Süddeutsche Zeitung

TV-Debatte der kleinen bayerischen Parteien:Ein ungleiches Duo gegen den FDP-Minister

Eine muntere TV-Debatte liefern sich die Spitzenkandidaten der kleinen bayerischen Parteien. Margarete Bause von den Grünen verbündet sich mit Freie-Wähler-Chef Aiwanger gegen FDP-Minister Zeil. Der gibt ganz souverän den Macher - bis eine aktuelle Umfrage hereinplatzt. Am unsouveränsten agiert allerdings der Moderator.

Von Sebastian Gierke

Und dann kommen die Zahlen. Mehr als eine Stunde hatte Martin Zeil, der bayerische Wirtschaftsminister und FDP-Spitzenkandidat den großen Macher gegeben. Beinahe jede seiner Antworten begann mit: "Da waren wir sehr erfolgreich" oder "das haben wir geschafft" oder "das machen wir sehr gut". Zeil und die FDP, Alleskönner, so die Botschaft. Doch unter dem gelben Balken der Partei des Alleskönners steht ganz deutlich: 3.

Während des TV-Dreikampfes der kleinen bayerischen Parteien wird eine aktuelle Umfrage veröffentlich. Danach liegt die CSU zehn Tage vor der Landtagswahl in Bayern weiter deutlich vor der Opposition. Die Christsozialen kommen auf 47 Prozent Zustimmung, ein Wert, der für die absolute Mehrheit reichen würde.

Die SPD konnte allerdings in den vergangenen Tagen ein wenig zulegen. Lagen die Sozialdemokraten bei den letzten Umfragen lediglich bei 18 Prozent, kommen sie jetzt auf 21 Prozent. Allerdings verloren zugleich die Grünen etwas, sie erreichten in der Umfrage elf Prozent. Die Freien Wähler kommen auf sieben Prozent. Und die FDP: auf drei.

Kurzzeitig wirkt Zeil da etwas verunsichert. Mit seiner ruhigen, souveränen und bestimmten Art zu sprechen, mit seinem Idiom, das ihn als Mitglied der oberbayerischen Oberklasse ausweist, mit diesem Zeil-Sound, der irgendwo zwischen Gemütlichkeit und Saturiertheit liegt, hat er die TV-Debatte bis dahin versucht zu kontrollieren.

Der Freistaat ist spitze in so gut wie allen Politikbereichen, das wiederholt Zeil so lange, bis es unfreiwillig komisch wird. Als ihn Moderator Sigmund Gottlieb fragt, was die größten Probleme im Schulbereich in Bayern seien, antwortet Zeil tatsächlich: "Da haben wir große Fortschritte gemacht." Und schiebt schnell hinterher: "Wir haben die Probleme, die uns die CSU-Alleinregierung hinterlassen hat, schon zu einem großen Teil gelöst."

Ein bisschen wirkt Zeil während der Debatte bei all der Selbstbeweihräucherung wie ein Möchtegern-Seehofer. Dabei vergisst er allerdings hin und wieder zu betonen, dass es aus seiner Sicht natürlich vor allem die FDP ist, die in dieser Regierung die Impulse setzt. Einer, der Zeil nicht kennt, hätte ihn über weite Strecken für einen CSUler halten können.

Es ist ein munterer aber immer fairer TV-Streit zwischen Zeil, Margarete Bause, Spitzenkandidatin der Grünen, und Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler. Gestritten wird über den Breitbandausbau, die Steuerpolitik oder die Energiewende.

Immer wieder verbünden sich Bause und Aiwanger gegen Zeil, schwingen drohend den Zeigefinger, reden gleichzeitig auf den so zufrieden wirkenden Wirtschaftsminister ein. Viel zu langsam komme man zum Beispiel beim Ausbau von schnellen Internetleitungen voran. Bayern habe hier Riesen-Aufholbedarf, sagte Bause.

Viel Kreativität braucht Zeil beim Kontern dieser Anwürfe nicht. Er spult einfach immer wieder sein Standardprogramm ab, erläutert, was bereits auf den Weg gebracht wurde und feuert zwischendurch ein paar Spitzen vor allem in Richtung Bause ab.

Doch die hält dagegen. Zusammen mit Aiwanger hält sie dem FDP-Minister ein miserables Management der Energiewende vor. Schwarz-Gelb wolle wohl wieder zurück in die alten Strukturen, mutmaßt Bause. Zeil wirft der Grünen-Politikerin daraufhin "energiepolitische Ahnungslosigkeit" vor.

