Ernst Hinsken, CSU-Bundestagsabgeordneter und Tourismusbeauftragter der Bundesregierung, badet vor dem Straubinger Rathaus in der Menge. Er grüßt hierhin und dorthin, er gestikuliert, er spricht in jedes Mikrophon, er genießt diesen Tag, an dem er die deutsche Bundeskanzlerin und den französischen Präsidenten nach Straubing geholt hat, sichtlich in vollen Zügen.
Und doch musste er einige Stunden vorher einmal mehr knallhart erleben, dass Freude und Schmach im Leben oft eng beieinander liegen. Sein Coup mit Angela Merkel und Nicolas Sarkozy rief nämlich in Straubing nicht nur Jubler und Begeisterte auf den Plan. Das 9.Treffen des Deutsch-Französischen Ministerrats lockte zwar viele Schaulustige auf den Stadtplatz, war aber auch begleitet von Protesten und Demonstrationen.
"Da wird doch gelogen, dass sich die Balken biegen"
Auf der großen Straubinger Festwiese, die den alten Namen "Am Hagen" trägt und Schauplatz des Gäubodenfests ist, kreuzten schon in der Früh, Stunden bevor der Tross von Merkel und Sarkozy auftauchte, Bauern mit schweren Traktoren auf. Sie hatten keineswegs nur freundliche Worte für die berühmten Gäste übrig.
Die Bauern sowie Mitarbeiter der vor kurzem insolvent gewordenen Unternehmensgruppe Campa machten die Krise der heimischen Biokraftstoffbranche zum Thema. Durch die von der Bundesregierung beschlossene Besteuerung sei Biodiesel nicht mehr wettbewerbsfähig, schimpften die Protestierer und zwangen damit auch den Abgeordneten Hinsken ans Mikrophon.
Der erntete aber nur Pfiffe, indem er erklärte, er sei immer schon gegen die Besteuerung gewesen, aber die CSU habe sich in der Koalition nicht durchsetzen können und deshalb habe auch er im Bundestag für die Besteuerung gestimmt. Die Bauern reagierten empört: "Da wird doch gelogen, dass sich die Balken biegen."
Hinsken wird froh gewesen sein, als die Staatsgäste mitsamt dem riesigen Begleittross und dem bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein endlich eintrafen und sie sich alle mitsamt der Stadt Straubing im angenehmsten Licht präsentieren konnten. Vermutlich war es nicht der allergrößte Tag in der Geschichte der Gäubodenmetropole, aber geschichtsträchtig war er allemal.
Die wichtigste Stadt Deutschlands
"Dieses Treffen hat für die Stadt historische Bedeutung", sagte zumindest Bürgermeister Markus Pannermayr. Immerhin fand das seit 2003 jährlich zweimal anberaumte Treffen des Deutsch-Französischen Ministerrats erstmals außerhalb der Hauptstädte Berlin und Paris statt. Dieser Ehre waren sich die Straubinger durchaus bewusst, zumal da ihnen ja die Bild-Zeitung erklärt hatte, sie seien in dieser Woche die wichtigste Stadt Deutschlands.
In der altehrwürdigen Gaststätte "Zum Geiss" sorgte diese Ehre für bleiche Gesichter. Die ganze Nacht hatten die 35 Angestellten durchgearbeitet, damit sie die Staatsgäste ein ehrenvolles Mahl reichen konnten. Seit 1462 besteht das Wirtshaus, aber Staatsgäste wurden dort noch nie bekocht.
"Dafür sind wir morgen urlaubsreif", sagte der Chef Selahattin Dilber, der am Eingang extra zwei Solnhofer Platten angebracht hatte, wo sich Angela Merkel und Nicolas Sarkozy mit ihrer Unterschrift verewigten. Mancher Straubinger verübelte dem Küchenchef allerdings, dass er zwar die Bayernfahne hinausgehängt, aber Tafelspitzsülzchen und Blätterteigtürmchen serviert habe.
Carla Bruni hätten sie schon gerne gesehen
Hierzulande heißt das Sulz, schrieb eine Leserbriefschreiberin im Straubinger Tagblatt. Das bestätigten auch die Männer am Stammtisch im Wirtshaus Zum Goldenen Löwen, die darüber hinaus auch kein gutes Haar am französischen Präsidenten ließen.
"Bei der nächsten Wahl ist der weg", hieß es dort einstimmig über Sarkozy, den sie nur Bruni-Mo nannten. Seien Frau, die Carla Bruni, hätten sie dagegen schon gerne in Straubing gesehen. Auch wenn sie unverkennbar eine Ähnlichkeit mit der Agnes Bernauer habe, wie ein Stammgast anmerkte. "Vielleicht ist es besser, dass sie zuhause geblieben ist", lautete das Resümee. Am Ende hätte sie noch das Schicksal der Bernauerin ereilt, die vor Jahr und Tag in Straubing mit allerlei Viechern in einen Sack eingenäht und in der Donau ertränkt worden sei.
Die Bayern diesmal nicht gefragt
Umso mehr bejubelten die Straubinger Bundeskanzlerin Angela Merkel, als sie am frühen Nachmittag nach dem Festakt zum 20-jährigen Bestehen des deutsch-französischen Sicherheitsrats leutselig durch die Menge schritt. Die noblen blau-roten Gewänder des Trachtenvereins Immergrün Straubing taten es ihr besonders an, sie unterhielt sich angeregt mit den Trachtlern und reichte vielen Straubingern die Hand, bevor sie sich mit dem französischen Präsidenten ins Goldene Buch eintrug und mit den Ministern im Rathaus verschwand, wo sie Fragen der Sicherheits- und Umweltpolitik erörterten.
Der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein war da schon nicht mehr dabei. Bei den bilateralen Gesprächen waren die Bayern diesmal nicht gefragt. Sie konnten ihre ganze Kraft darauf verwenden, in der Koalition in Berlin wider den Stachel zu löcken.