Eine islamkritische Anzeige in der Passauer Neuen Presse (PNP) hat nicht nur in der Öffentlichkeit zu massiver Kritik geführt, sondern offenbar auch innerhalb des Zeitungshauses. Vor allem der Weg, wie die Annonce ins Blatt gefunden hat, liefert Diskussionsstoff. Angeblich soll die Verlegerfamilie Tucci-Diekmann das Erscheinen persönlich angeordnet haben. "Es nun nach dem öffentlichen Supergau so aussehen zu lassen, als wäre die Anzeige ohne Wissen der höheren Verlagsinstanzen ins Blatt gegangen, ist eine Täuschung der Öffentlichkeit", heißt es in einem der SZ vorliegenden Brief. Das Schreiben ist mit "PNP-Verlagsbelegschaft" gekennzeichnet. Aufgrund seines Inhalts deutet vieles auf Verlagsinsider als Absender hin.
Umstrittene Texte oder Anzeigen werden in der PNP üblicherweise dem Hausjustiziar zur Prüfung vorlegt. So auch hier. Hausjurist ist Marco Tucci, der Ehemann von PNP-Verlegerin Simone Tucci-Diekmann. Normalerweise erfahre Tuccis Frau dann auch von kritischen Fällen, sagt ein Verlagskenner, der mit internen Vorgängen vertraut ist. Ob die Verlegerin konkret von dieser Anzeige wusste, ist nicht bekannt. Weder Tucci-Diekmann noch Tucci waren am Donnerstag erreichbar.
Anzeigenleiter übernimmt komplette Verantwortung
Tuccis Prüfung habe ergeben, dass die Anzeige juristisch nicht zu beanstanden sei. Der Entschluss, ob sie dann veröffentlicht wird, obliege Anzeigenleiter Mario Seewald. Dieser nahm am Donnerstag die komplette Verantwortung auf sich. Er habe die Entscheidung alleine getroffen, ließ Seewald mitteilen. Er habe die politische Brisanz nicht erkannt und sich nichts weiter dabei gedacht. Die islamkritische Anzeige erschien halbseitig in der Wochenendausgabe und dürfte 15 000 Euro gekostet haben. Sie stammte vom Verein "Die Deutschen Konservativen e.V.", der dem rechtsextremen Spektrum nahestehen soll.
PNP-Chefredakteur Ernst Fuchs, der von der Anzeige erst nach deren Veröffentlichung erfahren hatte, distanzierte sich bereits ausdrücklich davon. Den Verfassern des Briefes geht das nicht weit genug: Die gesamte Verlagsbelegschaft sei "tief beschämt über die gewissenlose und journalistisch kompetenzfreie Entscheidung der Verlegerin, die offenbar rein finanziellen Interessen geschuldet" sei. Der Bundestagsabgeordnete Christian Flisek (SPD) schlägt vor, den Erlös der Anzeige als Geste der Distanzierung einer integrationsfördernden Einrichtung zu spenden.