fink, der Vorsitzende des Zweckverbands, "hoffen wir auf die ersten Bauanträge."

Fink teilt auf Nachfrage mit, dass es ihm schon auch lieber wäre, wenn das Gericht seine Entscheidung bereits getroffen hätte. "Dann hätten wir Rechtssicherheit." Die Gemeinden hätten nun aber lange genug gewartet, sie müssten endlich loslegen mit ihrem Gewerbegebiet. "Wir haben schon genug Zeit verloren." Der Streit währt bereits Jahre.

Und deshalb sind nun nicht nur die Erschließungsstraßen gebaut, die notfalls wieder rückgebaut werden könnten. Deshalb sollen nun bald die ersten Gewerbebetriebe ihre Betriebsstätten bauen. "Und dann ist unsere Klage so gut wie obsolet", kritisiert BN-Regionalreferent Frey.

Die Aarhus-Konvention sichert Umweltverbänden eigentlich eine Klagebefugnis gegen Bebauungspläne zu. Die Europäische Union und die Bundesrepublik haben den völkerrechtlichen Vertrag unterschrieben, in Deutschland ist er im sogenannten Umweltrechtsbehelfsgesetz umgesetzt. Nun ist es aber so, dass das Verwaltungsgericht Augsburg für Schwaben dieses Recht nach Ansicht des Bundes Naturschutz immer wieder aushebelt. BN-Landesgeschäftsführer und Jurist Peter Rottner vergleicht dies mit der Fabel vom Hase und dem Igel: "Überall, wo wir eine Möglichkeit auftun einzuhaken, sind schon andere Juristen da und schlagen uns die Tür zu."

Bestes Beispiel sei die Therme Lindau, die gerade gebaut wird. Da, sagt Rottner, sei der Bebauungsplan bekannt geworden und kurz darauf schon die Baugenehmigung ausgestellt worden. Gegen eine Baugenehmigung, sagt der Verwaltungsgerichtshof, gebe es aber kein Rechtsmittel. Das hält Rottner für rechtswidrig. Was den Bebauungsplan betrifft, verweigert das Gericht aber auch einen Eilrechtsschutz. Und bis zum Hauptsacheverfahren dauere es meist zwei bis drei Jahre. In der Zwischenzeit können die Projektträger ungestört bauen.

Im Fall der Therme urteilte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nun sinngemäß, dass es für den Bund Naturschutz als Kläger nichts mehr tun könne, da wesentliche Teile des Projekts bereits gebaut seien. Insofern bringe es auch nichts mehr, den Bebauungsplan rückwirkend für unwirksam zu erklären. Die Fakten, so der Tenor, können nun nicht mehr rückgängig gemacht werden.

"Das ist eine trickreiche Konstellation, um uns auszuhebeln", klagt Rottner. Er ist umso mehr verärgert, als Gerichte in anderen Regierungsbezirken die Rechtslage im Sinne des Umweltverbandes anders beurteilen, etwa in Niederbayern, in der Oberpfalz und auch in Mittelfranken. Im Fall der Therme Lindau wird der Bund Naturschutz weiter prozessieren. Bei einem anderen Projekt in Ziemetshausen zwischen Augsburg und Kulmbach war plötzlich die Baugenehmigung für eine Bodenplatte erteilt. Bis ein Gericht reagieren konnte, war schon einiges zerstört gewesen.

Wie es im Argental weitergeht, ist unklar. Der Bürgermeister von Gestratz würde sich wünschen, dass man zusammen arbeite, was Ausgleichsflächen anbelange. Das ist mit BN-Regionalreferent Frey eher nicht zu machen, er würde sich anders herum wünschen, dass die Gemeinden die Einwände des Umweltverbands wenigstens insoweit respektieren, dass sie bis zu einer Gerichtsentscheidung warteten. Aufgeben will er so schnell nicht. "Die Lösung wäre ja, dass die Gerichte zumindest einmal die Klagen zulassen", sagt BN-Landesgeschäftsführer Rottner.

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