Fünf Jahre liegen zwischen diesem Fernsehabend und dem TV-Duell 2018. Damals hatten sich Markus Söder und Ludwig Hartmann zu einer Wanderung verabredet, immerhin einen harmonischen Moment gab es also zwischen CSU und Grünen. Was ist aus der Verabredung geworden? Es ist eine der ersten Fragen, die Söder und Hartmann an diesem Dienstagabend zu hören bekommen. Und ihre Antworten offenbaren, dass zwischen dem Duell 2018 und dem Duell 2023 nicht nur fünf Jahre liegen. Es liegen inzwischen Welten zwischen Schwarz und Grün.
"Ein Versprechen, was wieder gebrochen wurde", sagt Hartmann über die geplante Wanderung, Subtext: typisch Söder. Er sei eben "enttäuscht" gewesen von den Sondierungsgesprächen mit den Grünen nach der Bayern-Wahl 2018, sagt Söder, dieser "missionarische Eifer, anderen zu erklären, was sein muss". Am Ende hat sich Söder dann ja nicht für Hartmann und die Grünen entschieden, sondern für Hubert Aiwanger und die Freien Wähler. Und im Grunde, sagt Söder, sei Aiwanger nun "die ernstere Herausforderung". Auf den müsse er jetzt aufpassen und "wo der hinläuft".
Was am Dienstagabend im Bayerischen Fernsehen stattfindet, läuft unter dem Titel "Die Konfrontation", was schon einiges verrät über das Setting. Früher hieß dieses Format "TV-Duell", aber so richtig gestimmt hat das noch nie. Für Duelle, die den Namen verdienen, war die CSU-Dominanz immer zu groß. Diesmal? Sehen die Umfragen nicht nur einen himmelweiten Abstand zwischen Söders CSU, die sich bei 36 Prozent eingependelt hat, und Hartmanns Grünen, die um 15 Prozent schwanken. Sie sehen nicht mal mehr eine klare Nummer zwei. Hinter der CSU lagen Grüne, Freie Wähler und AfD zuletzt fast gleichauf.
Lange hatte der Bayerische Rundfunk (BR) offengelassen, ob es diesmal überhaupt eine Zweier-Runde gibt. Warum nun doch, und warum Söder gegen Hartmann, CSU gegen Grüne? Eine Antwort bleibt das Moderations-Duo Julia Büchler und Christian Nitsche schuldig. Nun stehen sie jedenfalls da, Söder und Hartmann, im BR-Studio in Nürnberg, Söders Heimatstadt. Ein Heimspiel für den Ministerpräsidenten, wenn man so will, aber die erste Frage gehört Hartmann. Ob er sich denn eine Koalition mit der CSU vorstellen könne?
In der derzeit so hitzigen politischen Stimmung könne Schwarz-Grün "die richtige Antwort sein", um "große Herausforderungen auch gemeinsam zu meistern", sagt Hartmann, was man definitiv als "Ja" verstehen kann. Söder hört sich das an, dann sagt er ziemlich kühl: "Nein, wir wollen kein Schwarz-Grün in Bayern. Und zwar definitiv nicht."
Söder: "Die Grünen wollen das ganze Land bevormunden"
Auch das ist ja anders in diesem TV-Duell 2023. Hatten die Herausforderer früher immerhin eine kleine Hoffnung aufs Mitregieren, hat CSU-Chef Söder eine schwarz-grüne Koalition nun kategorisch ausgeschlossen. Im Wahlkampf macht er kaum anderes, als die Grünen zu piesacken. Schon vor Sendebeginn hat Söder die Fronten noch mal geklärt. In seinem "TV-Tipp" auf X, früher Twitter, schrieb er: "Die Grünen wollen das ganze Land bevormunden. Das nervt viele Bürgerinnen und Bürger." Der Ton für den Fernsehabend war damit gesetzt.
Die Grünen, eine Verbotspartei? Hartmann antwortet mit einer Gegenfrage für Söder: "Ob Sie das selber noch glauben, was Sie da erzählen? Welche Verbote? Welche Umerziehung?" Er verstehe auch nicht, warum Söder den Grünen kein "Bayern-Gen" zugestehe und ihnen unterstelle, nicht regierungsfähig zu sein. Die Bundesregierung, an der die Grünen beteiligt sind, habe "16 Jahre Stillstand" aufgelöst. Energiewende, höherer Mindestlohn, höheres Kindergeld, davon profitiere doch auch Bayern, sagt Ludwig Hartmann.
