Süddeutsche Zeitung

Umstrittene Aussage über Flüchtlinge:Seehofer sucht die schlechte Gesellschaft

  • "Wir sind nicht das Sozialamt für die ganze Welt", erklärte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer in seiner Rede zum politischen Aschermittwoch.
  • Fast wortgleich werben auch AfD und NPD um Wähler.
  • Vor einer Woche war ein Parteifreund Seehofers für einen sehr ähnlichen Ausspruch kritisiert worden.

Von Paul Munzinger

Für seine Verhältnisse hat sich Horst Seehofer auf dem politischen Aschermittwoch eher zahm gegeben. Der CSU-Chef sprach in Passau über ernste Themen, über Griechenland und den islamistischen Terror. Er erklärte Bayern mal wieder zum Paradies auf Erden und gönnte seinen Gegnern noch nicht mal die Ehre einer zünftigen Beleidigung. Doch diesen einen Satz konnte er sich dann doch nicht verkneifen.

"Wir sind nicht das Sozialamt für die ganze Welt", sagte Seehofer. Er spielte damit auf die Flüchtlinge aus Kosovo an, die aus seiner Sicht nach Deutschland kommen, um sich in der sozialen Hängematte auszuruhen. Dieser Satz fliegt ihm nun um die Ohren.

Nicht zum ersten Mal verkündet Seehofer, nicht das "Sozialamt für die Welt" sein zu wollen. Doch seit 2010, als er den unschönen Ausdruck schon einmal in den Mund genommen hatte, ist einiges passiert: Im Jahr 2013 zog die AfD mit dem Slogan "Wir sind nicht das Weltsozialamt" in den Bundestagswahlkampf. Auf Wahlplakaten der rechtsextremen NPD war zu lesen: "Wir sind nicht das Sozialamt der Welt."

Die Frage, die 2013 der AfD gestellt wurde, kann man nun direkt an Seehofer weiterleiten: Wo ist da noch der Unterschied? AfD-Chef Bernd Lucke hatte sie in einem Interview mit der Bild am Sonntag so beantwortet: "Keiner ... Aber wenn der Slogan richtig ist, ist er nun mal richtig."

Seehofer beugt sich dem Druck von rechts

Vor einer Woche hatte Seehofers Parteifreund Christian Bernreiter, Landrat im niederbayerischen Deggendorf, in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk erklärt, Bayern sei nicht "das Sozialamt vom Balkan". Schon da hatte Bildblog darauf hingewiesen, in welche Gesellschaft man sich mit solchen Worten rhetorisch begibt. Seehofer hätte also gewarnt sein können.

Doch offenbar glaubte er, dem Druck der AfD von rechts nachgeben zu müssen. Der politische Aschermittwoch der CSU stand in diesem Jahr ganz im Zeichen von Franz Josef Strauß. Der Übervater der CSU wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden. Seehofer knüpfte nun an dessen Slogan an, wonach rechts von der CSU "nur noch die Wand" sei. "Rechts von uns wird es auf Dauer keine demokratisch legitimierte Partei geben", sagte Seehofer. Kampfansage in Richtung AfD.

Wie dieser Kampf geführt werden dürfte, darauf gibt dieser Satz nun möglicherweise Aufschluss: Nicht durch Abgrenzung, sondern durch Umarmung. Offenbar auch um den Preis, sich die Parolen mit der NPD zu teilen.

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