Trump:Seit der US-Wahl treten in Bayern mehr Menschen in Parteien ein

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Der Erfolg von Donald Trump war für Matteo Büttner der Anstoß, selber politisch aktiv zu werden, dagegenzuhalten. Er trat der SPD bei. (Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Vor allem linke Parteien, aber auch die FDP verzeichneten Ende des Jahres Ausschläge nach oben in ihrer Statistik neuer Mitglieder.
  • Beobachter sprechen vom "Trump-Effekt": Angesichts des Wahlsiegs des exzentrischen Milliardärs wollen sich viele Menschen selbst engagieren. Bei der CSU sieht man das eher weniger.
  • Den seit Jahren anhaltenden Mitgliederschwund der traditionellen Volksparteien vermag die US-Wahl dennoch nicht aufzuhalten.

Von Sebastian Jannasch, München

Matteo Büttner war plötzlich hellwach, als er am 9. November nach dem Aufstehen auf sein Handy blickte. "Donald Trump siegt", las der Schüler aus München in der Eilmeldung. "Ich konnte es erst gar nicht glauben, dass dieser Populist wirklich gewählt wurde." Für den 18-jährigen Abiturienten war es der letzte Anstoß, um einen Plan umzusetzen, den er schon länger im Kopf hatte: selbst politisch aktiv werden, dagegenhalten. Noch am selben Tag ging er in die SPD-Zentrale in der Münchner Innenstadt und besorgte sich das Beitrittsformular.

Der Schüler war einer von Hunderten Bayern, die sich nach dem Erfolg des amerikanischen Polit-Provokateurs entschlossen, einer Partei beizutreten. Vor allem linke Parteien, aber auch die FDP verzeichneten Ende des Jahres Ausschläge nach oben in ihrer Statistik neuer Mitglieder, wie die endgültigen Mitgliedschaftszahlen für 2016 zeigen. Den seit Jahren anhaltenden Mitgliederschwund der traditionellen Volksparteien vermochte der exzentrische Milliardär jedoch nicht aufzuhalten.

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Im vergangenen Jahr schlossen sich den bayerischen Sozialdemokraten etwa 1360 neue Mitglieder an. Im November schnellte die Zahl der Neumitglieder von 99 im Vormonat auf 225 hoch. "Wir waren schon ein wenig überrascht über den sprunghaften Anstieg. Bei uns gibt es den Trump-Effekt", sagt Ino Kohlmann, Sprecher der SPD Bayern. Das waren endlich mal gute Nachrichten für die von miesen Umfragewerten gebeutelten Genossen.

"Es reicht nicht, nur auf Facebook und Twitter seine Meinung zu sagen"

SPD-Sprecher Kohlmann ist sich sicher, dass der Aufstieg der Populisten hierzulande und jenseits des Atlantiks viele Menschen mobilisiert. "Ein Neumitglied sagte mir: Es reicht nicht, nur auf Facebook und Twitter seine Meinung zu sagen. Viele vor allem junge Leute haben das Gefühl, man muss jetzt mal anpacken." Mehr als die Hälfte der Neuen, die im November und Dezember hinzukamen, sind unter 35 Jahren.

Einen überdurchschnittlichen Anstieg von Neumitgliedern bemerkte auch die Linke: 118 Anträge auf Mitgliedschaft flatterten beim Landesverband nach der US-Wahl ein; im gesamten Jahr waren es gut 400. Auch hier ist die Mehrheit der Neuen nicht älter als 35 Jahre. Neben Trump macht Max Steininger, Landesgeschäftsführer, das angespannte politische Klima für den Anstieg verantwortlich. "Auffällig viele Neumitglieder gaben 2016 bei ihrem Parteieintritt an, dass sie sich in der Flüchtlingshilfe engagieren oder etwas gegen den grassierenden Rassismus tun wollen."

