Umfragetief:14 Prozent in Umfrage: Selbst die CSU hat Mitleid mit der Bayern-SPD

Pressekonferenz SPD

Der Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly

(Foto: dpa)
  • In der jüngsten Umfrage des BR käme die SPD in Bayern nur noch auf 14 Prozent.
  • Selbst die CSU reagiert besorgt auf das Rekordtief der SPD.
  • Prominente Sozialdemokraten verlangen eine klareres Profil in der Sicherheitsdebatte - und der Ruf nach Nürnbergs OB Maly wird lauter.

Von SZ-Autoren

Wenn der politische Gegner Mitleid spendet, ist das meist kein gutes Zeichen für den Zustand einer Partei. Schlimmer wird es nur noch, wenn dieses Mitleid aus ehrlicher Sorge entsteht, wie beim früheren CSU-Chef Erwin Huber mit Blick auf die bayerische SPD. Nur noch 14 Prozent würden die SPD nach einer BR-Umfrage wählen, der schlechteste jemals gemessene Wert. Und das "für eine Volkspartei, die große Verdienste hat - da leide ich direkt mit", sagt Huber: "Wenn die AfD bei zehn Prozent liegt und die SPD bei 14, dann ist das an Dramatik ja gar nicht mehr zu überbieten."

Natürlich spiele "das Wirrwarr in Berlin" mit dem Kanzlerkandidaten eine Rolle, aber die Bayern-SPD habe auch keine profilierten Persönlichkeiten, die diesen Trend umkehren könnten. Aus Hubers Sicht bleiben der SPD bei der Landtagswahl 2018 nur zwei Möglichkeiten: "Entweder sie bringen den Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly dazu, dass er auf Landesebene Verantwortung übernimmt. Oder sie gehen das Wagnis mit Natascha Kohnen ein." Die SPD-Generalsekretärin sagte dazu nur: "Personaldebatten werden die Umfrageergebnisse nicht verändern."

"Es tut weh", sagt Kerstin Pommereit, die SPD-Vorsitzende im fränkischen Altdorf. Und natürlich komme man schwer ins Grübeln ob solcher Werte. "Wir leben in einer total heterogenen, individualisierten Gesellschaft", sagt sie, "offenbar interessieren sich die Leute da kaum noch für Begriffe wie Zusammenhalt." Auch wenn Solidarität womöglich genau das Mittel wäre, um die fortschreitende Individualisierung in den Griff zu bekommen.

Die SPD müsse diese Begriffe aber auch mit Inhalt füllen. "Wir müssen konkret sagen, warum eine Gesellschaft im Großen wie im Kleinen nur solidarisch funktioniert." Dass der SPD grundsätzlich die Klientel abhanden kommt, fürchtet Pommereit nicht. "Es gibt genug Leute, die keine Lobby haben und keine Zeit, sich in großen Interessengemeinschaften zu organisieren." Um die Menschen, "die hart für ein paar Kröten arbeiten, um den Kühlschrank für die Familie voll zu bekommen", müsse sich die SPD kümmern. "Viele von uns sind aus der gehobenen Mittelschicht", sagt Pommereit, "uns geht zunehmend der Kontakt verloren zum Hartz-IV-Empfänger und der Frau, die bei Aldi an der Kasse arbeitet."

Die SPD müsse vielleicht wieder etwas mehr "die Sprache der Straße" sprechen, sagt auch Robert Metzger, Gewerkschafter bei Verdi und SPD-Fraktionsvorsitzender im Rosenheimer Stadtrat. Für seinen Geschmack ist die SPD in der Selbstdarstellung manchmal zu akademisch, statt klar zu sagen, was sie will, wofür sie steht. Diese Werte sind für Metzger keineswegs überholt.

Metzger ist überzeugt, dass die SPD mit der Agenda 2010 viel von ihrer traditionellen Klientel verloren hat. Außerdem sei da noch diese Angst im Zusammenhang mit der Flüchtlingssituation. Auch unter SPD-Mitgliedern gebe es einige, die meinten, im Vergleich womöglich zu kurz zu kommen. Warum sich immerhin 63 Prozent der SPD-Anhänger bei der CSU-geführten Staatsregierung so gut aufgehoben sehen, kann sich Metzger trotzdem nicht recht erklären.

