Süddeutsche Zeitung

TV-Duell in Bayern:Auf Augenhöhe

Pkw-Maut, G8, Verwandtenaffäre: Im bayerischen TV-Duell liefern sich Ministerpräsident Seehofer und sein SPD-Konkurrent Ude ein scharfes Wortgefecht. Der Herausforderer ist gut - doch ob er mit seinem Auftritt ein Debakel für seine Partei abwenden kann?

Von Frank Müller und Mike Szymanski

Christian Ude ist ein Wipper. Wenn der SPD-Politiker, der in anderthalb Wochen gerne Horst Seehofer und seine CSU an der Spitze des Freistaates ablösen möchte, etwas sagen will, dann lehnt er sich erst leicht zurück und beugt sich dann nach vorne. Er holt gewissermaßen Schwung in diesen Momenten für seine Worte. Und jetzt wippt Christian Ude gerade ganz heftig.

Der bayerische Landtagswahlkampf erreicht an diesem Abend seinen Höhepunkt. Das Bayerische Fernsehen hat Ude und Seehofer am Mittwochabend zum Fernsehduell nach Unterföhring eingeladen. Für Seehofer ist es ein Wahlkampftermin von vielen. Sagt er jedenfalls. Seit Tagen, und wiederum so betont lässig wie er sonst über keinen anderen Wahlkampftermin spricht. Für Ude, den Oberbürgermeister von München, ist dieser Abend eine Chance. "Bisher ist Seehofer ja vor mir geflüchtet", sagte er auf dem Weg zum Studio. "Ich freue mich, dass es endlich zum Duell kommt."

Freude? Die Ausgangslage könnte kaum unterschiedlicher sein: Der eine, Seehofer, kann im Moment vom ganz großen Triumph träumen. Eine Rückkehr zur Alleinregierung scheint möglich zu sein. Der andere, Ude, sieht womöglich ein Debakel auf seine Partei zukommen. 18 Prozent. Immer wieder 18 Prozent. Dort sehen die Umfragen Udes SPD in Bayern.

An diesem Abend jedenfalls lässt sich Christian Ude noch nicht in die Verlierer-Rolle drängen - und erst recht nicht von Horst Seehofer.

Im Losverfahren hat Ude die Eröffnungsfrage gewonnen. Ein Geschenk in jeder Hinsicht, denn BR-Moderator Sigmund Gottlieb kommt noch mal auf die Pkw-Maut zu sprechen. Beim großen TV-Duell mit Angela Merkel am Sonntag hatte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück einen Volltreffer gelandet. Merkel beerdigte vor laufender Kamera Seehofers Lieblingsprojekt, die Maut. Mit ihr nicht. Und jetzt fährt Ude auch noch mal einen Maut-Ertrag für sich ein: Seehofer mache "haltlose Versprechungen", sagt er. Eine Maut nur für Ausländer könne es nicht geben. Damit stellt Ude schon einmal den Grundsound für dieses Rede-Duell ein.

Authentisch bleiben, das haben sich beide Kandidaten vor diesem Treffen vorgenommen. Wenn Seehofer unter Druck gerät, dann versucht er gerne schon mal auszubüchsen. "Ach komm", ist so eine Seehofer-Antwort, mit der er gerne unbequeme Gespräche beendet und dann sagt, dass doch alles so toll sei im Bayern der CSU. Beim Fernsehduell reichen ein paar lockere Sprüche nicht. Ein ums andere Mal zwingt Ude Seehofer in die Defensive. Seehofers Versuch, der Stadt München beim Krippenausbau die "rote Laterne" anzuhängen, misslingt jedenfalls. "Wir haben über 60 Prozent Versorgungsgrad erreicht. Das ist doch ein Witz", sagte Ude. Stattdessen sei Bayern Schlusslicht und Seehofer möge doch nicht seiner eigenen Sozialministerin auf den Leim gehen.

Überhaupt, die Bildungspolitik: Seehofer hat Schwierigkeiten, das freiwillige Flexi-Jahr zu erklären. Das ist die Antwort der CSU auf die Unzufriedenheit der Lehrer, Eltern und Schüler über das Turbo-Gymnasium in acht Jahren. Ein Jahr mehr Zeit für Schüler, die sie brauchen. "Eine Schnapsidee", sagt Ude. "Freiwilliges Durchfallen. Darüber schütteln alle den Kopf."

Ude wirkt konzentrierter, stringenter in seinen Antworten. Während Seehofer das umstrittene Betreuungsgeld verteidigt, und sagt, man wolle Eltern nicht bevormunden, argumentiert Ude: "Für Wahlfreiheit brauchen wir Kita-Angebote und Erzieher." Dafür sei das Geld besser anzulegen. Ude fühlt sich bei der Politik des Freistaats an einen Marathonläufer erinnert, der viel zu spät startet und dann wie wild losrennt. Seehofer sagt: Es komme drauf an, wer zuerst das Ziel erreicht. In solchen Momenten setzt Seehofer auf seinen Witz.

Die Stunde vergeht schnell, auch weil viel Bewegung in der Debatte ist. Ude schlägt sich wacker, besser als viele erwartet haben. Seehofer macht keine großen Fehler, aber so richtig souverän wirkt er nicht. Auch auf sein Schlusswort hat Ude sich gut vorbereitet. Erst kommt er auf die Verwandtenaffäre zu sprechen, bei der vor allem CSU-Abgeordnete unangenehm als Familienbeschäftige aufgefallen waren. Dann sagt er: "Missstände muss man abwählen." Er sagt nicht kann, er sagt muss. "Ich stehe für eine Politik ohne Skandale und Affären. Es ist noch nichts entschieden." Seehofer macht die Merkel: "Ich bewerbe mich um eine Vertragsverlängerung für diese Regierung. Das waren keine schlechten Jahre für Bayern", sagt er.

Ude war gut, Seehofer nicht schlecht - kann ein einstündiger Fernsehauftritt tatsächlich noch die Wende bringen? Eher nicht. Ude und Seehofer hatten draußen vor dem Studio ihre Unterstützer-Lager. Der Parteinachwuchs der SPD hatte vor dem Studio Schilder hochgehalten. "Alles GUDE", stand drauf.

Ude hatte sich gefreut. Er wird in der Schlussphase des Wahlkampfes mehr brauchen als sich selbst.

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SZ vom 05.09.2013/wib
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