Umweltminister Söder:"Purer Populismus"

Markus Söder verstört mit überraschenden Kurswechseln seine Parteifreunde - so auch beim Donauausbau.

Christian Sebald

Nein, Markus Söder wird vorerst nichts mehr zum Donauausbau sagen. Aber nicht, weil der Umweltminister erschrocken wäre über Kritik an seinen Äußerungen oder sich gar von CSU-Granden so gemaßregelt fühlen müsste, dass er nun mit schlechtem Gewissen zurückrudert.

Umweltminister Söder: "Völlig irrational" seien die Zweifel von Umweltminister Markus Söder am Ausbau der Donau, heißt es bei der niederbayerischen CSU.

"Völlig irrational" seien die Zweifel von Umweltminister Markus Söder am Ausbau der Donau, heißt es bei der niederbayerischen CSU.

(Foto: Foto: dpa)

Im Gegenteil. Wie so oft, wenn er seine Parteifreunde mit unabgesprochenen Vorstößen quer zur Beschlusslage der CSU vor den Kopf gestoßen hat, wartet er ab und sieht zu, wie sich die Sache entwickelt. Bisher entwickelt sie sich in seinem Sinne.

Der Ausbau der Donau zwischen Straubing und Vilshofen ist einer der zentralen verkehrspolitischen Konflikte in Bayern. Für viele ist es sogar der zentrale Streit, der selbst dem um die A94 durch das Isental und dem um die dritte Startbahn am Münchner Flughafen den Rang abläuft.

Wie auch immer, CSU und Binnenschiffer auf der einen Seite und eine selten breite Koalition von SPD, Grünen und FDP über den Bund Naturschutz bis hin zu ökumenischen Gebetskreisen auf der anderen haben sich in dem Jahrzehnte währenden Konflikt regelrecht ineinander verbissen.

"Bayerischer Amazonas"

Für die einen sind die letzten 70 unverbauten Donaukilometer in Bayern eine Wasserstraße, die man für den Frachtverkehr optimieren muss. Die anderen wollen den "bayerischen Amazonas" mit seiner einzigartigen Flora und Fauna unbedingt erhalten.

So strikt die CSU am Bau einer Staustufe bei Aicha und einem Kanal an der Mühlhamer Schleife festhält, so entschieden bekämpfen Umweltschützer das Projekt.

Deshalb war es eine Sensation, als der CSU-Mann Söder vor Monatsfrist neue Töne anschlug. Ohne einen Parteifreund vorgewarnt zu haben, sprach sich Söder für ein "Leben im Einklang mit dem Fluss" aus, lobte die "ungeheure Artenvielfalt" der Donau und zweifelte an, dass sich durch ihren Ausbau "die hochgesteckten wirtschaftlichen Erwartungen" erfüllen lassen.

Seither jubeln die Ausbau-Gegner. Verstehen sie Söders Einlassungen doch als Abkehr von der bisher völlig unnachgiebigen Haltung der CSU.

"Blanker Opportunismus"

In der CSU - vor allem in der niederbayerischen - ist seither nichts mehr, wie es war. Die gesamte Donau entlang verstehen sie die Welt nicht mehr - egal ob Dorfbürgermeister, Landräte, Landtags- oder Bundestagsabgeordnete.

Der Deggendorfer Landrat Christian Bernreiter etwa spricht von "blankem Opportunismus dem vermeintlichen Wählerwillen gegenüber" und sagt: "Wenn das unser neuer Umgang in der CSU ist, dann arme CSU." Der Bundestagsabgeordnete Bartholomäus Kalb nennt Söders Einlassungen "völlig irrational" und schnarrt: "Das ist Populismus pur, damit schafft man kein Vertrauen."

Auch Erwin Huber, der einst so mächtige CSU-Chef und vormalige Wirtschaftsminister, ist völlig vor den Kopf gestoßen. Andere versuchen sich damit zu beruhigen, "dass der Markus schon immer seine Nase in den Wind gesteckt hat und seine Positionen so schnell wieder aufgibt, wie er sie bezogen hat".

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Ministerpräsident Seehofer zu Söders Vorstoß steht.

"Purer Populismus"

Tatsächlich scheiden sich an kaum einem Spitzenpolitiker der CSU so die Geister wie an Markus Söder - auch in der eigenen Partei. Selbst seine erbittertsten Gegner erkennen an, dass Söder ein Gespür für politische Trends hat wie kaum ein zweiter.

