Umstrittene Äußerungen zur Homo-Ehe:Die neue CSU, eine alte Bekannte

CSU, Stammtisch, Isarthor, München

Wie modern darf die CSU sein, wenn sie die Hoheit über die Stammtische behalten will?

(Foto: Stephan Rumpf)

Eine "schrille Minderheit"? CSU-Generalsekretär Dobrindt attackiert Schwule und Lesben - dabei wollte Parteichef Seehofer die Christsozialen doch eigentlich modernisieren. Ein Vergleich von Seehofers Aussagen zur "neuen CSU" mit der aktuellen Realität.

Von Frank Müller und Mike Szymanski

Die "alte CSU" hatte Parteichef Horst Seehofer als eines seiner größten Problemfelder ausgemacht: jene in der Partei immer noch weit verbreitete Denkart also, die die absolute Mehrheit für ein Naturrecht, Koalition für einen Betriebsunfall und Opposition für unnötig hält.

Seit den verheerenden Stimmenverlusten bei der Landtagswahl 2008 verwendete der damals neu gewählte CSU-Chef Seehofer viel Energie darauf, seiner Partei neues Denken und Demut zu verordnen. Und verkündete eine "neue CSU".

Doch nicht nur die aktuellen Äußerungen von Generalsekretär Alexander Dobrindt zur Homo-Ehe werfen die Frage auf, ob alte und neue CSU vielleicht gar nicht so weit auseinander liegen. Sind beide am Ende schlicht dasselbe? Die SZ vergleicht Seehofers neue Töne mit der aktuellen Realität.

"Das Leitbild lautet: Leben und Leben lassen."

(Seehofer im November 2008)

Die Toleranz-Skala der CSU beginnt bei Null, das ist dann der sogenannte Dobrindt-Punkt. Im Streit um die rechtliche Gleichstellung von Homo-Ehen hat der Generalsekretär am Wochenende im Interview mit der Welt anschaulich erklärt, wie die Union aus seiner Sicht funktioniert. "Die Union als Volkspartei hat die Aufgabe, der stillen Mehrheit eine Stimme zu geben gegen eine schrille Minderheit." Schrille Minderheit - das sind in diesem aktuellen Fall die Schwulen und Lesben.

Ganz allgemein steht die Minderheit in Dobrindts Koordinatensystem als Platzhalter für jene, auf deren Kosten die CSU meint, ein paar Prozente bei den Wahlen gewinnen zu können. Bei der schweigenden Mehrheit war die Partei in jedem Fall nie besonders wählerisch, solange sie bei der CSU ihr Kreuzchen macht, weshalb erfahrungsgemäß in Wahljahren früher oder später mit scharf an Ausländerfeindlichkeit grenzenden Parolen Stimmenfang betrieben wird.

Eher halbherzig wirken jedesmal die Versuche von Horst Seehofer, Dobrindts Worte hinterher wieder einzufangen - am Montag spricht Seehofer viel von "Respekt und Achtung" für Homo-Partnerschaften, drei Meter entfernt steht Dobrindt und hört zu. Die Toleranz-Skala verzeichnet nur einen kurzen, kaum wahrnehmbaren Ausschlag nach oben.

"Bayern ist weltoffen"

(Seehofer im Juni 2010)

In Sachen Weltoffenheit schließt die CSU gerade die Pforten, Eintritt hat im Wahljahr offenbar nur noch, wer weiß-blaue Unterwäsche trägt und schwört, alles zu tun, was der CSU jetzt und für immer guttut. Aus einer Abstimmung über die Klage gegen den Länderfinanzausgleich, mit der CSU und FDP erreichen wollen, dass der Freistaat in Zukunft weniger Geld an bettelarme Bundesländer überweisen muss, machte die CSU im Februar sogleich einen Patriotentest im bayerischen Landtag. Wer gegen die Klage ist, muss gegen Bayern sein.

Prompt fanden sich auf Facebook all jene Abgeordnete der Opposition namentlich wieder, die sowohl etwas gegen die Klage wie auch gegen das übertriebene Bayerngehabe haben. Fast zwanghaft bemüht die CSU eine alte Formel wieder: Bayern=CSU und meldet Besitzansprüche an.

Beim politischen Aschermittwoch waren die Wände dieses Jahr mit Postermotiven der schönen bayerischen Landschaft tapeziert, als hätte die CSU die Alpen aufgeschüttet und die Seen geflutet. Die Bayerntümelei kennt einen Gipfel - der erfolglose Ministerpräsident Günther Beckstein hatte ihn im Wahlkampf 2008 erklommen: "Ein anständiger Bayer wählt CSU", sagte er damals. Am Wahltag stürzten er und seine CSU ab.

"Eine quicklebendige Mitmachpartei"

"Wir sind eine quicklebendige Mitmachpartei"

(Seehofer im März 2011)

Der Kalauer, dass sich die CSU vor allem deswegen zu Recht "Mitmachpartei" nennt, weil man in ihr als Mitglied einiges mitmacht, ist fast schon legendär. Doch gemeint haben wollte Seehofer den Begriff etwas anders. Als der Parteichef im Jahr 2010 die "Mitmachpartei" ausrief, war viel die Rede von offenen Diskussionsprozessen, die die CSU einleiten wolle. Also: Verkrustete Strukturen abschaffen, echten innerparteilichen Dialog einführen. Seehofer verpasste der CSU zu diesem Zweck das neue Instrument der Mitgliederbefragung.

Zu den Problemen dieser neuen Offenheit gehört allerdings, dass es in der Partei Menschen gab, die sie ernst nahmen. Als sich etwa der von Seehofer verlangte Schwenk der CSU hin zu einer Abschaffung der Studiengebühren abzeichnete, wollte die JU das Instrument erstmals nützen. Denn der Parteinachwuchs hätte die Gebühren gerne beibehalten.

Dagegen machte Seehofer jedoch im Parteivorstand mobil. "Wir haben jetzt keine Zeit für solche Dinge", sagte der Parteichef. "Da brauchen wir keinen parteiinternen Wahlkampf." Die interne Abstimmung fiel aus. Vermutlich soll der Begriff "Mitmachpartei" doch eher bedeuten, dass die Partei die Schwenks des Chefs eben mitmacht.

"Das ist die neue CSU"

(Seehofer im Dezember 2012)

Steht das C im Parteilogo noch für "christlich"? Oder schon für "cool"? Eine ganze Zeit lang mussten die Trendscouts in Bayerns Städten fürchten, von Alexander Dobrindt links und rechts gleichzeitig überholt zu werden. Seehofer legte den Schlips ab, die CSU schmiss Facebook-Partys und "Lounge in The City" genannte "After Work"-Treffs. Dort stand die mittlere weibliche Führungsschicht vielleicht nicht bei einem "Munich Mule", aber immerhin bei Aperol Sprizz und Hugo beisammen und gab sich großstädtisch.

Inzwischen strömen eher wieder Helles und Weißbier. Und statt auf die "Ladies" setzt man auf die (männlichen) Oldies: Seehofer lässt Edmund Stoiber als Hauptfigur ans Rednerpult und schaltet aus der noch älteren Vergangenheit Franz Josef Strauß via Videowand dazu. Derweil werden die Altvorderen Peter Gauweiler und Wilfried Scharnagl als Sprecher eines neuen Arbeitskreises installiert. Sein Titel: "Bayern zuerst".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: