Umstrittene Baupläne in Augsburg:Bagger gegen Ameise

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Ausgerechnet das Landesamt für Umwelt will einen Neubau mitten in ein Biotop setzen. Gefährdete Tier- und Pflanzenarten sollen umgesiedelt werden - Umweltschützer sind entsetzt.

Stefan Mayr

Eberhard Pfeuffer ist Vorsitzender des Naturwissenschaftlichen Vereins für Schwaben und arbeitet seit Jahren mit dem Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) zusammen. "Die Kooperation war immer hervorragend", sagt der Arzt im Ruhestand, "eigentlich ist es unglaublich, dass wir hier stehen und einen Konflikt austragen."

Das Landesamt oder die Tiere - eine Partei muss in Augsburg umziehen. Um einen Neubau nicht zu gefährden, tendieren die Beamten zu letzterer Lösung. (Foto: Foto: Reuters)

Pfeuffer versteht die Welt nicht mehr, seitdem er und seine Mitstreiter erfuhren, was das LfU auf seinem Gelände im Augsburger Uni-Viertel vorhat. Die Behörde für Umwelt- und Naturschutz plant einen Erweiterungsbau - mitten in einem Biotop, in dem zahlreiche gefährdete Tier- und Pflanzenarten leben.

Fläche mit Vorbildcharakter

Pfeuffer steht auf einem Feldweg südlich des LfU-Komplexes, plötzlich zeigt er in die Luft: "Schauen Sie, hier jagt ein Turmfalke mitten im Siedlungsgebiet, das dürfte bayernweit einmalig sein." Er lobt das Landesamt für seine bisherige "äußerst positive" Arbeit, denn das etwa 1500 Quadratmeter große Biotop wurde 1999 angelegt, als die Behörde ihren Betrieb aufnahm. "Diese Fläche ist ein Forschungsobjekt und hatte immer Vorbildcharakter", sagt Pfeuffer.

Jahrelang hat das Amt das Biotop gepflegt, "das LfU hat sich dafür gerühmt - und zwar zu Recht", findet Pfeuffer. Ziel sei es gewesen, eine Trockenwiese und eine Heidefläche möglichst naturnah entstehen zu lassen - so wie es sie früher an dieser Stelle gab, als die Schotterebene zwischen Lech und Wertach noch intakt war. Heute sind durch die Besiedelung 95 Prozent der Flächen zerstört. Nur an dieser Stelle ist der Versuch der Renaturierung gelungen. "Die Arten sind zurückgekommen", frohlockt Pfeuffer, zum Beispiel der stark gefährdete Schmetterling Idas-Bläuling und die seltene Ameise fusco-cinerea.

Sumpfgliadole und Kreuz-Enzian

Was für Spaziergänger eine ganz normale Wiese ist, ist nicht nur für Pfeuffer ein Biotop von unschätzbarem Wert. Das LfU kartiert die Flora seit 1999, hier wachsen Pflanzen wie Sumpfgladiole, Klebriger Lein oder Kreuz-Enzian, die auf der Roten Liste der gefährdeten Arten stehen. Doch die zehnjährige Hege und Pflege, so befürchten Naturschützer, könnte umsonst gewesen sein. "Das LfU gibt die Rote Liste heraus - und setzt nun die Arten aufs Spiel", sagt Günther Groß von der Naturschutzallianz Augsburg.

Spätestens 2012 will das LfU seinen Neubau beziehen. Nach den bisherigen Plänen soll das 16,3Millionen Euro teure, dreistöckige Laborgebäude exakt im Biotop errichtet werden. Nach Auskunft des Staatlichen Bauamtes sollen 1250 Quadratmeter überbaut werden. Dazu kommen wohl noch versiegelte Flächen durch Zugänge, Zufahrten und Parkplätze. "Und die Beschattung gibt der Trockenwiese den Rest", sagt Groß.

"Allenfalls eine marginale Verschiebung"

LfU-Präsident Albert Göttle rechtfertigt sich, seine Pläne seien hinsichtlich "Funktionalität, Ökonomie und Naturschutz" intensiv durchleuchtet worden. "Das Ergebnis war, dass eine wesentlich andere Situierung nicht möglich ist, ohne das Projekt zu gefährden." Göttle meint nicht das Biotop-Projekt, sondern die Erweiterung.

Er könne sich "allenfalls eine marginale Verschiebung" des Gebäudes vorstellen. Doch will er den Naturschützern mit Ausgleichsflächen entgegenkommen: "Wir könnten an anderer Stelle ein Biotop in gleicher Qualität und größerem Umfang einrichten, an den Kosten wird es nicht scheitern." Göttle kündigt an, das Material des jetzigen Biotops abzuheben und anderswo anzupflanzen. "Das wird keine zehn Jahre dauern, dann ist das Biotop nicht nur erhalten, sondern veredelt." Im Übrigen wolle er "den Dissens so lange am runden Tisch besprechen, bis alle Beteiligten gemeinsamer Auffassung sind".

"Nicht in Lkws stecken und umziehen"

Pfeuffer hält von diesen Versprechungen nicht viel: "Man kann Ameisen und Schmetterlinge nicht in Lkws stecken und umziehen." Das gelungene Biotop-Projekt des LfU sei ein "Glücksfall", ob dies anderswo ähnlich gelinge, sei fraglich. Überhaupt kann er "einfach nicht verstehen", warum das LfU den Neubau nicht "mit ein bisschen gutem Willen" um einige Meter nach Süden verschiebt. Dort liegt eine Piste des ehemaligen Flughafens brach.

"Diese Fläche ist ohnehin versiegelt, das LfU muss doch in Sachen Flächenverbrauch auch eine Vorbildrolle einnehmen", fordert Pfeuffer. Ein klärendes Gespräch soll noch im Juni stattfinden. "Wenn der Neubau ins Biotop kommt, wäre das ein fatales Signal, dann können wir den Umweltschutz in Bayern vergessen", sagt Pfeuffer. "Was sagen wir dann Bauern oder Unternehmern, die auch ins Biotop bauen wollen?"

© SZ vom 25.06.2009/mikö - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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