Süddeutsche Zeitung

Umwelt:Heuberg entzweit Ämter

Naturschutzbehörden sind gegen Erweiterung des Steinbruchs an dem markanten Berg im Inntal, zumal sie in die Schutzzone des Alpenplans ragen würde.

Von Matthias Köpf, Nußdorf am Inn

Der Heuberg ist die erste markante Erhebung im Inntal Richtung Tirol, und als Berg ist er von Natur aus dreidimensional. Das hatte zeitweise verschiedene Interpretationen zur Folge, wie sich die zweidimensional auf alten Karten eingetragenen Abbaugrenzen zur Höhenentwicklung des Steinbruchs an der Westflanke des Heubergs verhalten. Dieser weithin sichtbare Steinbruch hat sich längst bis auf 840 Höhenmeter hinaufgefressen, obwohl der Bayerische Verwaltungsgerichtshof 2018 einen Abbau über 758 Metern stoppen ließ. Nun ist auch eine andere Abgrenzungsfrage gleichsam offiziell beantwortet. Der Steinbruch liege zum Großteil in der Schutzzone C des Alpenplans, heißt es in einer Antwort der Staatsregierung auf eine Anfrage der SPD. Für die Gegner der geplanten Steinbruch-Erweiterung ist das ein weiteres gewichtiges Argument.

Dass der bestehende Steinbruch zu großen Teilen und auch die beantragte Erweiterungsfläche komplett in der besonders strengen Schutzzone C des Alpenplans liegen, hatten im April auch schon Naturschutzverbände wie der Deutsche Alpenverein und der Verein zum Schutz der Bergwelt aus den einschlägigen Karten herausgelesen. Für sie und die lokale Bürgerinitiative, die sich gegen die Erweiterung des Steinbruchs stemmt, ist das deswegen von Bedeutung, weil in Zone C des Alpenplans neue Verkehrserschließungen landesplanerisch unzulässig sind. Das hat vor einigen Jahren auch beim letztlich erfolgreichen Kampf der Naturschützer gegen eine neue Skischaukel am Riedberger Horn im Allgäu eine große Rolle gespielt.

Am Heuberg freilich stellen sich da wieder Definitionsfragen. So hat das zuständige Landratsamt in Rosenheim 1995 eine breite, gekieste und mit schweren Lastwagen befahrbare Zufahrt zum Steinbruch durch den steilen Bergwald als bloße Forststraße genehmigt. Diese Straße diene "überwiegend forstlichen Zwecken", heißt es von der Staatsregierung. Eine reine Forststraße würde aber nicht gegen den Alpenplan verstoßen - zumal die Alpenkonvention laut Staatsregierung erst 1995 und ihre Durchführungsbestimmungen noch sieben Jahre später in Kraft traten. Die ursprüngliche Genehmigung für den Steinbruch stammt aus dem Jahr 1961, als Naturschutzfragen praktisch keine Rolle spielten, die bisher letzte Änderung dieser Genehmigung gab es 1994. Offen bleibt bei all dem, wie die neueren Wege zu den verschiedenen Abbau-Ebenen innerhalb des Steinbruchgeländes definiert sind.

Dagegen geht aus der Antwort der Staatsregierung auf die SPD-Anfrage eindeutig hervor, dass sowohl die untere Naturschutzbehörde am Rosenheimer Landratsamt als auch die höhere bei der Regierung von Oberbayern strikt gegen die beantragte Erweiterung des Steinbruchs sind, weil dieser "wesentliche naturschutzfachliche und -rechtliche Belange" entgegenstünden. Die Entscheidung über die Genehmigung zum Abbau von weiteren rund 9,6 Millionen Tonnen Kalkstein, was die seit dem Jahr 1961 abgebaute Menge mehr als verdoppeln würde, liegt demnach aber ausschließlich beim zuständigen Landratsamt Rosenheim - und dort jedenfalls nicht allein bei der Abteilung Naturschutz.

Dieser Umstand besorgt die Gegner des Steinbruchs, die sich in der unterhalb gelegenen Gemeinde Nußdorf am Inn zur Initiative "Rettet den Heuberg" zusammengeschlossen haben. Denn aus der Sicht der Initiative und vieler Naturschutzverbände war das bisherige Verfahren mit viel zu vielen Mängeln behaftet, darunter einer aus ihrer Sicht fehlerhaften Umweltverträglichkeitsprüfung. So hatte etwa eine am Heuberg heimische Population des Alpenbocks, einer seltenen Käferart, keinerlei Rolle gespielt, weshalb das Verfahren schon einmal in eine neue Runde gehen musste. Obwohl aus Nußdorf und darüber hinaus Hunderte Einwände gegen die Erweiterung vorgebracht worden waren, wollte das Landratsamt mit Verweis auf die Corona-Pandemie zunächst auf den üblichen Termin zur Erörterung dieser Einwände verzichten und bis zur Jahresmitte ein Entscheidung verkünden. Allerdings fehlt dafür auch noch die Stellungnahme des Betreibers zu den vielen Einwänden. Dieser Betreiber ist die Firma Rohrdorfer Zement, die im nahen Rohrdorf ein großes Zementwerk und darüber hinaus rund 140 weitere Standorte vor allem in Deutschland und Österreich betreibt. Rund ein Viertel des Unternehmens gehört dem Branchenriesen Heidelberger Zement.

Inzwischen hat das Landratsamt den Nußdorfern doch einen Erörterungstermin für den Herbst angekündigt. Bei dem werden die Erweiterungsgegner nun wohl auch die Lage des Steinbruchs in Zone C des Alpenplans ins Feld führen. Darüber hinaus fordern sie wegen der aus ihrer Sicht überregionalen Bedeutung des Vorhabens ein neues Raumordnungsverfahren, bei dem dann nicht mehr das Landratsamt Rosenheim die Feder führen würde, sondern die Regierung von Oberbayern.

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SZ vom 30.06.2021
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