Trotz Freispruch im Wiederaufnahmeverfahren:Gericht sieht Vorwurf der Körperverletzung bestätigt

Prozess Gustl Mollath

Kein Freispruch ohne Wenn und Aber, wie er es sich erhofft hatte. Das Landgericht Regensburg hält Gustl Mollath teilweise für schuldig.

(Foto: dpa)

Nach 15 Verhandlungstagen ist der Prozess gegen den langjährigen Psychiatriepatienten mit einem Freispruch zu Ende gegangen. Allerdings hält das Gericht Gustl Mollath der Körperverletzung für schuldig.

Von Ingrid Fuchs, Regensburg

  • Gustl Mollath wird nach 15 Verhandlungstagen von der 6. Strafkammer am Landgericht Regensburg freigesprochen.
  • Die Vorsitzende Richterin Elke Escher hält den Vorwurf der Körerverletzung allerdings für erwiesen.
  • Nach siebeneinhalb Jahren in der geschlossenen Psychiatrie steht dem 57-Jährigen eine Entschädigung zu.

Freispruch für Gustl Mollath

Nach 15 Verhandlungstagen vor dem Landgericht Regensburg ist Gustl Mollath an diesem Donnerstag freigesprochen worden. Siebeneinhalb Jahre war der 57-Jährige zu Unrecht in geschlossenen Psychiatrien untergebracht, vor gut einem Jahr wurde die Wiederaufnahme des Prozesses veranlasst, seither ist Mollath wieder auf freiem Fuß.

Um kurz nach neun Uhr beginnt die Vorsitzende Richterin Elke Escher, das Urteil zu verlesen: Das alte Urteil vom 8. August 2006 ist durch die Wiederaufnahme nichtig, Gustl Mollath wird freigesprochen. Die Verfahrenskosten für den Prozess müssen von der Staatskasse übernommen werden. Und der Angeklagte ist für den Zeitraum der Unterbringung in der Psychiatrie zu entschädigen. In welcher Höhe, das muss in einem eigenen Verfahren festgelegt werden.

Die Vorgeschichte: Weshalb Mollath vor Gericht stand

Laut Anklage soll der heute 57-Jährige aus Nürnberg in den Jahren 2001 und 2002 seine Frau geschlagen, gebissen, getreten und bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt haben. Zu einem späteren Zeitpunkt habe er sie für anderthalb Stunden eingesperrt. Außerdem wurde ihm vorgeworfen, im Jahr 2005 mehrere Dutzend Autoreifen zerstochen zu haben.

Wegen dieser Vorwürfe war Mollath im Jahr 2006 vom Landgericht Nürnberg-Fürth wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen, zugleich aber wegen attestierter Gemeingefährlichkeit in die forensische Psychiatrie eingewiesen worden. Der Fall wurde damals binnen weniger Stunden abgehandelt und mit einem fehlerhaften Urteil abgeschlossen.

Mollath stritt die Taten stets ab. Der Staatsanwalt hielt ihn hingegen für schuldig - plädierte aber trotzdem auf Freispruch. Weil der Fall zu Gunsten des Angeklagten neu aufgerollt wurde, durfte sich seine Situation mit dem jetzigen Urteil nicht verschlechtern. Mollaths Verteidiger plädierten dagegen auf einen Freispruch ohne Wenn und Aber.

Gericht sieht Vorwürfe in punkto Körperverletzung bestätigt

Die Kammer habe es sich nicht leichtgemacht mit einer Entscheidung, sagt Richterin Escher bei ihrer Urteilsbegründung. Man sei aber davon überzeugt, dass der Angeklagte seine Ehefrau geschlagen, getreten, gewürgt und ihr in den Unterarm gebissen habe. Deshalb halte man die Vorwürfe gegen Mollath in diesem Punkt für erwiesen.

Als Belege nennt die Vorsitzende Richterin die Schilderungen von Mollaths ehemaliger Ehefrau unter anderem gegenüber ihrer Schwägerin, einem Arzt und einer befreundeten Ärztin, die ihr später auch ein Attest über Mollath ausgestellt hatte, das dem Angeklagten eine geistige Krankheit attestierte. Die Art und Weise, wie Mollaths Exfrau diesen Menschen die Übergriffe dargestellt habe, sei schlüssig und nachvollziehbar. Ähnlich sei es mit ihren Aussagen bei polizeilichen Vernehmungen. Das Gericht hält sie insgesamt für glaubwürdig. Einen besonderen Belastungseifer, ihrem Mann etwas anhängen zu wollen, können die Richter nicht erkennen.

