Wer die Salzburger Festspiele verpasst hat, auf den warten vom 1. bis 7. September die Traunsteiner Sommerkonzerte, könnte man mit einem Augenzwinkern verkünden. Zwar bietet das hübsche Städtchen an der Traun keine großmächtigen Theater- und Opernsensationen, auch dauert die ganze Reihe nur eine Woche lang. Aber was Solisten-Attraktivität, Programmvielfalt und Aufführungsqualität angeht, gibt es in Traunstein mindestens genau so viel zu bestaunen und zu bejubeln wie in Salzburg oder irgendeinem anderen Festival von Rang.
Seit 2022 trägt Maximilian Hornung, selbst großartiger Cellist, einst ARD-Wettbewerbsgewinner und ehemaliger Solocellist beim BR-Symphonieorchester, die künstlerische Verantwortung. Mit ihm haben sich die Sommerkonzerte insofern verändert, als dass nicht mehr nur feste Ensembles anreisen mit jeweiligem Tournee-Programm, das sie sonst auch anderweitig spielen. Hornung stellt die sieben Konzerte unter ein Motto, und dementsprechend bilden sich für spezielle Stücke auch jeweilige Ensembles, die nur in Traunstein so zu erleben sind.
Seine ersten vier „Spielzeiten“ widmet Hornung den vier Elementen: 2022 fing es mit „Wasser“ an, vergangenes Jahr war die „Erde“ dran, heuer lautet das Motto: „Luft“. „Luft steht für Leichtigkeit und Bewegung, für Neubeginn und Veränderung“, schreibt Hornung in der Programmankündigung, und weiter, „dieses Jahr wird es viele Luft-Instrumente geben: Horn, Klarinette, Blockflöte ja sogar Saxofon und selbstverständlich das natürlichste aller mit Luft gespielten Instrumente, die menschlichen Stimmbänder.“ Im nächsten Jahr 2025 geht es dann um „Feuer“.
Motti seien gewiss so eine Sache, sagt Hornung im Gespräch, aber bei den vier Elementen gebe es eine große Freiheit der Assoziationsmöglichkeiten auch in andere Künste hinein. Also gibt es im Foyer zur Klosterkirche, dem Konzertort, dieses Mal eine Videoinstallation, die das Luft-Motto in verschiedenen Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern aufnimmt. In der Ankündigung heißt es: „Der Wind und der Atem stehen dabei im Zentrum. Ein unsichtbares Phänomen, das die Grundlage allen Lebens ist, wird in der bildenden Kunst sichtbar gemacht.“
Hornung erläutert, dass er sein Festival auch unter dem Aspekt des Bildungsauftrags verstehe. Das heißt, ein abwechslungsreiches, vielgestaltiges und überraschendes Programm zu bieten und nicht nur liebgewonnene Evergreens mit immer den gleichen Musikern. „Zum Glück sind die Traunsteiner Besucher gerade in dieser Hinsicht besonders offen“. Tatsächlich reisten über das örtliche Publikum hinaus viele Zuhörer nicht nur von München oder Salzburg an, sondern kämen auch aus Berlin und weiter nördlich extra wegen dieser Konzertreihe nach Traunstein.
Gleich am ersten Abend (1.9.) gibt es neben dem bekannten f-Moll-Klavierquintett op. 34 von Johannes Brahms das wegen seiner ungewöhnlichen Besetzung selten gespielte Sextett des ungarischen Komponisten Ernö von Dohnányi: Zu zwei Violinen, Viola und Violoncello kommen noch Horn und Klarinette. Neben Maximilian Hornung am Cello spielen die zauberhafte, vielfach preisgekrönte niederländische Geigerin Noa Wildschut und Johannes Strake, stellvertretender Konzertmeister der NDR-Radiophilharmonie Hannover, dazu Jano Lisboa, 1. Solobratscher der Münchner Philharmoniker, die Schweizer Hornistin Zora Slokar und der Freiburger Klarinettenprofessor Kilian Herold. Beim Brahms-Quintett übernimmt der renommierte Schweizer Benjamin Engeli den Klavierpart. Er gewann einst 2007 zusammen mit Hornung und der Geigerin Esther Hoppe unter dem Namen „Tecchler Trio“ den ARD-Wettbewerb.
Der zweite Abend (2.9.) bietet das späte melancholische Klarinetten-Trio op. 114 von Brahms mit Herold, Hornung und Engeli. Das große „Luft“-Stück aber wird Ludwig van Beethovens „Pastorale“ sein. Nicht wie gewohnt mit großem Orchester, sondern in einer Version für Streichsextett aus der Beethovenzeit, die der Erfurter Organist und Komponist Michael Gotthard Fischer (1773–1829) arrangiert hat. Wildschut, Strake, Lisboa und Hornung werden durch Lisa Randalu, Solobratscherin des hr-Symphonieorchesters und Paul Hanschke, Solocellist des Tonhalle-Orchesters Zürich, zum Sextett ergänzt. Am 3. September gestaltet das Lied-Duo Konstantin Krimmel, Bariton, und Ammiel Bushakewitz, Klavier, einen Abend mit Liedern von Franz Schubert, Franz Liszt, Robert Schumann, Felix Mendelssohn Bartholdy nach Gedichten von Heinrich Heine. Zusätzlich wird Maren Ulrich zu Heines Leben rezitieren.
Wenn der vierte Abend (4. 9.) sich ganz gediegen um Klaviertrios dreht von Claude Debussy, Schumann und Mendelssohn Bartholdy mit den renommierten Solisten Antje Weithaas, Violine, Marie-Elisabeth Hecker, Violoncello und Dénes Várjon, Klavier, – das Konzert wird vom BR mitgeschnitten – dann spannt sich am 5. September beim Auftritt des glänzenden Arcis Saxopohon Quartetts der Bogen der Musik von Frank Zappa und Marc Mellits zu Erwin Schulhoff und Emma O’Halloran bis zu Astor Piazzolla. Mittendrin wird das Auftragswerk der 26-jährigen mongolischen Komponistin Shuteen Erdenebaatar erklingen.
Am sechsten Abend (6.9.) wird die berühmte Blockflötistin Dorothea Oberlinger zeigen, welche unerhörten Klangmöglichkeiten in diesem oft belächelten, manchmal sogar geschmähten Instrument stecken bei Musik von Johann Sebastian Bach bis zu Luciano Berio. Mit von dieser spannenden Partie ist der Cembalist Peter Kofler. Den letzten Abend am 7. September bestreitet dann, gewissermaßen „klassisch“, ein Streichquartett: das Gringolts Quartett mit Werken von Joseph Haydn, Valentin Silvestrov und Brahms.
Traunsteiner Sommerkonzerte, vom 1. bis 7. September, Kulturforum Traunstein, Ludwigstr. 10, Infos unter www.traunsteiner-sommerkonzerte.de