Süddeutsche Zeitung

Corona-Politik in Bayern:Staatskanzleichef verteidigt Maskenkäufe vor U-Ausschuss

Zu Beginn der Corona-Pandemie kaufte die Staatsregierung Masken, auch auf Vermittlung von Ex-Bundesminister Andreas Scheuer - doch das war ein Flop.

Von Johann Osel

Jetzt kommt also das Kabinett in den Zeugenstand. Der Untersuchungsausschuss Maske ist auf der Zielgeraden, für die abschließenden Vernehmungen sind eine Reihe von Ministerinnen und Ministern geladen - bevor in anderthalb Wochen auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Rede und Antwort stehen soll. Nah dran an Söder ist Florian Herrmann (CSU), der Chef der Staatskanzlei. Mehr als vier Stunden stellte er sich am Montag als eines der ersten Regierungsmitglieder den Fragen der Abgeordneten.

Im Besonderen interessierte das Aufklärungsgremium ein riesiges Geschäft, das der damalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) angeleiert hatte. Am 7. April 2020 war bei strahlend blauem Himmel ein Flieger aus China am Flughafen München gelandet, tonnenweise dringend benötigte Masken im Frachtraum. Doch am Ende war das alles ein ziemlicher Flop.

Herrmann verwies zunächst auf "herausfordernde Zeiten" in den ersten Monaten 2020, "wir standen alle vor einer Aufgabe, auf die niemand vorbereitet war, wir nicht, aber auch weltweit nicht". Es habe "keine Blaupause" gegeben und der akute Mangel an Masken sei durch all die Hilferufe etwa aus Kliniken und Arztpraxen offenbar geworden. Eben deshalb habe man die Einkäufe übernommen, die eigentlich nicht Aufgabe des Staates waren. Die Rettung von Menschenleben sei Verfassungsauftrag - "ich finde, wir waren auch erfolgreich damit". Zertifizierte Schutzausrüstung "in maximaler Qualität, maximaler Anzahl, maximal schnell", darum sei es gegangen.

Erst mal sei man "dankbar für jeden Hinweis" gewesen, um dann "die Spreu vom Weizen zu trennen, qualitativ von, Bairisch gesagt, Glump". Ihm sei von vornherein klar gewesen, dass es Fragen geben werde, "wenn sich der Nebel gelegt hat und Notsituation nicht mehr direkt vor Augen steht": von Staatsanwaltschaften, vom Rechnungshof und einem U-Ausschuss. Dieses "Sezieren" der damaligen Vorgänge sei legitim.

Also zur Großlieferung rund um Scheuer. Im März 2020 kaufte Bayern mehr als zehn Millionen Masken bei einem Passauer Unternehmen. Der Tipp dazu kam eben vom CSU-Bundesminister, der aus Passau stammt und den Unternehmer "sehr flüchtig" kannte, wie er selbst im U-Ausschuss im Oktober aussagte. Anders als etwa bei der Vermittlung von Masken durch Alfred Sauter, Ex-CSU-Minister und mittlerweile fraktionslos im Landtag, ist nach Lage der Dinge keine Provision geflossen. Dafür stellte sich heraus, dass viele Masken nicht den Normen entsprachen; sie wurden gesperrt und sind später, als weniger Mangel herrschte, ersetzt worden. In Erinnerung bleiben vor allem Fotos - von Söder, Scheuer und Herrmann an jenem Apriltag auf dem Rollfeld, wo sie die Fracht aus China PR-tauglich in Empfang nahmen.

Eine "Art Befreiungsschlag" sei die Scheuer-Offerte gewesen, so Herrmann im Ausschuss - um zu zeigen, dass man vorankomme, "nicht nur in Trippelschritten". Ausschusschef Winfried Bausback (CSU) und Stellvertreter Florian Siekmann (Grüne) machten dem Staatskanzleiminister zahlreiche Aktenvorhalte. Etwa einen handschriftlichen Vermerk: Das Gesundheitsministerium und deren Stellen müssten die Passauer Geschäftsleute "sofort" (von Herrmann unterstrichen) kontaktieren - "Eilt" (doppelt unterstrichen). Ähnlich sah es offenbar Söder selbst, von dem es eine mutmaßliche SMS in den Akten des U-Ausschusses gibt; an den damaligen Staatssekretär Gerhard Eck (CSU), der am Montag ebenfalls aussagte. Söder schrieb: "Müsst ihr nehmen, Scheuer muss das garantieren."

Die zügige Lieferung so vieler Masken, sagte Herrmann, schien ihm "ziemlich vielversprechend" - zumal Scheuer den Transport über die Lufthansa zusicherte; keine Selbstverständlichkeit damals bei eingeschränktem Luftraum. Dennoch habe er angeregt, "nicht die Katze im Sack zu kaufen" und eine Gewährleistungsklausel in den Vertrag aufzunehmen - die später tatsächlich griff. Markus Rinderspacher (SPD) warf ein, dass es laut Aktenlage von den fachlichen Stellen "frühzeitig massive Zweifel an der Verkehrsfähigkeit der Produkte gegeben" habe. "Diese Masken haben akut niemandem geholfen." Eben wegen dieses "Feedbacks, dass es nicht glatt durchläuft", habe es die Klausel gegeben, antwortete Herrmann. Das Angebot "schien im Gesamten schlüssig" - und er wollte "in der heißen Phase nicht zum klassischen Bedenkenträger werden". Scheuer sei "immerhin" Bundesverkehrsminister gewesen und das Risiko, "dass das Hokuspokus ist, sehr gering".

"Kein Anlass, von Günstlingswirtschaft oder Bananenstaat auszugehen"

In einem Statement nach Herrmanns Aussage sagte der Grüne Siekmann: Belegt sei nun auf jeden Fall, dass das über Scheuer vermittelte Angebot "in der Staatskanzlei forciert und mit Nachdruck weitergegeben" wurde. Und "offenbar sind in Folge dieses Drucks fachliche Bedenken erst mal ignoriert worden". Dies folge dem Prinzip wie in anderen Fällen, so Siekmann: "Wer den kurzen Draht hatte, konnte sein Angebot auf dem richtigen Schreibtisch platzieren."

Strittig sei, wieso Scheuer ausgerechnet den Deal aus dessen Wahlkreis mit Luftfahrtkapazitäten unterstützt habe. SPD-Mann Rinderspacher sprach von "CSU-Connections" und "Vetternwirtschaft", Gerd Mannes (AfD) erkannte beim Staatskanzleichef "erstaunliche Erinnerungslücken" und "wenig Interesse an Aufklärung". Ausschussvorsitzender Bausback sagte dagegen, der "Beschaffungsdruck" sei in Herrmanns Aussage deutlich geworden, ebenso der Vorteil des Scheuer-Angebots mit dem Lufthansa-Transport. Es gebe "keinen Anlass, von Günstlingswirtschaft oder Bananenstaat auszugehen".

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