Markus Söder kontert mit dem von der Bundesregierung vollzogenen Ausstieg aus der Kernenergie, mit der geplanten Absenkung der Verdienstgrenze beim Elterngeld, mit der Migrationspolitik der Ampel, die er für falsch hält. Und wenn die deutsche Wirtschaft "als einziges Land zurückfällt, dann ist diese Krise hausgemacht".
Monatelang hat Söder die Konfrontation großräumig umschifft
Lästereien über die Ampel in Berlin? Immer gerne. Diskussionen mit der heimischen Konkurrenz über Wohnungen und Windräder in Bayern? Lieber nicht. Das war bislang ein Muster in Söders Wahlkampf für die CSU. Und es bleibt auch ein Muster an diesem Fernsehabend. Einen Mehrwert hat das Format trotzdem fürs Publikum. Denn im Wahlkampf hat Söder bisher für sich allein gekämpft, vor allem im Bierzelt, wo er die Bühne exklusiv hat. Niemand widerspricht, niemand nervt, niemand hakt nach. Monatelang ist es Söder gelungen, die Konfrontation großräumig zu umschiffen. Das ist jetzt anders.
Während Söder also bisher nur aus der Deckung auf die Grünen einprügelte, kommt man nun in den seltenen Genuss, ihn im Nahkampf zu erleben. Man bekommt präsentiert: weniger Bierzelt, mehr Staatsmann. Von einer angeblichen grünen "Zwangsveganisierung" ist jedenfalls nicht die Rede. Stattdessen sagt er, dass die Grünen vor allem auf die Stadt fokussiert seien und die Freien Wähler nur aufs Land. Er wolle da "eine Klammer" sein und "ein Schutzversprechen" geben für die Demokratie. Wenn Hartmann dagegen davon spricht, dass für die aufgeladene Stimmung alle verantwortlich seien, die "Stadt und Land gegeneinander ausspielen", kann man davon ausgehen, dass er auch die CSU meint.
Immerhin, beim Thema Migration ist mittlerweile eine Annäherung spürbar zwischen CSU und Grünen, wobei sich da eher Letztere bewegt haben. Im Fernsehduell zeigt sich das besonders in dem Moment, als sich Hartmann den CSU-Slogan "Humanität und Ordnung" zu eigen macht. Clever. "Leistung muss sich lohnen", auch das sagt Hartmann, und auch das kennt man eigentlich eher von den Christsozialen. Na ja, sagt Söder, das Bürgergeld "für viele auch zu öffnen, die neu nach Deutschland gekommen sind", sei in jedem Fall "ein Fehler".
Schule, Energie, Wohnungsbau? Bayern ist überall Spitze!
Die Bundespolitik, sie dominiert auch das TV-Duell im bayerischen Landtagswahlkampf. Erst in der zweiten Hälfte rücken die heimischen Themen in den Fokus. Und natürlich erzählt Söder jetzt, in welchen Bereichen Bayern überall Spitze sei: bei den erneuerbaren Energien, in der Schulpolitik, selbst beim Wohnungsbau stehe der Freistaat besser da als viele dächten. Hartmann? Sieht das naturgemäß anders. "Kein Land war so abhängig von russischem Gas", sagt der grüne Spitzenkandidat. Die CSU habe Bayern in der Energiepolitik in eine Krise "reingetrieben". Beim Wohnungsbau, in der Bildung, ganz generell beim Regieren komme es nicht aufs "Niedermachen" an, sondern aufs "Machen", sagt Hartmann.
Der grüne Herausforderer liefert einen kämpferischen, angriffslustigen Auftritt, vor allem in der ersten Hälfte des Duells macht er einen guten Eindruck. Über die komplette Strecke kommt Söder souveräner rüber, weniger fahrig - und setzt nebenbei Spitzen gegen den Mann, mit dem er weiterregieren möchte, jedenfalls lieber als mit den Grünen. Dass FW-Wirtschaftsminister Aiwanger die bayerischen Klimaziele infrage gestellt hat, kommentiert Söder etwa mit dem Satz, dass da der Umweltminister zuständig sei. Und der kenne sich in der Klimapolitik gut aus, "im Vergleich zu anderen".