Süddeutsche Zeitung

Treffen des Partei-Vorstands:Alles super bei der CSU, findet die CSU

Die Schlappe bei der Europawahl bescherte CSU-Chef Seehofer unangenehme Wochen. Der anhaltenden Kritik an seinem Führungsstil musste er nun auf einer Krisenklausur begegnen. Doch am Ende demonstriert die Partei Geschlossenheit - und hält durch, was vorab als Parole ausgegeben worden war.

Von Frank Müller

"Geschlossenheit" und "Harmonie" waren in der CSU in den vergangenen Wochen nicht gerade die am häufigsten verwendeten Begriffe. Das änderte sich spürbar, als es am Samstag nach manchem Streit schließlich zur lang erwarteten Krisenklausur der CSU kam. Stundenlang debattierte der Vorstand in der Parteizentrale in der Nymphenburger Straße, Stunde um Stunde musste die Abschluss-Pressekonferenz von Parteichef Horst Seehofer verschoben werden. Und während oben auch nach 18 Uhr noch getagt wird, verlassen diejenigen Parteigrößen mit Anschlussterminen schon das Gelände. "Geschlossenheit", meint Ilse Aigner. "Konstruktiv", findet Staatskanzleichefin Christine Haderthauer. "Teambuilding gelungen", sagt Finanzminister Markus Söder. Alles super.

Es gibt unerwartet viel Gesprächsbedarf, es dauert bis nach 20 Uhr, bis Seehofer vor Journalisten seine Bilanz zieht. "Nicht immer erfreulich" seien die letzten Wochen gewesen. "Ich denke, dass sich vieles heute geglättet hat." Das hat auch damit zu tun, dass er neue Töne anschlägt. Er reagiert auf Kritik an seinem oft als autoritär verstandenen Führungsstil und sagt Sätze, die man so noch nicht gehört hat. "Reden verbindet und reden stärkt", sagt er. "Wenn Sie so wollen, hat sich dann auch bei mir etwas verändert." Bisher sei es seine Aufgabe gewesen, die Existenz der Partei zu sichern, "in der ersten Halbzeit" seiner Amtszeit, wie Seehofer sagt. Nun gehe es um eine neue "Mission": den harmonischen Übergang der Macht auf die nächste Generation zu bewerkstelligen. "Ich hab deutlich mehr Zeit für den Dialog."

Für Seehofer waren es unangenehme Wochen seit dem Absturz der CSU auf nur noch gut 40 Prozent bei der Europawahl Ende Mai. Nicht ablassende Kritik über die Wahlschlappe und den Führungsstil des Parteichefs ließ diesen nicht kalt. Seehofer ist seitdem angespannt, mehr, als er es vielleicht müsste. Denn der CSU-Chef ist zwar einerseits weitgehend unangefochten. Andererseits war er hochgradig verärgert über die Kritik der Parteifreunde, vor allem über die Anmerkungen, die er als ungerecht empfindet. Und er war entschlossen, sich vieles nicht länger bieten zu lassen.

Tagelang sucht Seehofer nach Rezepten, wie er dem auf der von ihm selbst einberufenen Krisenklausur begegnen will. Mal will er die Kritik abblocken durch eine Präsentation des noch ausstehenden Konzepts um die Pkw-Maut, dann will er die Wahlprogramme von Landtags- und Europawahl noch einmal beschließen lassen sowie auch einen Fahrplan für den Übergang. Am Ende passiert nichts davon, Seehofer versichert nur, dass er 2015 noch einmal antreten will und der Vorstand dann gemeinsam den Übergang regelt - eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Für Seehofer ist es dennoch ein Erfolg, er geht gestärkt aus dem Tag.

Seehofers übliche Späßchen

Der hatte früh begonnen. Ob man an einem so schönen Samstag nichts anders vor habe, als sich schon vor neun Uhr morgens an die Nymphenburger Straße zu stellen, hatte CSU-Chef Horst Seehofer die Journalisten noch angefrotzelt, als er als einer der ersten selbst vor der Parteizentrale vorfährt. Es sind Seehofers übliche Späßchen, doch sie gehen dem Ministerpräsidenten nicht ganz so locker von den Lippen. Es ist der Tag, auf den Partei und Beobachter schon seit Tagen hinfiebern. Von 10 Uhr morgens an sitzt man an diesem Samstag hinter verschlossenen Türen im Konferenzsaal der Parteizentrale zusammen, Ende offen.