Auch die Grünen bekamen 2016 Aufwind im Freistaat: 8550 Menschen zählten sie zum Jahresende in ihrer Mitgliederkartei, 200 mehr als noch im Jahr 2015. Aber nicht nur linke Parteien profitierten nach der US-Wahl. Auch bei der FDP sprang die Zahl neuer Mitgliedsanträge in den letzten beiden Monaten des Jahres spürbar nach oben. Die Zahl neuer FDP-Mitglieder verdoppelte sich 2016 im Vergleich zum Vorjahr auf 500; die Mitgliederzahl erhöhte sich auf etwa 5000.

"Außergewöhnliche politische Ereignisse können aufschrecken", sagt der Direktor vom Münchner Centrum für angewandte Politikforschung, Werner Weidenfeld. Hierzulande seien einige alarmiert, dass Trumps ausgrenzende Äußerungen und seine Kritik am Sozialstaat herüberschwappen könnten. "Aus dieser Stimmungslage heraus treten mehr Menschen in eine Partei ein, weil sie verhindern wollen, dass die Entwicklung übergreift."

Für Euphorie gibt es aber bei etablierten Parteien keinen Anlass. Die höheren Neueintritte sieht Weidenfeld als ein "kurzes Aufblitzen" politischer Mobilisierung. Die Gründe für den Niedergang der Parteien bestehen weiter: Auflösung klassischer Arbeiter- und Kirchenmilieus, geringe Bindekraft von Institutionen, langwierige Parteiarbeit und der Eindruck, die Parteien hätten keine Lösung für aktuelle Probleme.

Tatsächlich ist der Blick auf die Gesamtbilanz weniger erfreulich für die Parteien: Weder bei SPD noch bei den Linken konnte die hohe Zahl der Neuen den Rückgang bei den Alten ausgleichen. Unterm Strich steht für die SPD ein Minus von knapp 1600 auf 58 300 Mitglieder; die Linke fiel leicht auf etwa 2460 Mitglieder.

Der allgemeine Abwärtssog betrifft auch die CSU, die im Übrigen keinen Trump-Effekt ausmachte. Die Christsozialen verloren im Jahresvergleich knapp 2000 Mitglieder. Die Eintritte würden zwar die Austritte deutlich übertreffen, wie ein Sprecher betont. Der Nachwuchs reicht aber nicht aus, um den Rückgang durch verstorbene Parteimitglieder aufzuhalten. Insgesamt haben noch gut 142 000 Bayern ein CSU-Parteibuch. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Freien Wählern, deren Mitgliederzahl ebenfalls leicht sank.

Parteienforscher Weidenfeld geht davon aus, dass die Mitgliederbasis der etablierten Parteien weiter abschmelzen wird. Eine Ausnahme seien Gruppierungen wie die AfD, die vor allem gewählt werden, um Frust zu artikulieren. "Eine Trendumkehr kann es nur geben, wenn es den Traditionsparteien wieder gelingt, eine über den Tag hinausgehende Vision zu entwickeln, die die Leute fasziniert."

Neben Grünen und FDP gelang es 2016 nur der AfD, ihre Mitgliederbasis zu erweitern. 1160 Menschen traten der Partei bei, die nun knapp 3700 Mitglieder in ihrer Statistik führt. Der Erfolg rechtspopulistischer Positionen ist wiederum eine Antriebskraft für Neu-SPDler Matteo Büttner. "Wir dürfen es nicht zulassen, dass es wieder Hass und Herabwürdigung zwischen Bevölkerungsgruppen in unserer Gesellschaft gibt", sagt der Schüler, der aus einer deutsch-italienischen Familie stammt. Deshalb engagiert er sich im antifaschistischen Arbeitskreis und demonstriert gegen die Pegida-Umzüge. Auch im bevorstehenden Bundestagswahlkampf will der baldige Politik-Student mitmischen. "An Ständen für unsere Position werben und Plakate kleben, das gehört dazu."

© SZ vom 16.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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