Umstrittener Nazi-Vergleich:Krieg und Frieden in Coburg

Der Coburger Unternehmer Michael Stoschek fällt einmal mehr über die SPD her und vergleicht die Partei mit den Nazis. Trotzdem geben sich die Lokalpolitiker zurückhaltend - denn der 67-Jährige zeigt sich erstmals reumütig.

Von Olaf Przybilla, Coburg

Worüber Stoschek mit der SPD streitet

Michael Stoschek ist eine der wichtigsten Unternehmerpersönlichkeiten in Bayern. Er ist Vorsitzender der Gesellschafterversammlung von Brose, dem Weltkonzern aus Coburg. Er war mal Präsident der örtlichen Industrie- und Handelskammer, gilt als einer der mächtigsten Firmenlenker in Nordbayern und nebenher als einer der reichsten Männer im Freistaat. Für eines aber ist Stoschek auch bekannt, spätestens seit der Kommunalwahlkampf 2008 ums Oberbürgermeisteramt in Coburg zur Materialschlacht entglitt. Stoschek wollte mit allen Mitteln einen anderen OB als den damals amtierenden SPD-Mann durchsetzen. Er ging dabei keiner Konfrontation aus dem Weg. Tut er bis heute nicht. Stoschek neigt, um es gelinde zu sagen, zu emotionalen Reaktionen.

Seit mehr als zehn Jahren streitet Stoschek mit der Stadt um eine nicht erfolgte Straßenumwidmung. Er wollte 2004 eine Straße nach Max Brose, seinem Großvater, benannt wissen. Die Stadt wollte das nicht, Max Brose war NSDAP-Mitglied. Seitdem liegt der Lenker des Weltkonzerns mit der Stadt über Kreuz, mal im Eskalationsmodus, mal weniger heftig.

Bis vor Kurzem schienen beide Seiten um Abrüstung bemüht zu sein. Stoschek und der neue SPD-OB von Coburg, Norbert Tessmer, kamen zum Friedensgipfel zusammen, im Kern ging es um die Frage, ob eine zehn Jahre währende Stadtfehde womöglich jetzt doch aus der Welt geschafft werden könnte. Und exakt in dem Moment wurde in Coburg bekannt, dass Stoschek einem Leserbriefschreiber, der sich kritisch zu Max Brose geäußert hatte, einen persönlichen Brief hat zukommen lassen. Und die Coburger SPD darin in die Nähe der NSDAP gerückt hat.

Kommt es doch zum Dialog?

Sein Eindruck sei, schreibt Stoschek dem Mann, dass nach Kriegsende zwar das "N" aus der Parteibezeichnung entfernt worden sei, die Coburger Bevölkerung und die örtliche SPD aber viele ideologische Grundsätze "der vorangegangenen Arbeiterpartei" übernommen habe. Vermutlich sei es kein Zufall, folgert Stoschek, dass die Mehrheit der Coburger, die sich zuvor so begeistert nationalsozialistisch engagiert hatte, sich nach Kriegsende "wieder in der SPD gefunden" habe. Die SPD hat ideologische Grundsätze der Nazi-Partei übernommen? Das darf man wohl selbst für Stoscheks Art der Konfliktbereitschaft starken Tobak nennen.

Max Brose

2004 wollte Michael Stoschek eine Straße nach Max Brose, seinem Großvater, benannt wissen. Der Coburger Stadtrat lehnte das mit dem Hinweis auf die Rolle Broses in der NS-Zeit ab. In seinem Buch "Brose. Ein deutsches Familienunternehmen 1908-2008" kommt der Historiker Gregor Schöllgen zum Ergebnis, Brose habe der nationalsozialistischen Ideologie nicht viel abgewinnen können. Er habe aber "die Vorgaben der Machthaber und die Handlungszwänge des Systems in Kauf genommen". Das Unternehmen habe während des Kriegs von staatlichen Aufträgen gelebt und profitiert. Das NSDAP-Mitglied Brose habe die Firma in Zeiten lenken müssen, "in denen Konzessionen an den Zeitgeist in der Konsequenz auf die jedenfalls mittelbare Unterstützung eines totalitären Regimes hinausliefen", so Schöllgen. prz

Das Neue daran ist freilich: Stoschek räumt das inzwischen unumwunden ein - und spielt selbst darauf an, nicht immer dem rationalen Argument den Vorrang zu geben. Die von ihm "gebrauchten Formulierungen bezüglich einer Verbindung zwischen der NSDAP und der SPD" bedauere er sehr. Das sei nur mit einer "emotionalen Reaktion" zu erklären. Er habe seinen Großvater - von besagtem Leserbriefschreiber - mit "nicht berechtigten Vorwürfen" konfrontiert gesehen.

Wie die SPD auf den Brief reagiert

Stoscheks Brief hatte in der SPD für Empörung gesorgt. Allerdings nur intern. Öffentlich halten sich sowohl der örtliche SPD-Chef Stefan Sauerteig als auch Oberbürgermeister Norbert Tessmer zurück. Man möchte "kein Öl ins Feuer gießen", sagt der OB. Schließlich habe er den Auftrag, zum Wohl der Stadt zu wirken. Seine Strategie könnte aufgehen, denn so kurios es klingen mag: Gerade nach dem bisher schwersten Verbalausfall Stoscheks könnten die Zeichen für eine Verständigung besser denn je stehen. Denn der Konzernlenker zeigt plötzlich Demut.

Für soziale Einrichtungen in Coburg könnte eine Annäherung segensreich sein. Sozialen Institutionen, die um Spenden bitten, lässt Brose seit Jahren mitteilen, der Konzern stehe dafür nicht zur Verfügung - solange der Konflikt von 2004 nicht aus der Welt sei.

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