Während die Parteifreunde vor der Parteizentrale ankommen, wird eher über Parteivize Peter Gauweiler geredet. Er wird von seinen Kritikern für einen Gutteil des Absturzes auf nur noch 40 Prozent bei der Europawahl verantwortlich gemacht. Seine Befürworter finden, dass es ohne ihn noch schlimmer gekommen wäre. Erst kommt Manfred Weber, der neue Chef der EVP-Fraktion im Europaparlament. Er nimmt Gauweiler gleich aufs Korn: "Er vertritt leider Gottes nur selten CSU-Gesamtpositionen." Bernd Posselt kommt, der sein EU-Mandat wegen des schlechten Wahlergebnisses verlor. Er stellt, ohne den Namen Gauweiler auszusprechen, die Frage: "Stellt sich die CSU an die Spitze der (europäischen) Bewegung oder bleibt sie als Nörgler am Straßenrand stehen?" Und Gerda Hasselfeldt, die als CSU-Landesgruppen-Vorsitzende in Berlin auch Chefin des Bundestagsabgeordneten Gauweiler ist, zitiert fröhlich aus ihrer Geburtstagsrede zu dessen 65. vor wenigen Tagen: "Es ist gut, dass wir Dich haben, es ist aber auch gut, dass wir nicht nur solche haben."

Auftritt der Gauweiler-Getreuen: Ex-Bayernkurier Chefredakteur Wilfried Scharnagl will eigentlich nichts sagen und meint dann doch über Gauweiler: "Er hat auch Freunde, viel mehr, als man glaubt." Und schließlich kommt Gauweiler selbst und ist wie immer für Bonmots gut. "Wir sind alle fehlbare Sünder, ich sowieso", sagt er auf die Frage, ob er Fehler gemacht habe im Wahlkampf. Seine europakritischen Positionen seien immer klar gewesen, lange vor seiner Wahl zum Vize-Parteichef im vergangenen Jahr. "Wer die für falsch hält, darf mich nicht wählen." Sich zu ändern, das habe er nicht vor, sagt Gauweiler - "sofern ich nicht umgebracht werde".

Dafür, dass praktisch jeder vor der Sitzung Befragte beteuert, es gebe keinerlei Personaldiskussion, sondern es gehe nur um Inhalte, wird also ziemlich viel übers Personal und dessen Verhalten geredet. Das bekommt auch Markus Ferber zu spüren. Der CSU-Spitzenkandidat bei der Europawahl hat in den vergangenen Tagen mit massiver Kritik an Seehofer die Debatte erst richtig angeheizt. Nun läuft er eher kleinlaut in die Nymphenburger Straße ein. "Wenn's a bisserl schwül wird, hilft ein Gewitter, dann sieht man wieder klar." Viel mehr will er nicht sagen. Um so deutlich wird Staatskanzleichefin Haderthauer, die den Seehofer-Kritikern einschärft: "Insofern müssen wir jetzt langsam höllisch aufpassen, dass wir nicht mit dem Hintern einreißen, was wir mühsam aufgebaut haben."

Die Partei hält durch, was vorab als Parole ausgegeben wurde

Gelassen schlendert Seehofers Vorgänger als Parteichef, Erwin Huber, heran. Er hatte mit einem Interview im "Spiegel" die Kritikwelle an Seehofer ausgelöst. "Ich erwarte eine offene und ehrliche Diskussion." Die sei wichtig, damit die Bürger nicht das Gefühl hätten, die Partei gehe auch nach einer Niederlage einfach zur Tagesordnung über.

Dann nimmt drinnen im schmucklosen Parteibau die Aufarbeitung ihren Lauf. Erst tragen externe Experten ihre Wahlanalysen vor, dann redet der Vorstand unter sich. In der Sitzung wird es offenbar weit weniger persönlich als zuvor. Viele bemängeln zwar, dass der Kurs der Partei im Europawahlkampf ein zu großer Spagat aus Unterstützung für und Kritik an der EU gewesen sei. Aber die Partei hält durch, was vorab als Parole ausgegeben worden war: keine personellen Konsequenzen.

Und Seehofer wird zum Abschluss richtig milde: Huber und Ferber hätten sich am Samstag "in einer Art und Weise eingelassen, dass es für einen Politikprofi nur als Signal der Verständigung verstanden werden konnte". Das Signal wolle er aufnehmen: "Sie haben sich mit in dieses Boot der Geschlossenheit gesetzt."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2021678
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/ebri
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.