Fürths SPD-OB Thomas Jung ist vor allem "überrascht" über die Zahlen, weil er die Situation aus der Perspektive des "Mikrokosmos Fürth" völlig anders wahrnehme. Niemals in den vergangenen drei Jahrzehnten sind der Fürther SPD mehr Mitglieder beigetreten als 2016. Vor allem junge Menschen sind dort Sozialdemokraten geworden. Was sich die SPD aber eingestehen müsse: "Uns gelingt es, dass man die SPD mit einzelnen bayerischen Kommunen identifiziert, mit München, Nürnberg, Fürth. Aber nicht mit Bayern."

Was Nürnbergs OB Maly zu den Rufen aus der Landespolitik sagt

Einen Ratschlag will Jung den Kollegen im Landtag geben, vor allem als früherer Staatsanwalt. Die Abgeordneten reagierten oft reflexartig ablehnend, wenn es um mehr Sicherheit gehe. "Dabei sind wir Sozialdemokraten doch sonst auch für den starken Staat. Dann muss das auch in Sicherheitsfragen gelten. So genannte einfache Leute wollen nicht nur soziale Sicherheit, sondern auch persönliche Sicherheit. Das ist ein sozialdemokratisches Grundbedürfnis."

Auch der Augsburger Landtagsabgeordnete Harald Güller ist "unzufrieden" mit den Umfragenwerten, will aber nicht der CSU beim "überragenden Thema Zuwanderung" nacheifern. "Die SPD wird niemals auf kurzfristigen Populismus setzen", sagt er. Sie werde bei ihren Kernthemen wie der sozialen Gerechtigkeit weiter argumentieren. Wie sein Fraktionskollege Paul Wengert, ehemaliger OB in Augsburg, erwartet er keine Personaldiskussionen in der Partei. Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt.

Wie es dann im Hinblick auf den Landesparteitag aussehe, müsse man abwarten, so Güller. Wengert sagt dazu: "Es bringt uns nicht nach vorne, wenn wir über Köpfe reden." Er sieht die übermächtige mediale Präsenz der CSU und ihrer Minister als einen Grund dafür, dass die SPD immer weiter absackt in der Wählergunst.

Der Traunsteiner Oberbürgermeister Christian Kegel hofft darauf, dass die SPD durch die Sacharbeit in den Kommunen auch landesweit Vertrauen gewinnt. In vielen Kommunen gebe es Sozialdemokraten, denen die Menschen durchaus etwas zutrauten, offenbar im Gegensatz zur Partei als ganzer, bedauert Kegel. Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität seien heute jedenfalls so wichtig wie eh und je, weshalb Kegel um die SPD auf lange Sicht gar nicht bange ist. Man habe auch auf Bundesebene viel erreicht - zwar weniger für die Partei, aber mehr für die Menschen, und darauf komme es ja an.

Heinrich Trapp, Landrat im niederbayerischen Kreis Dingolfing-Landau, ist zwar enttäuscht über die schlechten Umfragewerte, wirklich überrascht ist er aber nicht. Grund sei vor allem die Flüchtlingsdebatte. "Die Wählerschaft der SPD ist solidarisch und teilt gern, legt aber auch Wert darauf, in Sicherheit zu leben." Der Zuwachs an Flüchtlingen verunsichere viele Menschen. Bei der SPD würden sich viele traditionelle SPD-Wähler mit ihren Bedenken nicht gut aufgehoben fühlen. Berichte von Flüchtlingen, die zum Beispiel falsche Angaben zum Alter und Status machten, um Sozialleistungen zu beziehen, führten zu Unmut.

Die SPD müsse deutlicher machen, dass man zwar helfe, sich aber "nicht auf der Nase herumtanzen lässt". Außerdem solle die SPD wieder stärker Bildungs- und Familienpolitik in den Vordergrund rücken, da sie auf diesem Gebiet in den vergangenen Jahren Impulsgeber gewesen sei.

Nürnbergs SPD-OB Ulrich Maly ist laut Umfrage der Mann, dem die meisten Bayern zutrauen, für die SPD ins Rennen zu gehen. Bei den Nicht-Sozialdemokraten liegt Maly deutlich vor SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher, bei den Genossen klar vor Bayerns SPD-Chef Florian Pronold. "Diese Zahlen ändern meine Betriebstemperatur aber nicht", sagt Maly.

Und sie änderten auch nichts an seiner Haltung: Er werde bei der Landtagswahl nicht als SPD-Kandidat antreten. Für Maly sind die schlechten Werte in Bayern ohnehin "nahezu keine Frage" des politischen Personals, vielmehr entsprächen sie dem Bundestrend. Und der spreche derzeit nicht für die SPD.

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