Umstrittene Familienhilfe:Abzocker-Debatte in der CSU

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Und das mitten im Wahlkampf: Der Landtag gerät während der Diskussion um die Beschäftigung von Familienangehörigen in Aufruhr - wegen der Abkassierer-Debatte der CSU. Für Fraktionschef Schmid wird es heikel, weil er seiner Ehefrau als Sekretärin bis zu 5500 Euro zahlte. Horst Seehofer windet sich.

Von Frank Müller und Mike Szymanski

Eine richtig klare Vertrauenserklärung eines Regierungschefs gegenüber seinem Fraktionsvorsitzenden sieht anders aus als das, was Horst Seehofer an diesem Mittwochmittag über Georg Schmid von sich gibt. Gerade ist der Ministerpräsident in den Landtag eingezogen, wie immer schart sich ein Reporterpulk um ihn. Er ist diesmal besonders groß, ein TV-Team von Report Mainz sorgt durch rustikale Umgangsformen für Unruhe. "Sie sind nicht jeden Tag hier, oder?", fragt Seehofer die Reporter. "Weil bei uns gibt's Regeln." Und deren erste sei Disziplin.

Regeln, Disziplin, es gibt gute Gründe dafür, dass Seehofer an diesem Tag solche Begriffe auf den Lippen liegen. Gründe, die eigentlich nichts mit ruppigen journalistischen Praktiken zu tun haben. Regeln, Disziplin - wenn es daran in der CSU-Fraktion nicht gewaltig gefehlt hätte, dann hätte die Partei jetzt nicht mitten im Wahlkampf eine Abzocker-Debatte am Hals.

Spätestens als am Dienstagabend klar wird, dass ausgerechnet der Fraktionschef an der Spitze aller Ehegattenbeschäftiger steht, wird die Lage brenzlig. Vor allem für Schmid selbst. Bis zu 5500 Euro monatlich ließ er seiner Frau aus Steuergeldern für deren Büroarbeit in Schmids Stimmkreis zukommen. Die Zahl hat Schmid inzwischen mehrmals bestätigt, Seehofer müsste dazu eigentlich Position beziehen. Er müsste sagen, ob sie ein Rücktrittsgrund für Schmid ist oder noch tolerabel. Doch Seehofer steht da und windet sich. Er kenne Schmids Zahlungen nur aus den Medien, sagt Seehofer. Fühlt er sich von Schmid hintergegangen? Beide hatten mehrmals seit Ausbruch der Affäre gesprochen, ohne dass Schmid seine Vertragsdetails gebeichtet hätte. "Ich wusste über diesen Sachverhalt von der Höhe her bisher nichts", sagt Seehofer, "ich kann keine Bewertung abgeben, bevor ich nicht mit Beteiligten gesprochen habe." Das Äußerste, wozu Seehofer sich hinreißen lässt, ist der Satz: "Es ist auf jeden Fall keine gute Sache."

Das sehen viele so in der CSU. Für Schmid wird es heikel, das wird klar in den vielen Gesprächen am Rande der Landtagssitzung. Es ist einer der turbulentesten Plenartage seit langem. "Amigos", ruft der SPD-Veteran Peter Paul Gantzer gleich zu Beginn der Sitzung in den Plenarsaal - das ist ein für die CSU bedrohliches Kampfwort. Schmid sieht blass aus, er bemüht sich zwar nach Kräften, den üblichen Gute-Laune-Schwaben zu geben. Doch über allem liegt der Schatten, der ihm nun schon den dritten Geburtstagsempfang verdirbt. Landtagspräsidentin Barbara Stamm gibt einen Stehempfang, davor gab es Partys in der Heimat und einen Empfang der Fraktion im Landtag: Bei dem versammeln sich seine Kollegen um den nun 60-Jährigen, sie haben eine umgedichtete Version der "Schwäb'sche Eisenbahne" einstudiert. "Trula trula trulala", singen sie, "Georg Schmid bleibt Shooting Star, wir, die Freunde, feiern das, öffnen für den Freund ein Fass." So geht es lange, gespenstische Minuten, es ist eine Endlosversion, immer wieder Trulala. Schmid lächelt tapfer.

"So kann man das nicht machen"

Doch auf der anderen Seite werden klare Rechnungen aufgemacht. In der Landtagsverwaltung hat man sich immer schon erzählt, es gebe einen Abgeordneten, der die Schlupflochregeln voll ausnutzt, die der Landtag im Jahr 2000 eigentlich als Übergang beschlossen hatte. Nun spricht viel dafür, dass Schmid dieser Mann ist. Mit vom Landtag zu übernehmenden 5500 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer liegen die Zahlungen an seine Frau nicht sehr weit unter der Obergrenze von 7500 Euro, der maximale Betrag, den der Landtag übernimmt. In der Fraktion wird gefragt, wie man solche Summen eigentlich normalen Sekretärinnen erklären soll. Es wird nachgeforscht, warum die Schmids die Konstruktion wählten, Frau Schmid nicht direkt anzustellen, sondern sie als eigenständige Unternehmerin zu beschäftigen. In den strittigen Gesetzespassagen ist nur von Arbeitsverhältnissen "im arbeitsrechtlichen Sinn" die Rede - ein solches dürfte die Schmid-Regelung gerade nicht sein. Im Gegenteil: Rund um die Uhr habe er seine Frau beschäftigt, hatte Schmid gesagt - in der Fraktion fragen sie nun, ob sie damit scheinselbstständig war. Schmid sagt ein ums andere Mal, alles sei geprüft und rechtens und schaltet schon wieder auf gute Laune um, "an diesem wunderbaren Tag, jedenfalls von der Witterungslage her".

Einige in der Fraktion halten Schmid ein miserables Management der Krise vor. Andere stehen durchaus an seiner Seite, vor allem die, die es satt haben, sich als "Kriminelle vorführen zu lassen", wie es ein Mitglied hinter verschlossenen Türen sagt. 17 Abgeordnete hatten Ehegatten oder Kinder angestellt und sich dabei legal verhalten. Und die Dinge liegen sehr unterschiedlich. Der eine im Vorstand hat seine Sekretärin geheiratet, hätte er ihr kündigen sollen? Die andere Ehefrau, Sekretärin von Beruf, hatte ihren Job aufgegeben, um bei ihrem Mann Eberhard Rotter im Stimmkreis anzufangen. Die Stimmung ist aufgewühlt. Die Art, wie Seehofer das Thema vor Tagen mit der Aufforderung zur Kündigung solcher Jobs beenden wollte, finden viele unsolidarisch. Finanzminister Markus Söder trifft da eher den Nerv, als er die Fraktion zur Geschlossenheit mahnt. Daraus hört mancher schon eine Bewerbungsrede für Schmids Nachfolge heraus.

13 Jahre hatte die Regelung Bestand - im Plenum will die CSU sie nun auf einmal sofort kippen, damit es keine großen Debatten mehr gibt. Das sorgt am Mittwoch für wütenden Streit, für Geschäftsordnungsanträge, Sitzungsunterbrechungen, Sondersitzungen der Fraktionen, gleich zweimal wird der Ältestenrat einberufen. Stundenlang ist der parlamentarische Betrieb lahmgelegt, selbst Seehofer rügt das forsche Vorgehen seiner Fraktion: "So kann man das nicht machen."

Die CSU lenkt ein, so gibt es dann am späten Abend doch noch eine Debatte. Die CSU habe in den letzten Tagen "die Glaubwürdigkeit der Politik zerstört", sagt Grünen-Spitzenkandidatin Margarete Bause. "Da ist er wieder, der unappetitliche CSU-Filz", ergänzt SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Nun will der Landtag bis Mitte Mai ein völliges Beschäftigungsverbot für alle Familienmitglieder von Abgeordneten verabschieden. Anders als die alte Regelung für Verwandte ersten Grades trifft das auch die Opposition: Bei der SPD müssen nun Susann Biedefeld und Maria Noichl Geschwister entlassen, ebenso Thomas Gehring (Grüne). Auch Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger ist betroffen: Er hatte seinen Schwager angestellt.

Plenarsitzung im bayerischen Landtag

Der Gesprächsbedarf war bei der Landtagssitzung groß: Ministerpräsident Seehofer redet hier mit den Fraktionschefs Hacker (FDP, li.) und Schmid (CSU).

(Foto: dpa)
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