Süddeutsche Zeitung

Konsumgesellschaft:Warum es in Traunstein gerade "Nichts für dich" gibt

Das Nichts ist in verschiedenen Größen und Verpackungen erhältlich und gar nicht mal so günstig. Bis Ende März ist nichts noch zu haben - in bester Lage am Stadtplatz.

Glosse von Matthias Köpf, Traustein

Am Traunsteiner Stadtplatz ist in diesen Wochen nichts los, und prompt spricht ungefähr die halbe Stadt über nichts. Ist ja auch kein Wunder, denn für Traunsteiner Kreisstadtverhältnisse ist die Kampagne ziemlich wuchtig: "Nichts ist perfekt" steht da auf signalrosafarbenem Untergrund auf einer Plakatwand am Bahnhof, "Nichts ist für immer" auf Gelb inmitten all der Autos auf einem großen Parkplatz. Fünf Slogans gibt es, die seit fast drei Wochen auf acht großen Plakatwänden durchwechseln. Und immer geht es um nichts weniger als nichts. Offenbar hat da jemand mit viel Aufwand wenig mitzuteilen. Oder? Natürlich geht es wieder ums Geschäft, und zwar auch im engeren Sinn von Laden.

Alles ist als Geschäftsmodell ja gerade wieder mal Pleite gegangen, siehe Galeria, aber von Traunstein aus soll da die nächste Filiale erst in Rosenheim zugesperrt werden. Außerdem gibt es in Traunstein ja noch so ein Kaufhaus, nur in klein und nicht in Insolvenz. In diesem Kaufhaus Unterforsthuber am Stadtplatz haben sie irgendwann in den Sechzigern die erste Rolltreppe weit und breit anlaufen lassen, und das war damals wirklich nicht nichts.

Nichts haben sie selbst dort im Kaufhaus aber nicht einmal in der Sockenabteilung. Dafür muss man dann eben anderswo hin. Passende Erdgeschosse wären da, ein bisschen abseits des Stadtplatzes wären auch hier etliche Ladenlokale mit traurig leeren Schaufenstern zu vermieten. Aber nur für ein paar Wochen, dazu waren die Eigentümer jener Immobilien dann doch zu unbeweglich.

Also haben Robert Heigl und Lisa Klauser ihren Laden gleich in örtlicher 1a-Lage eröffnet, in der Alten Wache im Rathaus. Dort gibt es auch sonst immer Kunst und aktuell noch bis Ende März "NICHTS für dich". Nichts ist dort in verschiedenen Größen und Verpackungen erhältlich, und gar nichts ist dort gar nicht billig, auch nicht im Online-Shop. Wer mag, kann sich aber an der Herstellung von nichts beteiligen und bekommt dafür sogar ein Honorar angeboten. Geredet wird überhaupt viel, wie Robert Heigl selber sagt. Erst in Form von Verkaufsgesprächen und dann, wenn's dämmert, als Austausch über künstlich geweckte Bedürfnisse und das Leben in der Konsumgesellschaft. Und in der fehlt es an was? Genau. Deshalb auch hier noch auf ein paar Zeilen

und wieder nichts.

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