Umfragen in Bayern:Politische Analyse, ein Kinderspiel

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Da würde sogar Franz Josef Strauß staunen: Die Anzahl der Umfragen nimmt jedes Jahr zu - doch ein Rückblick auf frühere Landtagswahlen zeigt, wie weit die Demoskopen danebenliegen. Manchmal schätzen sogar Grundschulkinder den Ausgang einer Wahl besser ein als Meinungsforscher.

Ulrike Heidenreich

Wer wissen möchte, wer die nächste Wahl gewinnen wird, sollte die Fotos der Kandidaten einfach mal einer Grundschulklasse zeigen. In einem spielerischen Experiment der Universität Lausanne vor einigen Jahren ist dies geschehen. 681 Schweizer Kinder im Alter zwischen fünf und 13 Jahren haben daran teilgenommen, und siehe da: 114 Kandidaten französischer Parlamentswahlen waren den Schülern vorgelegt worden, in sieben von zehn Fällen wählten die Probanden korrekt die tatsächlich siegreichen Politiker.

Wie kommen Ministerpräsident Horst Seehofer (links) und Münchens Oberbürgermeister Christian Ude beim Volk an? Das wird man wohl er nach der Landtagswahl 2013 genau sagen können. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Vorrangig die Ausstrahlung der Bewerber bestimmt die Wahlentscheidung, lautete daher das Fazit der Wirtschaftswissenschaftler aus Lausanne. Die politische Analyse, ein Kinderspiel!

Vor diesem Hintergrund sollte man vielleicht eine Umfrage betrachten, von der sich die CSU momentan in ihrem Traum von einer absoluten Mehrheit beflügelt fühlt. Es war in Kloster Banz Anfang vergangener Woche, als der nicht unbedingt immer glücklich agierende CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt glückselig jene Emnid-Umfrage präsentierten durfte, die seine Partei bei 47 Prozent sieht.

Die Meinungsforscher selbst weisen es ja immer empört von sich, dass ihre Ergebnisse in irgendeinem Zusammenhang mit dem Auftraggeber stehen könnten. In diesem Fall war die CSU selbst der Auftraggeber - aber sei's drum: Die SPD schnitt mit 21 Prozent, die Grünen mit zehn, die Freien Wähler mit neun, die Piraten mit fünf und der Koalitionspartner FDP mit schütteren drei Prozent ab. Jubel, den CSU-Chef Horst Seehofer als "selbstbewusst" bezeichnet, erscholl aus der Fraktionsklausur.

Es ist noch nicht lange her, es war bei einem anderen CSU-Großereignis, da lief alles irgendwie andersrum. Im Januar dieses Jahres, während der Klausurtagung in Wildbad Kreuth, starrten Dobrindt & Co. mit umwölkten Mienen auf ein Umfrageergebnis, das die CSU bei 44 Prozent möglicher Wählerstimmen sah, SPD, Grüne und Freie Wähler zusammen aber ganz dicht mit 43 Prozent dran - das Ergebnis einer Meinungsumfrage von Infratest dimap im Auftrag des Bayerischen Rundfunks. Parallel beutelte eine weitere Umfrage die Politiker in Kreuth: Sie sah die CSU bei 42 Prozent, die Oppositionsparteien zusammen gar auf 43 Prozent - diesmal ein Ergebnis des Instituts GMS Marktforschung im Auftrag von Sat 1.

Dem Vernehmen nach sollen denn auch nicht alle so selbstbewusst gejubelt haben, jetzt im Kloster Banz. Von dem Abgeordneten Albert Füracker heißt es gar, er habe von einem "Schmarrn" gesprochen und ein Gesetz gefordert, wonach jedes Institut nur einmal pro Jahr eine Umfrage machen dürfe. Tatsächlich hat sich allein in den Jahren zwischen 1990 und 2002 die Anzahl der Wahlumfragen verfünffacht. Es sind weniger die Parteien, die bei den Instituten Klarheit fordern, als vielmehr die Medien, die regelmäßig wissen wollen, wer vorne liegt. In den USA heißt das Pferderennen-Journalismus. Dass es da drunter und drüber geht, liegt in der Natur der Sache.

Vor allem vor der Landtagswahl im September 2008, als die CSU nach über 50-jähriger Alleinregierungszeit die absolute Mehrheit verlor, lagen die Umfrageinstitute falsch wie nie. Etwa ein Jahr vor der Wahl, in ähnlichem zeitlichem Abstand wie die jetzige Prognose, prophezeiten die Institute der CSU 58 Prozent (dimap), 54 Prozent (GMS) oder 56 Prozent (Forschungsgruppe Wahlen). Am Wahltag waren es aber nur 43,4 Prozent - denn vorausgegangen war das parteiinterne Personaldebakel samt Stoiber-Dämmerung.

Punktgenauer landeten die Demoskopen vor der Bayern-Wahl im September 2003. Genau ein Jahr vorher lauteten die Prognosen 61 Prozent (dimap) oder 60 Prozent (GMS). Am Wahltag waren genau 60,7 Prozent der Wähler für die CSU. Eine stimmige Prognose also.

Dass man Meinungsumfragen so oder so deuten kann, diesen Aspekt hat die SPD flexibel umgesetzt. Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher äußerte sich "erfreut" über das Emnid-Ergebnis. Denn neben den hohen Zustimmungswerten für die CSU halten darin nur 37 Prozent der Befragten eine Rückkehr der CSU-Alleinregierung für positiv. Rinderspacher süffisant: "Franz Josef Strauß würde staunen, dass die CSU über diese Umfrageergebnisse jubiliert."

© SZ vom 20.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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