Richterin sieht die "Möglichkeit einer Wahnstörung" bei Mollath

Dann kommt Escher in ihrer Urteilsbegründung auf Mollaths Geisteszustand zu sprechen - und wird wieder sehr deutlich. Der Angeklagte habe einen ungewöhnlich hohen Selbstanspruch, beziehungsweise leide an Selbstüberschätzung, sagt die Richterin. Sie beschreibt das Verhalten des Angeklagten in früheren Prozessen, berichtet über die vielen Briefe, die er an bekannte Personen wie den Papst oder den damaligen UN-Generalsekretär geschrieben habe, um auf Missstände hinzuweisen.

Dann schließt sie sich der Einschätzung an, zu der auch der Gerichtsgutachter Norbert Nedopil in dem Prozess gelangt war: Sie sehe die Möglichkeit einer Wahnstörung, auch schon für das Jahr 2001 - als es zu der körperlichen Auseinandersetzung kam. Deshalb sei nicht auszuschließen, dass er zur Tatzeit aus psychischen Gründen schuldunfähig gewesen sei. Mollath sei deshalb nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" - im Zweifel für den Angeklagten - von diesem Tatvorwurf freizusprechen.

Das Ergebnis klingt damit so ähnlich wie 2006: Freispruch wegen Schuldunfähigkeit. Im Unterschied zu damals, kann das Gericht heute aber keine Gemeingefährlichkeit des Angeklagten erkennen. Eine Unterbringung im Maßregelvollzug stehe deshalb keinesfalls zur Debatte.

Gericht hält die anderen Vorwürfe für nicht erwiesen

Die Vorwürfe der Freiheitsberaubung und der Sachbeschädigung sieht die Kammer aber nicht nachgewiesen. Zum Vorfall vom 31. Mai 2002, an jenem Tag soll Mollath seine Frau für anderthalb Stunden festgehalten haben, gebe es erhebliche Unstimmigkeiten in den Aussagen, mangels Nachweisen sei der Angeklagte deshalb aus tatsächlichen Gründen freizusprechen. Auch die Reifenstechereien seien nicht nachweisbar.

Mollath sitzt in der mehr als zwei Stunden dauernden Urteilsbegründung mit versteinerter Miene da und hört der Richterin konzentriert zu. Er hat sich von dem Wiederaufnahmeverfahren eine vollständige Rehabiltiation erhofft. Vergeblich.

Was die Justiz gelernt hat: Konsequenzen aus dem Fall Mollath

Mehr als sieben Jahre zu Unrecht in der forensischen Psychiatrie: Schon bevor die Wiederaufnahme des Prozesses gegen Gustl Mollath angeordnet wurde, sorgte der Fall bundesweit für erhebliches Aufsehen. Er löste eine Debatte über die Unterbringung in psychiatrischen Kliniken aus, die inzwischen auch die Politik zum Handeln bewegt hat. So hat der bayerische Justizminister Winfried Bausback Mitte Juni einen Gesetzentwurf zur Reform des Paragrafen 63 des Strafgesetzbuchs vorgestellt, dadurch soll die Unterbringung im Maßregelvollzug erschwert werden.

Denn viele Kritiker des Gesetzes glauben, dass Mollath kein Einzelfall ist. Ein Beispiel dürfte die Sozialpädagogin Ilona H. sein. Die Frau ist seit November 2007 in der Forensik im oberbayerischen Taufkirchen an der Vils untergebracht. Sie soll eine andere Frau mit einem Einkaufswagen attackiert haben. Bundesweit bekannt wurde der Fall, weil die 58-Jährige für mehr als 20 Stunden am Bett fixiert wurde - und weil sie in der Sängerin Nina Hagen eine bekannte Unterstützerin gefunden hat. Ilona H. soll wohl an diesem Donnerstag freikommen.

Linktipps

Die einzelnen Berichte zu den bisherigen Prozesstagen:

  • Staatsanwalt hält Mollath für schuldig - Tag 15
  • Mollath-Verteidiger müssen bleiben - Tag 14
  • "Eine psychische Störung ist nicht nachweisbar" - Tag 13
  • Zwei Gutachter, zwei Meinungen - Tag 12
  • Angeklagter will Ankläger sein - Tag 11
  • Gutachter sieht keinen Beweis für Misshandlungen - Tag 10
  • Richter Ahnungslos - Tag 9
  • Gutachter verteidigt Einschätzung von Mollath - Tag 8
  • Polizist hält Mollath für den Täter - Tag 7
  • "Dem schaut der Wahnsinn aus den Augen" - Tag 6
  • Urteil "eilig diktiert" - wegen Urlaubsplänen - Tag 5
  • Ärztin glaubte an psychische Störung - ohne Untersuchung -Tag 4
  • Peinliche Befragung für Arzt im Zeugenstand - Tag 3
  • Polizisten berichten von Prügelvorwürfen - Tag 2
  • "Moralisch ist das nicht in Ordnung" - Tag 1

Wichtige Dokumente und Hintergrundartikel:

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: