Umstrittenes Großprojekt:Eine Hängebrücke spaltet den Frankenwald

Umstrittenes Großprojekt: Von Lichtenberg nach Issigau könnte die Brücke reichen, sie wäre 720 Meter lang.

Von Lichtenberg nach Issigau könnte die Brücke reichen, sie wäre 720 Meter lang.

(Foto: Landratsamt Hof; Simulation)
  • Landrat Oliver Bär möchte eine 720 Meter lange Hängebrücke durch das Höllental bei Lichtenberg bauen, um den Tourismus in der Region anzukurbeln.
  • Kritiker befürchten, dass es zu einem zu großen Ansturm kommen könnte, die Besucher aber nicht lange bleiben.
  • Der CSU-Politiker Bär möchte dies verhindern und für längere Aufenthalte werben.

Von Olaf Przybilla, Lichtenberg

Wer einen Eindruck davon bekommen will, wie blank die Nerven im Höllental in Sachen Hängebrücke liegen, der fragt am besten bei einem Gasthof im Osten des Tals nach. Serviert werden dort frisch zubereitete Klassiker der oberfränkischen Küche, das Haus erfreut sich jetzt bereits einiger Beliebtheit, aber ein bisschen Werbung kann ja nie schaden. Die Seniorchefin aber will nicht nur keine Werbung machen. Sie mag überhaupt nichts mehr sagen, und schon gar nicht zu der geplanten Fußgängerhängebrücke über das Höllental, die angeblich mal die längste der Welt werden soll. "Kein Kommentar dazu, auf Wiederschaun." Ende des Gesprächs.

Allerdings hat sich die Seniorchefin in dieser Angelegenheit schon einmal geäußert. Und zwar in dem Sinne, dass sie den Familienbetrieb kurzerhand zusperren würde, sollte diese Hängebrücke tatsächlich gebaut werden. Aber das würde dann doch voraussichtlich deutlich mehr Gäste bedeuten? Ja, schon. Aber - so durfte man ihre Einlassung wohl verstehen - eben nicht diejenigen, an die man sich im Frankenwald gewöhnt hat, die man mag und für die man gerne so aufwendig und lange kocht, wie es ein frisches fränkisches Gericht nun einmal braucht. Man fürchtet, mit einem Wort: Massentourismus.

Landrat Oliver Bär (CSU) dürfte kaum erwartet haben, dass seine Idee von einer 720-Meter-Hängebrücke ohne Diskussion einfach durchgewinkt wird. Aber ein wenig mehr Euphorie wird er sich schon erhofft haben. Immerhin könnte das Städtchen im Kreis Hof positive Aufmerksamkeit gut brauchen. Lichtenberg, so merkwürdig sich das anhören mag, galt mal als Top-Destination für West-Berliner. Wenn die sich in der BRD unberührte Natur anschauen wollten, dann lag kaum etwas näher als Lichtenberg.

Von der Burgruine oberhalb der Stadt blickt man direkt rüber nach Thüringen, was der Begriff "Grenzregion" bedeutet, sieht man selten so gut wie in dem 1000-Einwohner-Ort. Unterhalb der Altstadt, im Feriendorf mit den zum Boden heruntergezogenen Dächern, kann man zwar heute noch Berliner Dialekt hören. Der aber stammt von jenen, denen es dort so gut gefallen hat, dass sie sich nach dem Fall der Mauer ein Häuschen gekauft haben. Das Freizeitzentrum nebenan, ein Koloss, einst für Tausende Urlauber in die Landschaft betoniert, bröckelt seit Jahren vor sich hin. Urlaub in Lichtenberg? Man kennt den Ort noch, klar. Aber eben kaum als Urlaubsziel, sondern weil dort 2001 ein Mädchen verschwunden ist. Peggy.

Es wird ein Bürgerbegehren gegen die Hängebrücke geben, mindestens eines. In der Gemeinde Issigau, wo die Brücke übers Höllental enden soll, haben sie schon genug Unterschriften zusammen, um demnächst abzustimmen. In Lichtenberg, wo einmal die Eintrittskarten für die Brücke gekauft werden sollen, wird auch gesammelt. Im Herbst könnte dort ebenfalls abgestimmt werden, was Landrat Bär aber die Stimmung nicht verhagelt.

Er werde dafür kämpfen, die "Faszination Frankenwald" einer viel größeren Menge an Menschen zu vermitteln als bislang, sagt er. Es gehe eben nicht nur um eine Brücke, es gehe um die Region: "Wanderdrehkreuz, Grünes Band, Staatsbad Bad Steben", alles in der Umgebung rund ums Höllental, schwärmt Bär. Natürlich wüssten auch heute schon viele Sommerfrischler, wie gut man sich dort erholen könne. Es könnten aber wesentlich mehr sein. Überdies habe der Freistaat Unterstützung für das Zwölf-Millionen-Euro-Projekt zugesichert. Bis zu 80 Prozent sollen übernommen werden.

Die Befürchtung: Zu viele Besucher, die zu kurz bleiben

Dass eine schwingende Brücke Besucher ins Tal locken würde, daran hat Stefan Pfeiffer keinen Zweifel. Starke Zweifel aber hat der Sprecher der Initiative gegen die Brücke daran, ob dem Landrat auch klar ist, wie viele es tatsächlich sein werden. Und ob das Tal das verkraftet. Pfeiffer erinnert an eine ähnliche Brücke im Hunsrück, die nur halb so lang ist wie jene, die in Oberfranken gebaut werden soll. Zehn Jahre haben sie im Hunsrück geplant, für ihre Besucher-Prognosen wurden sie müde belächelt.

Tatsächlich kamen dann mehr Leute, als selbst kühnste Optimisten vorausgesagt hatten. In den drei Jahren seit der Eröffnung wollten 670 000 Menschen einmal übers Tal schwanken, weitere 150 000 kamen nur, um anderen beim Schwanken zuzuschauen. Pfeiffer erlaubt sich angesichts solcher Zahlen an die Verordnung übers Naturschutzgebiet "Höllental" zu erinnern, die 1997 erlassen wurde aufgrund der "herausragenden floristisch-pflanzengeografischen Stellung" des Tals. Deren Paragraf 3 legt fest, dass "die Vielfalt an Pflanzen und Tieren" im Höllental zu erhalten ist - und "Störungen fernzuhalten" sind.

Marcus Kirchhoff ist Ortsbürgermeister von Mörsdorf im Hunsrück, er gilt als einer der geistigen Väter der "Geierlay"-Brücke. Über die, sagt er, würde er am liebsten gar nicht mehr so viel sprechen, weil inzwischen immer mehr Orte auf die Idee kommen, eine freigespannte Brücke könnte ihre Probleme wenn schon nicht lösen, so doch erheblich lindern. Im Harz, in Baden-Württemberg, auf die Schnelle bekommt Kirchhoff sämtliche Hängebrückenprojekte gar nicht zusammen. Alles potenzielle Konkurrenten - und jeder will natürlich die Längste.

Andererseits: Über zu wenig Zuspruch kann sich Mörsdorf nicht beklagen, der Bürgermeister ist da ganz ehrlich. Inzwischen gibt es in dem 600-Seelen-Ort "eine Menge Leute, die gerne wieder ihre Ruhe hätten", sogar eine "Dorfmoderation" musste eingerichtet werden. Die Spaltung im Ort sei leider nicht wegzudiskutieren, sagt der Bürgermeister. Trotzdem würde er alles wieder genauso machen. Weil: Wer kannte zuvor Mörsdorf im Hunsrück?

Stefan Pfeiffer und seine Mitstreiter haben sich Mörsdorf und die Titan-Brücke im Harz genau angeschaut. Für Pfeiffer ist das "Rummeltourismus, ebenso gut könnte man ein Riesenrad im Höllental" aufstellen. Er fürchtet, dass die Leute für ein paar Stunden kommen, ihren Unrat im Tal zurücklassen und wieder fahren. Der Landrat dagegen verspricht, dass genau das verhindert werden soll. Bär will mit gezielten Angeboten dafür sorgen, dass Besucher mehrere Tage in der Region bleiben. Das Konzept trägt den Namen: Brückentage.

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