Umweltminister Söder: Protest zu Wasser gegen den Ausbau der Donau.

Protest zu Wasser gegen den Ausbau der Donau.

(Foto: Foto: dpa)

Söder denkt ausgesprochen strategisch. Der Jurist und gelernte Fernsehredakteur ist ein guter Analytiker, der hochkomplexe Sachverhalte auf einfache, druckreif gesprochene Sätze reduzieren kann.

Und Söder ist ein Meister im Mehrheitenorganisieren und Strippenziehen. Außerdem ist er erst 42, in dieser Generation hat die CSU nicht allzu viele politische Talente, geschweige denn eines von solchem Kaliber.

"Megathema" Ressourcenknappheit

Andererseits gilt Söder als Karrierist, verliebt in Selbstinszenierung und äußerst geschickt im Ausnützen der Bedürfnisse des Politik- und des Medienbetriebs. Selbst Parteifreunde, die ihm eher wohlgesonnen sind, können oft nicht unterscheiden, ob es ihm gerade um die Sache oder um sein Fortkommen geht.

Nicht wenige halten Sölder gar für skrupellos - ein Vorwurf, der aus seiner Zeit als CSU-Generalsekretär herrührt, in der er schon mal Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder eine Mitschuld an Kindermorden vorwarf, wenn es die entsprechenden Schlagzeilen versprach.

Die Umweltpolitik freilich war stets ein zentrales Thema Söders. So war er noch nicht lange Generalsekretär, als er seine CSU aufforderte, ihr "ökologisch-bürgerliches Profil" zu stärken, immer wieder vom "schwarz-grünen Lebensgefühl" sprach und dazu Thesenpapiere verfasste.

Söders Credo lautet denn auch, dass "die Bedrohung unserer natürlichen Ressourcen das politische Megathema ist, dem sich jede politische Partei stellen muss, die künftig Wahlen gewinnen will".

Wettern gegen Genmais

Zwar lässt Söder offen, was ihm mehr Sorgen bereitet - die Ressourcen oder das Ansehen der CSU beim Wähler. Aber umweltpolitisch war er seiner Partei schon immer voraus.

Das zeigt der Streit um die Agrar-Gentechnik. Söder wetterte schon gegen Genmais auf bayerischen Feldern, als die CSU noch glühendster Verfechter war - völlig unberührt davon, dass längst nicht nur Öko-Fundis und umweltbewegte Städter Agrar-Gentechnik ablehnten, sondern auch fast alle Landwirte.

Erst als der Bauernverband auf Abstand ging, läutete die CSU den Kurswechsel ein. Inzwischen will Ministerpräsident Horst Seehofer gar ein Selbstbestimmungsrecht der Regionen bei der EU durchsetzen. Und Söder darf sich rühmen, einer der ersten, wenn nicht der erste CSU-Politiker gewesen zu sein, der die Richtung gewiesen hat.

Gut möglich, dass es im Streit um die Donau genauso laufen wird. Zumal das Geschrei in der CSU mit der Entfernung zur Donau deutlich abnimmt. Bereits im Bayerischen Wald oder in Landshut ist Söders Vorstoß kein großes Thema mehr.

Duftmarken im Naturschutz

"Dabei spielt natürlich eine wichtige Rolle, dass der Protest der Wirtschaft und der Schifffahrtsverbände längst nicht so geharnischt ausfällt, wie man das eigentlich erwarten müsste", sagt ein einflussreicher CSU-Mann aus Niederbayern, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. "Wir sollten das Thema in aller Ruhe prüfen und dann die richtige Entscheidung treffen."

Auch am Kabinettstisch hält sich die Aufregung offenbar in Grenzen. Ministerpräsident Seehofer scheint sogar eine gewisse Sympathie für Söders Vorstoß zu haben. Insider berichten, dass Seehofer natürlich beim Donauausbau stets auf den Koalitionsvertrag mit der FDP verweise.

Danach wird Für und Wider des Projekts noch einmal untersucht, bevor endgültig entschieden wird. Zugleich soll Seehofer aber in kleiner Runde erklärt haben, ein Umweltminister dürfe "schon mal eine Duftmarke setzen". Was könnte Söder mehr wollen, zum jetzigen Zeitpunkt?

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