Überfall am Tegernsee:Gefangen im eigenen Haus

Überfall am Tegernsee: Die Einbrecher hatten das Haus des Ehepaares genau ausgekundschaftet.

Die Einbrecher hatten das Haus des Ehepaares genau ausgekundschaftet.

(Foto: oh)
  • Ihr Eigentum wurde einem älteren Ehepaar am Tegernsee zum Verhängnis: Zwei Räuber drangen 2014 in das Haus der beiden Opfer ein - und fesselten sie an Stühle.
  • Das Ehepaar musste stundenlang im eigenen Haus ausharren - derweil flüchteten die Täter mit der Beute.
  • Jetzt müssen sich die beiden mutmaßlichen Räuber vor Gericht verantworten.

Von Andreas Salch, Rottach-Egern

Dagmar J. und ihr Mann Heinz hatten keine Chance. Die Einbrecher, die Anfang Januar vergangenen Jahres in ihre Villa in Rottach-Egern eindrangen, hatten ihren Coup von langer Hand geplant. Dagmar J., 75, und ihr 73-jähriger Mann hatten sich gerade die Tagesschau im Fernsehen angesehen.

Gegen 20.15 Uhr lief Dagmar J. in die Küche, um einen Topf mit Rehsoße auf die Terrasse zu stellen. Die Jalousie der Terrassentüre war nicht ganz heruntergelassen. Als sie sie öffnete, kletterten plötzlich der mit einer Sturmhaube maskierte Thomas W., 49, und sein Bruder Ingo, 42, unter der Jalousie hindurch und standen vor ihr.

Die mehrfach vorbestraften Täter überwältigten ihre Opfer sofort, indem sie sie brutal schlugen und traten.

Seit Mittwoch müssen sich Thomas und Ingo W. vor der 1. Schwurgerichtskammer am Landgericht München II verantworten. Die Staatsanwaltschaft legt ihnen unter anderem schweren Raub sowie versuchten Mord zur Last. Außerdem auf der Anklagebank sitzt der 75-jährige Antiquitätenhändler Bernd K., dem Hehlerei vorgeworfen wird.

Neben ihm hat der 56 Jahre alte Ralf K. Platz genommen. Beide Männer stammen ebenso wie Thomas W. und sein Bruder aus Nordrhein-Westfalen. Ralf K., genannt "Kalli", von Beruf Immobilienverkäufer und 17-fach vorbestraft, soll Thomas und Ingo W. zu der spektakulären Tat angestiftet haben.

Wertvolles Diebesgut

Bei dem Einbruch raubten die beiden Brüder Preziosen, die weit mehr als eine Million Euro wert waren. Neben Bargeld, Schmuck und zwölf Uhren im Wert zwischen 3000 und 40.000 Euro sollen die Angeklagten ein erlesenes 25-teiliges Service aus der Porzellan-Manufaktur Meißen aus dem 18. Jahrhundert geraubt haben, das allein mehr als eine Million wert ist.

Der Antiquitätenhändler Bernd K. soll große Teile davon nach dem Einbruch erhalten haben, um sie zu verkaufen.

Was Dagmar J. und ihr Mann Heinz bei der Tat durchmachten, war ein Albtraum. Nachdem Thomas W. und sein Bruder sie in ihre Gewalt gebracht hatten, zogen sie ihnen ihre Rolex-Armbanduhren vom Handgelenk. Dagmar J. wurden zudem die Diamantohrringe aus den Ohrläppchen genommen.

Wie die Täter die Opfer fesselten

Anschließend zwangen die Angeklagten ihre Opfer, sich auf Stühle zu setzen, die mit den Rückenlehnen aneinander standen. Danach banden sie die Handgelenke, Beine und Oberschenkel von Dagmar J. und ihrem Mann mit Kabelbindern, Gürteln und Schals daran fest.

Um sicherzustellen, dass das Paar nicht fliehen konnte, befestigten die Täter die Stühle zusätzlich mit Kabelbinder am Griff der Klotür. Dann besprühten sie das Ehepaar mit einer Flüssigkeit, um etwaige DNA-Spuren zu vernichten, und flüchteten schließlich mit dem Audi S 4 von Dagmar J. Die Beute aus dem Einbruch hatten die Männer in sechs Louis-Vuitton-Taschen aus der Villa verstaut.

Opfer benötigte Herztabletten

Bevor die Brüder W. sich davonmachten, hatte Heinz J. sie inständig angefleht, einen Arzt zu verständigen, da seine Frau dringend Herztabletten benötige. Doch darauf gingen die Täter nicht ein. Bis die gefesselten Senioren von einem Nachbarn gehört und von Polizei und Feuerwehr befreit wurden, vergingen 15 Stunden.

In dieser Zeit konnten Dagmar und Heinz J. weder etwas trinken noch auf die Toilette gehen. Zum Auftakt des Prozess gab lediglich Thomas W. über seinen Verteidiger, Rechtsanwalt Patrick Ottmann, eine Erklärung ab. Darin bekennt er sich weitgehend zu den Vorwürfen aus der Anklage. Von dem schlechten Gesundheitszustand von Dagmar J. will er jedoch nichts bemerkt haben.

Als Motiv für die Tat seines Mandanten nannte der Verteidiger finanzielle Schwierigkeiten. Thomas W.s Freund, Ralf K., soll davon gewusst haben. "Du brauchst Kohle, dann geb' ich dir einen Tipp, wo etwas zu holen ist", soll er zu Thomas W. gesagt haben. Den Ermittlungen zufolge lernte Ralf K. über eine ihm zuvor unbekannte, wohlhabende Frau, die er am Bahnhof in Dortmund angesprochen hatte, einen guten Freund von Heinz J. kennen. Dieser Mann vertraute Ralf K. und erzählte ihm, welche Reichtümer Heinz J. besitzt.

Im September 2013 wurde Ralf K. dann sogar zum 70. Geburtstag des Freundes von Heinz J. in den Golfclub Bad Wiessee eingeladen. Im Vorhinein hatte er dafür gesorgt, dass er am Tisch von Heinz und Dagmar J. sitzt, die ebenfalls auf der Gästeliste standen. Bei dieser Gelegenheit soll er das Paar ausgehorcht haben. Der Prozess dauert an.

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