Süddeutsche Zeitung

Trennung der Biermösl Blosn:Der anarchische Kern

35 Jahre lang hat die Biermösl Blosn durchgehalten, hat mit hinterkünftiger List gegen die Obrigkeit angesungen und ganz nebenbei die Volksmusik repolitisiert. Im kommenden Jahr wird sich die bayerische Kultband auflösen - und doch wird man auch in Zukunft noch eine Menge von den Well-Buben hören.

Michael Frank

"Wir haben von Anfang an gestritten, wir sind doch eine Familie!" Als Hans Well das sagt, huscht über sein Gesicht dieses hintergründige Lächeln, als führe er noch was im Schilde. Von Anfang an, das heißt immerhin 35 Jahre, die die Well-Brüder als Biermösl Blosn durchgehalten haben.

"Das macht Reibungshitze, die wir auch gebraucht haben. Man darf nur nicht voneinander annehmen, man streitet, weil man ein böser Mensch ist." Christoph Well, der Jüngste der Brüder, sagt das mit diesem bestechenden Bubenlachen, dem noch niemand hat widerstehen können.

"Wir haben gestritten, obwohl wir eigentlich nie wollten, aber es war auch hilfreich." Als er das sagt, lächelt Michael Well, der dritte, der mittlere der Brüder, dieses feine, leicht skeptische Lächeln, das ihn schon immer zur Sphinx der drei Well-Brüder gemacht hat.

Wo andere in der berauschenden, aber auch bedrohlichen Konfrontation mit den Launen des Publikums nach kurzer Zeit scheitern, kommt den Dreien von der Biermösl Blosn das Ende ihrer gemeinsamen Auftritte nach so langer Zeit fast immer noch wie Verrat an denen vor, für die sie mit Leidenschaft, Spott, hinterkünftiger List musiziert haben.

Gewiss, auch wenn der Schuhplattler der Mannsbilder zwischen 50 und 60 vielleicht nicht mehr so juchzig ausfällt, als zu jener Zeit, da sie ganz frische Burschen waren - so viel konstruktiver Streit hat diese außergewöhnliche Formation der Volksmusik, der Volkskunst, des Volkswitzes frisch erhalten. Es ist das, was Stofferl, der jüngste und virtuoseste Instrumentalist der drei Musiker, so sagt: "Das ist nicht einstudiert, das ist echt, das sind wir, und das merken die Leute."

Diese Frische, diese Natürlichkeit, warum hört man dann auf? Micherl, der Mittlere, der Organisator, die strukturierende Seele der chaosgeneigten Truppe, sagt: "Wir haben das Gefühl, dass dieses Gemeinsame nicht mehr wirklich funktioniert, das unsere Arbeit verbunden hat, auch wenn jeder seine sehr eigene Rolle hatte."

Dass es wirklich ernst ist mit der Trennung, die sich im Hintergrund schon lange angekündigt hat, verrät der künftige Umgang mit dem eignen Oeuvre. Hans hat zu den weitaus meisten Songs den Text gemacht. Michael und Christoph werden künftig in eigenen Programmen keines dieser gemeinsamen Lieder mehr singen. Hans wird künftig auf Lieder verzichten, die Stofferl komponiert hat. Und ebenso auf Micherls Organisationskunst.

Tibor Elas, ein slowenischer Großmeister der Volkskunst, hat gesagt: "Ihr Deutschen seid ehrlich. Ihr sagt: Wir pflegen die Volksmusik. Wen pflegt man? Einen Schwerkranken!" So ist es gewesen, als die Biermösl Blosn 1976 irgendwo zwischen Oberbayern und Schwaben auftauchte, bis sie mit der fabelhaften Umdeutung der Bayernhymne "Gott mit Dir, Du Land der BayWa" schlagartig berühmt wurde, dafür aber dem Fluch des Bayerischen Rundfunks und erst recht der CSU anheimfiel.

Was für ein Glück. Denn die Blosn hatte seither in der bayerischen Staatspartei ihren Idealgegner, an dem sie nur wachsen, an Witz und Weisheit und Radikalität zulegen konnte. So sehr freilich, dass Hermann Unterstöger, der profunde Volkstumsdeuter, erst jüngst in der Süddeutschen Zeitung vermerkte, dass die Drei der Überzeugung seien, "wo Staat drauf steht, ist immer CSU drin".

Dieses Feindbilderrepertoire, in dem die CSU stellvertretend für das Reaktionäre und die verlogene Seite von Tradition stand, hat weit getragen, ist aber auch Kern des Zerwürfnisses: Die Welt und - wie überraschend - auch die CSU hat sich geändert, ist nicht mehr nur die reine Bierdimpfl- und Spezl-Partei.

Und an der Neudeutung des eigenen kritischen Ansatzes haben sich die drei Geister selbst geschieden: Was sollen wir Lieder, die stimmen und wunderbar ankommen, aufgeben, war die fröhliche, die musikantische Position. Wir müssen uns entwickeln, erneuern, müssen die Widerhaken im satten Maul der Zeit bleiben, die andere, die intellektuelle Position. Hans ist gegen die Trennung, obwohl er schon vor Jahr und Tag einmal aufhören wollte. Er hält das für ein Unglück. Michael und Christoph halten das Ende für schmerzlich, aber unausweichlich.

Immerhin haben die Drei Geschichte gemacht. Als die Biermösln - nennen wir sie vereinfachend so - musikalisch zu spotten begannen, war Volksmusik eigentlich am Ende: Sie fristete etwa beim berühmten Fanderl Wastl ihr Dasein als musealer Idealzustand, als aseptisches, volksseliges Es-war-einmal.

Die Biermösln haben die Volksmusik wieder in ihr Recht gesetzt, haben sie repolitisiert, was sie - bei all ihren rührseligen und süßen Einsprengseln - früher immer gewesen ist. Allzumal bayerische Volksmusik, die immer auch auf Wilderer- und Räuberlob aus war, wurde im traumseligen Scheinideal von Magd und Knecht und Hoagascht und Vesperläuten blass und bedeutungslos. "Hoffnungslos verlogen", sagt Hans Well, "wenn eine hehre Bauernwelt besungen wurde, während die Atomkraftwerke längst hinterm Hof standen".

Die Biermösln griffen die alte widerborstige Tradition neu auf, gaben dem Volkston seinen antiklerikalen, obrigkeitsfeindlichen, aufrührerischen, anarchistischen Kern zurück. Dessentwegen wurden sie von Dogmatikern als Leute geschmäht, die mit ihrer "Politik" der Volksmusik Schande machten.

Der Kraudn Sepp, ein alter, furchtloser Volkssänger aus dem Isarwinkel, war gleichsam Leitstern. Das war ein unerbittlicher Sänger von Hoffart und Hochmut der Mächtigen, mit dem Witz und der entwaffnenden List der Schwachen. In diese tonale Kerbe sangen sie fortan. Übrigens im Gleichklang zum Zug der Zeit auch in anderen Ländern. Ohne es recht zu ahnen, waren die Wellbrüder der eigentümlich süddeutsche Ausdruck des wiedererstarkenden altneuen politischen Bewusstseins der Volkskunst vieler europäischer Regionen.

Auch Haindling, Goisern, Attwenger und andere Berühmtheiten des kecken, scheinbar unerzogenen Musizierens und Singens sind letztlich Profiteure der Biermösl Blosn: Sie hat Fesseln gravitätischer, nach Reinheitsgeboten verfahrender Konvention gesprengt und allen satirisch und musikalisch den Zutritt zur kraftvollen Ironie des Volkswitzes wiedereröffnet.

Und die Familie? Die drei Herren, die so frisch wie Burschen wirken, denen man das wahre Alter kaum glaubt, haben in diesem Großverband - sie sind zusammen 15 Geschwister - vieles abfedern können. Die Familie war aber auch Quell klassischer Konflikte. Wenn der "Große" immer der klügere ist und der ungestüme "Kleine" auf Tournee immer zu schnell fährt - da drückt sich mehr an Dynamik aus der Blutsverwandtschaft aus, als manchem lieb ist.

Was Michael, dem als Mittlerem die Rolle des Puffers zufiel, buchstäblich auf den Magen schlug. Die Familie als Stütze und Last - dass die Biermösl Blosn doch so lange durchgehalten hat, ist ein großes Glück. Es hätte anders kommen können: Hans sagt, der Vater habe die musizierende Großfamilie vor einem Fernsehschicksal in Talkshows und Spielabenden bewahrt, wo man sie gern als bajuwarische Kelly Family verwurstet hätte. Es gab auch zu Hause heftigen Widerstand dagegen, dass die Biermösln plötzlich eine eigene Rolle zu spielen begannen, aus der heiligen Großfamilie ausbrachen.

Die Zukunft? Mit einer Wittenbrink-Produktion der Münchner Kammerspiele wollen Christoph und Michael nebst Clan-Mutter Well und Wellküren, die ja die Schwestern der Biermösln sind, eine "musikalische Familienaufstellung" wagen, wie Stofferl es ironisch nennt. Man wird Abende mit bewährten Mitstreitern wie dem unentbehrlichen Gerhard Polt machen; der einstige philharmonische Trompeter Christoph wird auch Klassik pflegen; der intellektuelle Geist und kabarettistische Feuerkopf Hans wird mit zwei jungen Mitstreitern ohne Familienbande die politischen Distelfelder neu ausjäten.

Die Biermösl Blosn beendet ihr Spiel auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs. Eines Erfolgs, der so auch mit dem unnachahmlichen Gerhard Polt zu tun hat, dessen anfeuernde Korrespondenz auf der Bühne nicht hoch genug zu schätzen ist. Eines jedenfalls steht fest: Das Biermoos, von dem sie ihren Namen haben, wird nicht austrocknen; aber einen späteren Aufguss dieser einmaligen Formation wird keiner von ihnen angehen. Schon aus Respekt vor dem eigenen, hochemanzipierten Publikum.

Denn keiner soll glauben, dass alle, die den Wellbuam zugejubelt haben, immer auch deren Meinungen geteilt hätten. Und doch haben auch die Gesinnungsdissidenten die Biermösl Blosn geliebt.

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SZ vom 27.08.2011/tob
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