Bause kann scharfzüngig sein und schlagfertig. In der Diskussion an diesem Abend findet sie allerdings nicht gleich den richtigen Ton. Fast schüchtern wirkt sie zu Beginn, gehemmt. Das liegt auch an Moderator Gottlieb. Der Chefredakteur des Bayerischen Fernsehens hatte am Vorabend beim Duell zwischen CSU-Chef Horst Seehofer und SPD-Herausforderer Christian Ude eine gute Figur gemacht, immer wieder offensiv nachgehakt, aber den Kontrahenten auch Raum zum Diskutieren gelassen. Diesmal agiert er dagegen fast überheblich, als hätte er hier nur noch das Pflichtprogramm zu erledigen.

Beinahe jede Antwort vor allem von Bause und Aiwanger begleitet er mit einem ungeduldigen verbalen Drängeln, mit "Ja", "mhm" oder ähnlichen Füllseln. Er leitet damit immer schon seine nächste Frage ein, signalisiert Ungeduld, so als wäre alles, was gerade gesagt wird, ein alter Hut oder schlicht uninteressant. Außerdem stellt Gottlieb immer wieder Suggestivfragen, diskutiert einige Male sogar mit, nimmt eine inhaltliche Position ein.

Margarete Bause merkt erst nach einer halben Stunde, dass sie auf diese fragwürdige Gesprächsführung offensiv reagieren muss, sie lässt sich einfach nicht mehr unterbrechen.

Einen konzertierten Angriff zusammen mit Aiwanger auf Zeil und die schwarz-gelbe Regierung startet sie dann zum Thema Bildungspolitik. Aiwanger klagt, es gebe zu wenig Lehrer. Bause kritisierte einen zu hohen Druck auf die Schüler.

Doch so einig sich Bause und Aiwanger bei den Attacken auf die Regierung sind, so groß sind die Unterschiede, wenn es um die eigenen Positionen geht. Dabei sollen sie, vor allem wenn es nach der SPD geht, bald zusammen eine Koalition bilden. Das von SPD-Kandidat Christian Ude angestrebte Bündnis aus SPD, Grünen und Freien Wählern liegt zwar mit zusammen 39 Prozent weit hinter der CSU. Trotzdem halten vor allem SPD und Grüne daran fest, in dieser Konstellation den Machtwechsel in Bayern schaffen zu können.

Bei der Debatte wird aber wieder einmal deutlich, wie schwierig es wäre, ein solches Bündnis zu schmieden. Zum Beispiel beim Thema Steuern. Aiwanger lehnt Steuererhöhungen ab, genau wie Zeil. Bause unterstreicht dagegen ihre Forderung nach höheren Steuern für Besserverdiener.

"Finanzpolitischen Blindflug" wirft Zeil daraufhin der für mehr soziale Gerechtigkeit werbenden Bause vor. Die Grünen-Pläne seien nichts anderes als ein Angriff auf Mittelstand und Arbeitsplätze.

Seehofer wird es freuen

So denkt auch Aiwanger. Er sagt es nur nicht ganz so deutlich. Der Landwirt aus Niederbayern, der mit den Freien Wählern bei der Wahl 2008 mit sensationellen 10,2 Prozent drittstärkste Kraft im Bayerischen Landtag wurde, genießt den Auftritt sichtlich. So wie er seine Rolle genießt, die er im Wahlkampf spielt. Er triezt CSU und FDP, geht aber auch SPD und den Grünen auf die Nerven, weil er sich einfach nicht festlegen will auf einen bevorzugten Koalitionspartner. Aiwanger gibt sich nahbar und bodenständig. Er, der auch vor Populismus nicht zurückschreckt, hält sich allerdings während des Dreikampfes auf diesem Gebiet merklich zurück. Aiwanger betont die lokale Verwurzelung der Freien Wähler, schimpft auf die Lobbypolitik der Regierungsparteien, erklärt seine Ziele in einfachen Worten. Und natürlich hält er sich auch jetzt, vor allem zum Ärger von Martin Zeil, alle Optionen offen - auch ein Bündnis mit der CSU.

Das Fazit? Etwas mehr Spontaneität, etwas mehr Angriffslust hätte vor allem dem Auftritt von Margarete Bause gutgetan. Dem von Martin Zeil zur Schau gestellten Selbstbewusstsein konnten auch die drei Prozent nichts anhaben. Und Hubert Aiwanger kommt beim Schlussstatement mit drei Sätzen aus. Typisch Niederbayer. Große Fehler macht keiner, Überraschungen bleiben aus. Ein Dreikampf, bei dem es keinen eindeutigen Sieger gibt. Horst Seehofer wird's freuen. Denn auch wenn er betont, weiter mit der FDP regieren zu wollen. Heimlich plant er schon die Alleinherrschaft.

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