Das Plakat zeigt ein weißes Boot mit der Aufschrift "Arche Deutschland" zu sehen, auf dem sich so viele Menschen drängeln, dass offenkundig die Luft zum Atmen fehlt. Auch Flüchtlinge aus Afrika sind an Bord, sie sehen ein wenig aus, wie der Kleine Maulwurf aus der "Sendung mit der Maus". Überschrieben ist das Plakat mit "Das Boot ist voll". Es war Anfang der neunziger Jahre, als die rechtspopulistischen Republikaner mit einem Comic-Plakat die Angst vor Ausländern schürten.
Ausgerechnet dieses Motiv hat die Piratenpartei im Berchtesgadener Land verwendet, um auf ein durchaus ernstes Problem hinzuweisen: den Umgang der bayerischen Behörden mit Asylbewerbern. Die leben im Freistaat unter durchaus fragwürdigen Bedingungen. Im fränkischen Zirndorf ist das Flüchtlingslager derart überfüllt, dass die Menschen in Zelten hausen müssen.
In seinem Eintrag kritisiert der Berchtesgadener Piratenchef Martin Schön die Bedingungen und fordert die Landesregierung zum Handeln auf. Soweit, so unproblematisch - wäre da nicht das Republikaner-Motiv, das die im Text getätigte Aussage offenbar ironisch zuspitzen sollte. Die Piraten, die immer wieder mit Antisemitismus-Vorwüfen konfrontiert sind, hätten wohl einen monströsen Shitstorm befürchten müssen, wie er sich immer wieder im Netz zusammenbraut.
Doch dieser Shitstorm wurde im Keim erstickt, weil der Landesvorstand der Piraten den Facebook-Post kurzerhand löschen ließ - sehr zum Ärger der Berchtesgadener, die ihrer Wut seitdem im Internet freien Lauf lassen und das Bild prägen: Die Piraten brauchen keinen politischen Gegner um zu streiten.
Mittendrin im Zoff ist der bayerische Piratenchef Stefan Körner. Zu Süddeutsche.de sagt Körner, er habe die Brisanz des umstrittenen Motivs früh erkannt. Darauf habe er den zuständigen Bezirksverband informiert, die Kollegen sollten sich der Sache annehmen.
Doch bevor der Bezirksverband eingreifen konnte, wurde im Online-Piratenwiki ein sogenannter Umlaufbeschluss des Landesvorstands ins Netz gestellt. Darin heißt es, die Verwendung des Republikaner-Plakats würde den Eindruck erwecken, "die Piratenpartei würde sich gegen die Gewährung von Aysl wenden". Daher bestehe die Gefahr, dass die Partei "entgegen klarer Beschlüsse des Bundesparteitags als dem politisch rechten Spektrum zugehörig wahrgenommen wird". Der Plan: Das umstrittene Motiv soll weg. Und wenn der Kreisverband nicht reagiert, dann entert der Landesvorstand die Seite selbst und löscht.
Körner selbst stimmte als einziger im achtköpfigen Landesvorstand gegen den Vorschlag. Nicht, weil er das "zweifelhafte" Plakat toleriere. Aber Körner ist nicht damit einverstanden, dass die Parteioberen einfach die Facebook-Seite eines Kreisverbands entern. Dennoch: Den "virtuellen Hausfriedensbruch" konnte er nicht verhindern.
Da der Berchtesgadener Kreisvorsitzende Schön die Grafik nicht selbst entfernen will, wurde die Grafik am vergangenen Donnerstag von Wolfgang Britzl gelöscht. Britzl hat sich im Frühjahr - erfolglos - als OB von Bad Reichenhall beworben und besaß deshalb noch die Zugangsdaten für das Facebook-Profil. Er loggte sich ein, löschte den Eintrag und fügte als Administratoren der Seite zwei Landesvorstände dazu: Bruno Kramm und Stefan Körner.
Die Piraten im Kreisverband Berchtesgadener Land sind seitdem stinksauer. Von "kurzem Prozess" ist auf der Facebook-Seite die Rede, von "Nötigung" und von "Zensur".
Martin Schön spricht auf Facebook von einem "plumpen Zensurversuch". Und weiter: "Hier entwickeln einige Vorstands-Piraten anscheinend Notstandsgesetze und entlarven Haltungen, die an deren grundsätzlichen piratischen Charakter zweifeln lassen. Wenn wir nach deren Wirken dann bald auch nur noch eine Partei wie die anderen sind, müssen wir eine neue Piratenpartei gründen."
Es ist jedoch nicht das erste Mal, dass die Piraten aus dem Berchtesgadener Land mit eigentümlichen Facebook-Einträgen Aufmerksamkeit erregen. Am 2. Oktober wurde eine Kritik an dem SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück und dessen Bankenpapier veröffentlicht. Das Bild dazu: eine nackte Comic-Frau mit Häschen-Ohren und Häschen-Umrissen auf den Brustwarzen. "In der Politik spricht man nicht von 'Tätern & Opfern', sondern von denjenigen, die es machen und denjenigen, die es mit sich machen lassen."
Kritik an dem Bild kontert Schön folgendermaßen: "Ich weiß nicht, wodurch du da eine Konfrontation mit dem familienpolitischen Grundsatzprogramm siehst, ich darf doch annehmen, dass du den moralinsauren Vorstellungen der fünfziger Jahre entschlüpft bist und dir diese halbnackte Dame nicht gleich alle Sinne nimmt?"
Die beiden Landesvorstände hat er als Administratoren inzwischen wieder gelöscht.